Sorgfaltspflichtengesetz Streit um Lieferkettengesetz eskaliert: Verbände und Unionspolitiker proben den Aufstand

Deutschland will Verletzungen der Menschenrechte per Gesetz verhindern.
Berlin Die deutsche Wirtschaft lässt in ihrem Widerstand gegen das geplante Sorgfaltspflichtengesetz zum Schutz der Menschenrechte nicht locker. Der Entwurf für das Gesetz, den das Bundeskabinett am 3. März verabschiedet hatte, „droht seinen Regelungszweck zu verfehlen, nämlich die Verbesserung der Menschenrechtslage im Ausland“, heißt es in einem Schreiben von 28 Wirtschaftsverbänden an alle Bundestagsabgeordneten.
„Unternehmen, die die Risiken dieses Gesetzes nicht tragen können, müssten sich zurückziehen; in diese Lücke würden an kritischen Standorten im Zweifelsfall ausländische Wettbewerber mit niedrigeren Standards springen“, warnen die Unterzeichner, zu denen unter anderem der BDI, die BDA, der ZDH, Gesamtmetall, der VDMA oder der Verband Die Familienunternehmer gehören.
Mit dem Sorgfaltspflichtengesetz sollen Unternehmen verpflichtet werden, nicht nur im eigenen Geschäftsbereich, sondern auch bei Geschäftspartnern und Lieferanten für die Einhaltung der Menschenrechte zu sorgen. So soll beispielsweise sichergestellt werden, dass es bei der Herstellung von Vorprodukten nicht zu Kinderarbeit kommt. Für direkte Zulieferer gelten dabei strengere Standards als für die weiteren Glieder der Lieferkette.
Langer regierungsinterner Streit
Der regierungsinternen Einigung auf das Sorgfaltspflichten- oder auch Lieferkettengesetz war ein langer Streit zwischen den Bundesministern Hubertus Heil (Arbeit, SPD) und Gerd Müller (Entwicklung, CSU) auf der einen Seite und Peter Altmaier (Wirtschaft, CDU) auf der anderen Seite vorausgegangen.
Mit dem vorliegenden Entwurf gehe die Bundesregierung nun aber weit über den Koalitionsvertrag hinaus, monieren die Verbände in ihrem Schreiben. Handlungsvorgaben und Sanktions- und Strafdrohungen seien zu unbestimmt, es sei unklar, wann ein Unternehmen spezielle Sorgfaltspflichten ergreifen müsse.
Obwohl das Gesetz zunächst nur für Unternehmen ab 3000 und später ab 1000 Beschäftigte gelten solle, würden auch kleinere Firmen vertraglich in die Pflicht genommen. Im Entwurf müsse zudem ausdrücklich klargestellt werden, dass nicht doch noch eine zivilrechtliche Haftung durch die Hintertür eingeführt werde.
„Es ist nicht akzeptabel, dass bei einem für die Wirtschaft so einschneidenden und unzulänglich durchdachten Gesetzentwurf keine Zeit verwendet wurde und wird, die Belange der Wirtschaft gebührend anzuhören und zu berücksichtigen“, schreiben die Verbände an die Parlamentarier. So habe die Zeit zur Stellungnahme weniger als sieben Stunden betragen. Der Entwurf müsse dringend überarbeitet oder – falls das nicht möglich sein sollte – abgelehnt werden.
Wirtschaftspolitiker der Union fordern höhere Schwellenwerte
Die erste Lesung im Bundestag ist für den 22. oder 23. April geplant, am 5. Mai soll es eine erste Ausschussanhörung geben. Ziel ist, dass der Bundesrat dem Gesetz am 25. Juni abschließend zustimmt.
Nicht nur in der Wirtschaft, auch in der Union formiert sich aber Widerstand gegen das Gesetz. So haben die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Energie und der Vorstand des Parlamentskreises Mittelstand der CDU/CSU-Fraktion gemeinsam beschlossen, dass sie dem Gesetz in der vorliegenden Form nicht zustimmen können.
Die Änderungsforderungen decken sich dabei weitgehend mit denen der Verbände. Die Unionsabgeordneten machen sich darüber hinaus aber auch dafür stark, dass der Schwellenwert des Gesetzes – angelehnt an die französische Regelung – bei Unternehmen mit mindestens 5000 bis 10.000 Beschäftigten liegen sollte.
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