Sondierungen Ampel-Sondierungen gehen am Montag weiter – Wirtschaft hat klare Forderungen an das Bündnis

Welche Ziele sich ein rot-grün-gelbes Bündnis nach erfolgreichen Koalitionsgesprächen am Ende wirklich setzen wird, ist noch offen.
Berlin Ein Ergebnis der ersten Sondierungsgespräche für eine Ampel-Regierung hatte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dann doch mitzuteilen. „Ab Montag geht es weiter“, sagte Klingbeil am Donnerstagabend nach dem Treffen mit den Sondierungsteams von Grüne und FDP. „Es waren alle Themen auf dem Tisch“, sagte er. Diese wolle man intensiv beraten und damit auch zu einer Einigung kommen.
Ein positives Fazit zog auch FDP-Generalsekretär Volker Wissing. Die Liberalen liegen thematisch in vielen Punkte weit auseinander von SPD und Grüne. „Es gibt Themen, bei denen wird es nicht einfach“, sagte Wissing. „Wir haben aber gesehen, dass es die Bereitschaft gibt, auch tiefe Hürden zu nehmen.“ Er sei zuversichtlich, dass es eine „gute Woche“ werden würde.
Welche Inhalte besprochen wurden, sagten SPD, Grüne und FDP hingegen nicht. Ihr Schweigegelübde zwingt die potenziellen Ampel-Koalitionspartner derzeit zu blumigen Formulierungen. Es gehe darum, das Land „in einer Kultur von Modernität, Teilhabe und Respekt“ voranzubringen, sagte SPD-Chefin Saskia Esken am Donnerstag vor Beginn der Dreiersondierungen. FDP-Chef Lindner hatte zuvor betont, Grüne und FDP könnten in einer Koalition ein „fortschrittsfreundliches Zentrum“ bilden. Und Grünen-Chefin Annalena Baerbock erklärte, Deutschland könne sich keine lange Hängepartie erlauben.
Welche Ziele sich ein rot-grün-gelbes Bündnis nach erfolgreichen Koalitionsgesprächen am Ende wirklich setzen wird, ist noch offen. Umso klarer formulieren Wirtschaft und Gewerkschaften, was sie von der künftigen Regierung erwarten.
So hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) seine Forderungen in einem siebenseitigen Papier aufgelistet, das dem Handelsblatt vorliegt.
„Das nächste Jahrzehnt entscheidet über Deutschlands Vorreiterrolle im Bereich Modernisierung und Investitionen“, heißt es darin. „Hierfür braucht es ein ambitioniertes Programm.“ Insgesamt 26 Punkte listet der BDI auf, die aus seiner Sicht wichtig sind, um den Standort zu stärken, die klimaneutrale Industrie zu gestalten und die Kooperation auf europäischer und internationaler Ebene zu stärken.
Dazu gehören beispielsweise ein Verzicht auf Steuererhöhungen, um private Investitionen zu stützen, eine schlagkräftige Industriepolitik, eine bessere Start-up-Förderung, kürzere Planungs- und Genehmigungsverfahren, wettbewerbsfähige Energiepreise oder ein verlässlicher Marktrahmen für die Transformation ganzer Industrien.

Massive Investitionen in die Infrastruktur sind notwendig.
Der Verband setzt sich aber auch dafür ein, „die strategische Souveränität in kritischen Technologien, bei Waren und Dienstleistungen zu stärken“. Denn die Lieferengpässe bei Vorprodukten machen der deutschen Industrie inzwischen schwer zu schaffen. Im August hat sie vier Prozent weniger produziert als im Vormonat, was der stärkste Rückgang seit dem Einbruch während der ersten Coronawelle im Frühjahr 2020 ist.
DIHK fordert einen „Investitionsruck“
Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erwartet von einer Ampelkoalition bessere Rahmenbedingungen, damit die Betriebe investieren können. „Digitalisierung, Klimaschutz und der Fachkräftemangel sind für die Unternehmen die wichtigsten Themen“, sagt DIHK-Präsident Peter Adrian. „Wir brauchen jetzt einen Koalitionsvertrag, der einen Investitionsruck in Deutschland ermöglicht.“ Im jüngsten IHK-Unternehmensbarometer hatten die befragten Firmen die meisten Standortbedingungen schlechter beurteilt als noch vor vier Jahren.
Den Fachkräftemangel, der durch die Coronapandemie nur vorübergehend gedämpft wurde, rückt auch Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer in den Fokus. „Nur mit genügend fachlich qualifizierten Handwerkerinnen und Handwerkern werden sich der Wohlstand und die Wirtschaftskraft unseres Landes auch in der Zukunft sichern lassen.“ Die Politik müsse ihren Fokus noch stärker auf die berufliche Ausbildung lenken und dieser auch finanzielle Wertschätzung entgegenbringen, die der des akademischen Bereichs gleichwertig sei.
„Wir brauchen leistungsfähige Bildungsstätten, mehr digitale Bildungsangebote und eine echte Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung“, forderte Wollseifer. Zu Beginn des Ausbildungsjahres waren allein im Handwerk noch rund 30.000 Ausbildungsplätze nicht besetzt.

Auf dem Weg zu klimafreundlicherer Mobilität.
Viele Wirtschaftsverbände hatten keinen Hehl daraus gemacht, eine Jamaika-Koalition einer rot-grün-gelben Regierung vorzuziehen. Doch inzwischen könne vor der Ampel „niemand mehr die Augen verschließen“, sagt Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer des Mittelstandsverbunds ZGV. „Die Wahrscheinlichkeit für andere Konstellationen tendiert gegen null.“
Wenn ihnen von der künftigen Regierung nicht auf Druck der linken Parteiflügel höhere Steuern und neue Auflagen aufgebürdet würden, könnten Unternehmer auch mit einer Ampel leben, sagte der Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Markus Jerger.
Ihre Hoffnungen richten die Mittelständler dabei auf die Liberalen. „Wir setzen auf die FDP als wirtschaftspolitisches Korrektiv und ordnungspolitischen Wegweiser“, sagt Jerger. ZGV-Chef Veltmann hofft, dass die FDP ihre wirtschaftspolitische Kompetenz im Finanz- und im Außenministerium zur Geltung bringen kann.
Ampel-Parteien zeigen sich nach Sondierung harmonisch
Denn Konflikte in einem Ampelbündnis dürfte es vor allem bei den Themen Steuern und Haushalt geben – und bei der Frage, wie die gewaltigen Investitionen für die Transformation der Wirtschaft finanziert werden sollen. So lehnt die FDP die von SPD und Grünen geforderten Steuererhöhungen strikt ab, Parteichef Christian Lindner hat dies als rote Linie für etwaige Koalitionsverhandlungen definiert.
Gewerkschaften fordern Ausbau des Sozialstaats
Für die Gewerkschaften dürfte dies schwer zu schlucken sein. Um den Staat handlungsfähig zu halten und die Transformation zu gestalten, fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zusätzliche Investitionen von 45 Milliarden Euro pro Jahr über zehn Jahre. „Die Schuldenbremse darf keine Investitionsbremse sein“, mahnt DGB-Chef Reiner Hoffmann.
„Wir müssen massiv investieren, um Deutschland zukunftsfest zu machen.“ Jeden Euro, der jetzt nicht investiert werde, müssten nachfolgende Generationen doppelt und dreifach bezahlen. Der DGB stellt sich auch hinter die Forderung von SPD und Grünen, das Rentenniveau bei 48 Prozent zu stabilisieren und den Sozialstaat weiter auszubauen.
Das wiederum ruft die Arbeitgeber auf den Plan. „Wir brauchen in Deutschland freie Fahrt für weitreichende Reformen, um Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand zu sichern“, mahnt der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger. Die aufgenommenen Schulden müssten zurückgezahlt und die Sozialversicherungssysteme stabilisiert werden. „All das geht nicht gegen, sondern nur mit der Wirtschaft.“
Der BDI weist in seinem Positionspapier auch darauf hin, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb nicht alleine bestehen könne. Die neue Regierung müsse deshalb in der Außenwirtschaftspolitik deutsche Positionen im Europäischen Rat entschieden vertreten. Deutschland brauche „ein starkes europäisches Bündnis, das sich zur transatlantischen Partnerschaft bekennt und sichtbar gegenüber China zu behaupten weiß“, heißt es in dem Papier. Freihandelsabkommen mit Kanada, dem Mercosur-Bündnis, Mexiko, Australien und Neuseeland müssten endlich ratifiziert beziehungsweise ausverhandelt werden.
Viel zu tun also für die künftige Koalition, die im Augenblick noch damit beschäftigt ist, Schnittmengen zu finden und Trennendes zu überwinden.
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