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Sommer-Pressekonferenz „Es bleibt dabei: Es ist ernst, unverändert ernst“ – Kanzlerin Merkel warnt vor schwierigen Monaten

Die Kanzlerin stimmt die Bevölkerung darauf ein, dass das Virus das Leben im Winter noch stärker einschränken wird. Sie bedankte sich bei den Bürgern für ihr Verhalten in der Krise.
28.08.2020 Update: 28.08.2020 - 13:27 Uhr Kommentieren

Merkel: „Geschafft hat mich nichts, aber gefordert sicherlich vieles“

Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Deutschen darauf eingestimmt, dass sich die Corona-Pandemie im Herbst und Winter wieder stärker auf das alltägliche Leben auswirken könnte. „Man muss damit rechnen, dass manches in den nächsten Monaten noch schwieriger sein wird als jetzt im Sommer“, sagte die CDU-Politikerin zum Auftakt ihrer traditionellen Sommer-Pressekonferenz an diesem Freitag in Berlin.

Alle hätten im Sommer durch das „Leben draußen“ Freiheiten und einen relativen Schutz vor Aerosolen, die das Virus übertragen könnten, genossen.

„In den nächsten Monaten wird es jetzt darauf ankommen, die Infektionszahlen niedrig zu halten, wenn wir uns wieder drinnen aufhalten – an Arbeitsplätzen, in Schulen und in Wohnungen“, sagte Merkel. Weltweit arbeiteten Forscher auf Medikamente und einen Impfstoff hin, aber noch sei beides nicht gefunden.

„Wir werden noch länger mit diesem Virus leben müssen, und deshalb ist meine Grundhaltung eine der Wachsamkeit, der Aufmerksamkeit. Gerade jetzt, da die Infektionszahlen wieder so deutlich über die letzten Wochen gestiegen sind“, sagte Merkel.

„Es bleibt dabei: Es ist ernst, unverändert ernst – und nehmen Sie es auch weiterhin ernst.“

„Staaten warten dringend auf die Mittel“

Merkel verteidigte die milliardenschweren Staatshilfen in der Corona-Krise. Es sei eine gute Enscheidung, „sich in hohem Maße zu verschulden, weil alles andere uns jetzt noch viel länger in der Kralle der Pandemie halten würde“, sagt sie. Sie sei froh, dass in den vergangenen Jahren solide gewirtschaftet worden sei. „Jetzt zeigt sich, dass das schon sehr richtig war“, betont sie.

Merkel sah den Bund gefordert, die Bildung der Kinder in Deutschland während der Pandemie sicherzustellen. „Die Schule darf niemanden zurücklassen.“ Sie wolle alles dafür zu tun, dass die Kinder nicht Verlierer der Pandemie würden.

Dies gelte für alle Kinder. Infektionsschutz und Bildung an den Schulen zu vereinbaren, sei eine der schwierigsten Aufgaben. Auch die Bundesregierung sehe unter diesen außergewöhnlichen Umständen eine Verantwortung für sich. Eigentlich ist Bildung in Deutschland Ländersache.

Merkel will die EU während der deutschen Ratspräsidentschaft „gut durch die Krise und wieder stark herauszuführen“. Sie hoffe, dass der milliardenschwere Wiederaufbaufonds 2021 wirksam werden könne.

Sie stelle sich aber auf „schwierige Verhandlungen“ mit dem EU-Parlament ein, das noch zustimmen muss. „Die Mitgliedsstaaten warten dringend auf die Mittel“, sagt Merkel. Die Milliardengelder aus dem Wiederaufbaufonds will Merkel für Zukunftsinvestitionen verwenden.

Merkel sagte, die Bundesregierung werde noch einmal einen Schwerpunkt setzen bei der digitalen Bildung und der Infrastruktur. Sie nannte außerdem den Klimaschutz. Das Finanzministerium und das Kanzleramt arbeiteten an einer entsprechenden Vorlage.

Deutschland stehen der Kanzlerin zufolge aus dem Fonds nach jetzigem Stand etwa 22 Milliarden Euro zu. „Das Ziel muss sein, das Geld möglichst schnell auszugeben.“ In der Zeit des Wirtschaftseinbruchs müsse in die Zukunft investiert werden.

Ein großer Teil des Geldes solle daher in die digitale Bildung und der dazu notwendigen Infrastruktur fließen, kündigt Merkel an. Auch der Klimaschutz werde nicht zu kurz kommen. „Im Bereich Wasserstofftechnologie könnte ich mir etwas vorstellen.“ Ziel sei es, die Anträge bis 15. Oktober einzureichen. „Das Ziel muss ja sein, das Geld möglichst schnell auszugeben“, um gegen den Wirtschaftseinbruch zu investieren.

Die Bundesregierung will sich nach Merkels Angaben darum bemühen, „den gesellschaftlichen Zusammenhalt soweit wie möglich zu bewahren“. Die Pandemie „macht ganze Gruppen der Bevölkerung besonders verwundbar“, sagte die CDU-Politikern.

Sie zählte ältere und pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige auf, Familien mit Kindern in beengten Wohnverhältnissen, Studierende, die ihren Nebenjob verlören, Arbeitsuchende, Kleinunternehmer sowie Künstler. „Auf sie alle müssen wir besonders achten“, sagte Merkel. Es sei nötig, Angebote zur Unterstützung zu machen und im Gespräch zu bleiben.

Merkel bedankte sich bei den Bundesbürgern für ihr Verhalten in der Krise. Schlimme Erfahrungen wie jene anderer Staaten seien Deutschland bisher erspart geblieben, sagte sie. Das liege am – auch in der Fläche – gut aufgestellten Gesundheitssystem in Deutschland.

Die vergleichsweise günstige Entwicklung habe es aber vor allem gegeben, „weil die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland Vernunft, Verantwortungsbewusstsein und Mitmenschlichkeit gezeigt hat“. Merkel sagte: „Ich werde für diese millionenfache Reaktion der Menschen immer dankbar sein.“

Europäische Reaktion auf Fall Nawalny

Auch zum Rücktritt des japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe äußerte sich die Bundeskanzlerin: Sie habe immer sehr gut mit ihm zusammengearbeitet und wünsche ihm gesundheitlich alles Gute, sagt sie.

Im Konflikt mit China setzt die deutsche Regierungschefin auf Dialog. „Ich sehe vor allem die Möglichkeit, dass wir beim Klimaschutz enger zusammenarbeiten“, sagt sie. Auch bei den Themen Investitionsschutzabkommen und dem Engagement in Afrika werde der Dialog gesucht. Sie werde dabei auch kritische Themen ansprechen – etwa Hongkong.

„Wir wollen, dass die vertragliche Grundlage mit Hongkong auch wirklich eingehalten wird“, sagt sie. Hier gebe es Meinungsverschiedenheiten mit Peking. Europa müsse sich nur dann zwischen den USA und China entscheiden, wenn es wirtschaftlich schwach sei und bestimmte Technologien selbst nicht habe. Mit den USA gebe es eine gemeinsame Wertebasis, während China ein völlig anderes gesellschaftliches System habe.

Merkel strebt eine europäische Reaktion auf den Fall des mutmaßlich vergifteten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny an. Sie verweist dabei auf die Reaktion auf das Attentat auf Sergej Skripal 2018 in Großbritannien, für das Russland verantwortlich gemacht wird. Etliche europäische Staaten wiesen danach russische Diplomaten aus. Im Fall Nawalny gehe es allerdings zunächst darum, für Aufklärung zu sorgen, sagt die Kanzlerin.

Trotz der möglichen Vergiftung Nawalnys spricht sich Merkel für eine Fertigstellung der Gaspipeline Nord Stream 2 aus. „Dieses wirtschaftlich getriebene Projekt jetzt mit der Frage Nawalny zu verbinden, halte ich nicht für sachgerecht“, sagt Merkel. Sie wolle, dass die Pipeline fertig gebaut werden. Sie kritisiert zudem US-Sanktionsdrohungen, mit denen die Fertigstellung des Baus verhindert werden soll.

Merkel plädiert für Meinungsfreiheit in Weißrussland

Merkel warnte vor einer Einmischung von außen in den Konflikt in Weißrussland. Zu der Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, eine Eingreiftruppe für Staatschefs Alexander Lukaschenko bereitzuhalten, sagte die CDU-Politikerin: „Ich hoffe, dass eine solche Truppe nicht zum Einsatz kommt.“

Den Menschen, die in Weißrussland „mutig auf die Straße“ gingen, müsse die Demonstrations- und Meinungsfreiheit gewährt werden. „Das sollen sie eigenständig, ohne Einmischung von außen aus jeder Richtung auch realisieren können. Das ist unser Wunsch.“ Es komme darauf an, dass die „Souveränität des Landes auch geachtet wird und die Menschen dort ihren Weg gehen können.“

Merkel kritisierte auch das Vorgehen der Sicherheitskräfte in Weißrussland gegen Journalisten. Nach Angaben des weißrussischen Journalistenverbandes waren etwa 50 Medienvertreter bei den Protesten vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen worden. Man werde Belarus mitteilen, „dass wir das nicht akzeptabel finden“, betonte Merkel.

Im Streit um Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer zwischen Griechenland und der Türkei warb die Kanzlerin für einen Dialog geworben. Die EU-Staaten müssten die Argumente der Athener Regierung ernst nehmen und Griechenland dort unterstützen, wo die dortige Regierung recht habe, sagte sie. „Dennoch habe ich mich immer wieder dafür eingesetzt, dass es zu keinen weiteren Eskalationen kommt.“ Gespräche über die Aufteilung der Wirtschaftszonen seien nötig.

Merkel sagte, sie habe „sehr intensiv“ mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über das Verhältnis zur Türkei gesprochen. Sie erinnerte daran, dass es bei der Türkei und Griechenland um einen Konflikt zwischen Nato-Partnern gehe. „Das kann uns ja nicht kalt lassen.“

Merkel kritisiert Russland für Syrienpolitik

Die Lage im Bürgerkriegsland Syrien nennt Merkel „dramatisch. Es ist eine große Tragödie, bei der sich die Hoffnungen dessen, was man mal arabischen Frühling genannt hat, natürlich in ihr Gegenteil verkehrt haben.“

Seit 2011 sind in dem Land Hunderttausende Menschen ums Leben gekommen, Millionen wurden vertrieben und das Land ist weitgehend zerstört. Auf verschiedenen Seiten mischen die USA, Russland, die Türkei und der Iran mit.

Es handle sich um eine dramatische Situation, sagte Merkel. Die Hälfte der Bevölkerung Syriens sei entweder im Land auf der Flucht oder habe es verlassen. Dabei hätten die Menschen dort „mit Recht“ gegen einen Diktator vorgehen wollen, der aber immer noch im Amt sei. All das zeige, was für ein Spannungsfeld es gebe zwischen den Werten, für die auch sie selbst kämpfe, und den Möglichkeiten – solange man nicht militärisch agiere.

„Russland hat sich nicht gescheut, sozusagen dem Hilferuf von Assad nachzukommen“, sagte Merkel. Russland hilft Machthaber Baschar al-Assad auch militärisch. Die Unterstützung habe zu einer Verfestigung der Lage in Syrien geführt, sagte Merkel. Bis heute sei in dem Land kein „inklusiver Prozess“ zustande gekommen, also keine umfassenden Gespräche der verschiedenen Lager. Solange sie im Amt sei, wolle sie sich dafür einsetzen, dass die innerhalb und außerhalb Syriens Vertriebenen im Land Gehör fänden.

Mehr: Merkels Wunsch bleibt unerfüllt: Länder beharren bei Corona-Maßnahmen auf Sonderwegen.

  • rtr
  • dpa
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