Die GroKo-Sondierungen wollen nichts mit ihrem Vorgänger, den Jamaika-Gesprächen, gemein haben. Es gibt andere Unterhändler, einen anderen Stil der Verhandlungen und doch bleibt eine Gemeinsamkeit bestehen: Die inhaltliche Kluft zwischen den Parteien. Das Thema Migration scheidet weiterhin die Meinungen. Die SPD will den Familiennachzug mit eingeschränktem Schutzstatus wieder ermöglichen, die Union ist vehement dagegen. Sie will auch ihr Ziel durchsetzen: Die Begrenzung der Flüchtlingsaufnahme auf 200.000 Menschen pro Jahr. Die CSU hat bei ihrer Winterklausur gerade erst eine Reihe von asylpolitischen Forderungen beschlossen, die der SPD nicht gefallen dürfte: etwa Leistungskürzungen für Asylbewerber oder die verstärkte Rückführung auch in Länder wie den Irak. Streit ist hier vorprogrammiert.
Es ist das Herzensthema von SPD-Chef Martin Schulz. Das von ihm ausgerufene Ziel der „Vereinigten Staaten von Europa“ hat die CSU bereits abgelehnt. Auf Unionsseite dürften sich der CSU-Europapolitiker Manfred Weber und Noch-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hier zuständig fühlen. Schulz und Weber kennen sich aus Brüssel. Spannend wird sein, wie Deutschland auf die Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu einer deutlich vertieften Eurozone und EU reagiert. Nicht nur in der SPD, auch im Kanzleramt scheint man gewillt, angesichts der Fliehkräfte in der EU positiv auf Macron zu reagieren.
Die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung könnte ein sozialpolitisches Aushängeschild einer neuen GroKo werden. Denn die gute Arbeitsmarktlage bringt den Sozialkassen Rekordeinnahmen. Eine Komplettumstellung auf die von der SPD geforderte einheitliche Bürgerversicherung wäre angesichts des übergroßen Widerstands der Union überraschend.
Viel hat die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in der vergangenen Legislaturperiode in der Arbeitsmarktpolitik durchgesetzt - Mindestlohn, Leiharbeit oder Werkverträge. Nahles hatte auch bereits Vorarbeiten geleistet, um Arbeitszeiten in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt anpassen zu können. Aber die SPD will - zum Ärger der Wirtschaft - nachlegen, etwa beim Recht auf Rückkehr von Teilzeit- in Vollzeitarbeit oder bei der Eindämmung befristeter Jobs. Für die Union sind stabile Lohnnebenkosten ein wichtiger Punkt. Hier könnte es Konflikte geben.
Gute Chancen auf eine Verständigung gibt es bei einer Aufbesserung der Renten für langjährig Geringverdiener. Bei allen Parteien gibt es bereits Überlegungen dazu. Die von der CSU geforderte Ausweitung der Mütterrente bleibt wegen der Kosten von bis zu sieben Milliarden Euro umstritten. Langzeitkonzepte für eine Stabilisierung der Rente, wie sie Nahles bereits vorgestellt hatte, dürften eher aufgeschoben werden.
Die Sondierer werden mit ihren Wünschen irgendwann auf den Boden der finanzpolitischen Realität zurückgeholt. Auf bis zu 100 Milliarden Euro hatten Experten anfangs die Wünsche der Jamaika-Sondierer kalkuliert. Später waren nur noch 30 bis 40 Milliarden Euro im Gespräch. Der geschäftsführende Finanzminister Peter Altmaier (CDU) dürfte auch die Wünsche von CDU, CSU und SPD runterschrauben. Die SPD will Milliarden für die Modernisierung des Landes. Dafür dürften ihre Finanzexperten wie Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz oder Carsten Schneider auf Steuererhöhungen für Reiche pochen - und auf Widerstand bei der Union stoßen.
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