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Sommerzeit beginnt Mehrheit der Deutschen will ganzjährige Sommerzeit – Woran die Abschaffung der Zeitumstellung bisher scheitert

Die Zeitumstellung schadet der Wirtschaft und der Gesundheit. Die EU wollte sie abschaffen, aber die Mitgliedstaaten blockieren.
27.03.2021 - 08:25 Uhr Kommentieren
Die EU-Kommission hatte bereits 2018 das Ende der Zeitumstellung vorgeschlagen. Quelle: AP
Uhrenpark in Düsseldorf

Die EU-Kommission hatte bereits 2018 das Ende der Zeitumstellung vorgeschlagen.

(Foto: AP)

Brüssel, Berlin Eine große Mehrheit der Deutschen ist für die Abschaffung der Zeitumstellung. Das zeigt eine repräsentative Studie der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) und des Marktforschungsinstituts mo’web research. Rund drei Viertel der 1038 in der ersten Märzhälfte Befragten zwischen 18 und 70 Jahren sprechen sich demnach für eine dauerhafte Sommerzeit aus. Dann wäre es im Winter abends länger hell.

Eigentlich sollte die Zeitumstellung in der EU in diesem Jahr abgeschafft werden. Die EU-Kommission hatte 2018 das Ende der Zeitumstellung vorgeschlagen. Das EU-Parlament hatte 2019 zugestimmt. Seitdem ist jedoch praktisch nichts mehr passiert. Der nächste Schritt wäre, dass sich der EU-Rat, in dem die Mitgliedstaaten vertreten sind, für eine dauerhafte Sommer- oder Winterzeit entscheidet.

Den Vorsitz des EU-Rats hatte im vergangenen Halbjahr Deutschland. Das deutsche Wirtschaftsministerium thematisierte die Sache aber nicht. Man wartete auf eine Folgenabschätzung der EU-Kommission, sagt eine Sprecherin. Ohne diese Folgenabschätzung „fehlt es unserer Ansicht nach an der Grundlage, um das Thema im Rat zielführend und mit dem Ziel eines gemeinsamen Standpunktes zu beraten“.

In der Kommission wird an einer solchen Abschätzung aber gar nicht gearbeitet. „Der Ball liegt im Feld der Mitgliedstaaten, die jetzt eine gemeinsame Position im Rat finden müssen“, sagt ein Sprecher. Außerdem hingen die Effekte der gewählten Standardzeit wahrscheinlich von der geografischen Lage eines Landes ab. „Darum sind die Mitgliedstaaten in der besten Position, diese Bewertung vorzunehmen.“

Politiker, die sich schon länger mit dem Thema beschäftigen, sind verärgert. „Die Mitgliedstaaten verschleppen die Gesetzgebung“, sagt die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im Europaparlament, Anna Cavazzini (Grüne). „Seit Corona gibt es andere Prioritäten, und das ist auch gut so. Dass in den zwölf Monaten davor nichts passiert ist, ärgert mich“, sagt der CDU-Gesundheitspolitiker Peter Liese.

Das Absurde: Niemand streitet für die eine oder die andere Möglichkeit, also für die Sommer- oder Winterzeit. „Besonders wichtig ist, dass wir auf dem Binnenmarkt nicht mit unterschiedlichen Ansätzen innerhalb der Zeitzonen enden, egal ob sich die Mitgliedstaaten nun für die Sommer- oder die Winterzeit entscheiden“, sagt Cavazzini. Die Staaten müssen also gemeinsame Sache machen – egal wie.

Das Europaparlament hatte vorgeschlagen, dass Mitgliedstaaten und Kommission gemeinsam ein Gremium bilden, in dem sie sich abstimmen. Dieses wurde aber nie einberufen. „Es ist noch nicht einmal erhoben worden, welcher Staat welche Lösung bevorzugt“, sagt Liese.

Abschaffung hätte „ökonomisch spürbares Potenzial“

Die FDP dringt auf eine rasche Abschaffung der Zeitumstellung. Die Zeitumstellung sei ein „unnötiger Eingriff in das Leben der Menschen“, sagte Fraktionsvize Michael Theurer dem Handelsblatt. „Ob wir dauerhaft Sommer- oder Winterzeit haben, ist mir letztlich egal“, fügte der FDP-Politiker hinzu. „Zentral wäre es, dass die Bundesregierung im Gespräch mit den uns umgebenden Freunden und Partnern einen Flickenteppich verhindert.“

Eine Abschaffung der Zeitumstellung könnte sich auch wirtschaftlich lohnen: „Ökonomisch hätte die Abschaffung der Zeitumstellung spürbares Potenzial“, sagte Korbinian von Blanckenburg, Volkswirtschaftsprofessor an der TH OWL und einer der Autoren der Studie, dem Handelsblatt. „Die halbjährlichen Umstellungen wirken jedes Mal wie eine kleine Bremse für unsere Wirtschaft: Prozesse geraten ins Stocken, Arbeitnehmer sind unausgeschlafen, Fahrpläne und sämtliche Uhren des Landes müssen auf die neue Zeit eingestellt werden.“

Hinzu komme durch die Abschaffung Stromsparpotenzial, vor allem durch die ganzjährige Sommerzeit, da der Hauptstromverbrauch privater Haushalte abends stattfinde und durch die Sommerzeit die Abendhelligkeit das ganze Jahr über besser ausgenutzt werde.

Besonders deutlich ist die Ablehnung der Zeitumstellung laut der Studie bei älteren Menschen. Berufstätige und Menschen, die keine im Haushalt lebenden Kinder haben, tendieren dagegen eher dazu, die Zeitumstellung beizubehalten.

Jeder zweite Deutsche gibt an, durch die anstehende Zeitumstellung auf Schlaf zu verzichten. Zudem braucht fast die Hälfte der Deutschen bis zu drei Tage, um sich an die neue Zeit zu gewöhnen. Fast jeder Dritte spürt hingegen keinen Unterschied durch die Zeitumstellung, wobei Frauen länger benötigen, um sich an die Umstellung der Uhren zu gewöhnen.

Im Vergleich zu einer Studie der TH OWL mit der TU Braunschweig aus dem Jahr 2018 hat sich die Einstellung der Verbraucher – auch vor dem Hintergrund einer durch die Corona-Pandemie bedingten möglichen höheren Arbeitszeitflexibilität – kaum verändert. Auch 2018 lehnten rund 75 Prozent der Deutschen die Zeitumstellung ab. Zudem befürwortete auch 2018 ein Großteil die ganzjährige Sommerzeit gegenüber der Winterzeit.

Auch Ökonom Blanckenburg mahnt ein einheitliches Vorgehen an. „Studien zeigen, dass die Einführung einer zusätzlichen Zeitzone, beispielsweise, wenn Deutschland bei der Sommerzeit und Frankreich bei der Winterzeit bliebe, deutliche negative Handelseffekte verursacht“, erläuterte er. „Das sollte unbedingt vermieden werden.“

In der EU gibt es drei Zeitzonen, die größte von ihnen, die der Mitteleuropäischen Zeit, reicht von Spanien bis Polen. Bei einer dauerhaften Sommerzeit würde es im Winter im Westen – aber auch im Nordwesten – des Kontinents erst am Vormittag hell. In Vigo an der spanischen Atlantikküste würde die Sonne am 21. Dezember dann erst um 10.01 Uhr aufgehen, in Brest in der französischen Bretagne um 10.07 Uhr und im norddeutschen Emden um 09.45 Uhr.

Bei einer dauerhaften Winterzeit wiederum würde es im Sommer nicht nur im Biergarten oder in der Strandbar eine Stunde früher dunkel als gewohnt. Die Sonne würde im Osten der EU auch extrem früh aufgehen: In Bialystok in Polen wäre das am 21. Juni um 03.01 Uhr, in Warschau um 03.15 Uhr und in Berlin um 03.44 Uhr.

Wie es jetzt mit der Zeitumstellung weitergeht, ist unklar. Derzeit hat Portugal die Ratspräsidentschaft inne. Eine Anfrage, ob das Land das Thema auf die Agenda gesetzt habe, blieb unbeantwortet.

Mehr: Warum ein Ende der Zeitumstellung überfällig ist und trotzdem Risiken birgt

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