Das hätten auch gestandene Ministerpräsidenten wie Kurt Beck feststellen müssen. Die Härte des Berliner Betriebs dürfe man nicht unterschätzen. Ein anderer meint: Die Lage der SPD sei zu dramatisch. Jemand, der sich für den Parteivorsitz bewerbe, müsste dieses Amt voll und ganz ausüben.
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Die SPD sucht neue Vorsitzende
Dabei ist die SPD in den Kommunen immer noch so erfolgreich, wie sie es im Bund gerne wäre. Die Partei regiert in den Rathäusern von 13 der 20 größten deutschen Städte. Das Handelsblatt hat fünf besonders erfolgreiche Oberbürgermeister nach ihren Ambitionen gefragt:
Ulf Kämpfer (Kiel)
Die „Welt“ nennt ihn den „Robert Habeck der SPD“. Kämpfer war von 2012 bis 2014 Staatssekretär unter Habeck im Umweltministerium von Schleswig-Holstein. Beide sind immer noch befreundet.
Es wäre natürlich eine tolle Geschichte, wenn er seinem früheren Chef nicht nur folgen, sondern ihn auch herausfordern würde. Aber Kämpfer, der in Kiel 2014 mit 63,1 Prozent zum Oberbürgermeister gewählt worden ist und seitdem in einem rot-grün-gelben Bündnis regiert, will nicht weg.
Ulf Kämpfer
Ulf Kämpfer ist seit 2014 Oberbürgermeister von Kiel und will es noch ein bisschen bleiben.
Reizt ihn der Parteivorsitz? „Bei mir regt sich nichts“, sagt er. „Ich habe im Oktober eine Wahl in Kiel, die hat Priorität.“ In Kiel habe er tolle Gestaltungsmöglichkeiten. Außerdem sei es schwierig, als amtierender Oberbürgermeister gleichzeitig die Führung der Bundespartei zu übernehmen. „Vor allem in der Situation, in der sich die SPD gerade befindet. Da wird in Berlin Präsenz erwartet.“
Dass die Kommunalpolitiker sich bundespolitisch rarmachen, will er aber nicht stehen lassen. Mit Malu Dreyer (OB in Trier), Stephan Weil (OB in Hannover), Franziska Giffey (Bezirksbürgermeisterin Berlin-Neukölln) und Olaf Scholz (Erster Bürgermeister in Hamburg) gebe es in der SPD viele Personen, die sich in der Kommunalpolitik bewiesen hätten.
„Die Erdung durch politische Schwarzbrotthemen ist ihnen anzumerken. Es schadet nicht, erst mal eine Müllabfuhr zu organisieren oder Schulen zu sanieren, bevor man sich Höherem widmet“, sagt Kämpfer.
Ulrich Maly (Nürnberg)
„Immer wenn es der SPD sehr schlecht geht, entsinnt sie sich ihrer Oberbürgermeister, die sind auch tatsächlich die immer noch erfolgreichste Sparte im Politikangebot der Partei“, sagt Ulrich Maly. Seit 2002 ist er Oberbürgermeister von Nürnberg. 2014 wurde er mit 67 Prozent zum zweiten Mal wiedergewählt. Spätestens seitdem gilt Maly als Hoffnungsträger der Bayern-SPD.
Der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sah Maly lange als möglichen Herausforderer. „Wenn der bei der Landtagswahl kandidiert hätte, hätte ich heute nicht die absolute Mehrheit“, sagte er vor einigen Jahren.
Aber Maly griff nicht zu, auch nicht nach der bayerischen Landtagswahl 2018, bei der die SPD ein historisch schlechtes Ergebnis einfuhr. Im März dieses Jahres kündigte er an, bei der Kommunalwahl 2020 nicht mehr anzutreten. „Das ist der Abschied aus der Berufspolitik“, erklärte Maly.
Dennoch fällt sein Name häufig, wenn es um mögliche Kandidaten aus der Kommunalpolitik geht. „Nein“, sagt Maly kurz und deutlich, als er danach gefragt wird. Einen Grund, den er nennt, werden sie in Berlin nicht gerne hören. „Es ist leider so: Es ist extrem schwer, im ja durchaus auch selbstreferenziellen Berliner Politikbetrieb als Bürgermeister die notwendige Akzeptanz zu finden“, sagt er.
Burkhard Jung (Leipzig)
Bei der sächsischen Landtagswahl muss die SPD fürchten, unter zehn Prozent zu rutschen – aber die größte sächsische Stadt wird von einem Sozialdemokraten regiert. Seit 2006 ist Burkhard Jung Oberbürgermeister und seit Juni dieses Jahres auch Präsident des Deutschen Städtetags.
Einen großen Erfolg kann er schon für sich verbuchen: Der Bund ist auf die lang gehegte Forderung der Städte eingegangen, die kommunalen Altschulden hochverschuldeter Kommunen zu übernehmen.
Theoretisch wäre das Zeitfenster für Jung günstig. Die nächste Kommunalwahl ist im kommenden Jahr, was einen reibungslosen Übergang ermöglichen würde. Dennoch winkt Jung ab. Der 61-Jährige will sich nicht für das Amt des SPD-Chefs bewerben, sondern erneut für das Amt des Oberbürgermeisters kandidieren.
Frank Baranowski (Gelsenkirchen)
Laut einer Bertelsmann-Studie ist Gelsenkirchen die ärmste Stadt in Deutschland. Im Rathaus der Stadt sind sie dennoch ein bisschen stolz – zum Beispiel auf Frank Baranowski. Der Oberbürgermeister der Stadt ist seit 2004 im Amt.
Frank Baranowski
Geboren in Gelsenkirchen, seit 1978 in der SPD und seit 2004 Oberbürgermeister.
Bei seiner zweiten und bisher letzten Wiederwahl vor fünf Jahren holte er gleich im ersten Wahlgang 67,4 Prozent – das beste Ergebnis für einen Oberbürgermeister im ganzen Land. Baranowski wurde schon für viele Ämter in der Landespolitik gehandelt, aber er blieb in seiner Heimatstadt. Das wird auch diesmal so sein, denn der Mann aus dem mitgliederstärksten und einflussreichen nordrhein-westfälischen Landesverband will sich nicht für den Bundesvorsitz bewerben.
Die Vereinbarkeit zwischen OB-Amt und Bundesvorsitz sei ein „sehr komplizierter Spagat“, die Terminkalender seien kaum vereinbar. Dennoch fordert Baranowski ein stärkeres Engagement der „Kommunalos“, wie der 57-Jährige sie nennt. Sie seien einfach sehr nah dran an dem, was die Menschen tagtäglich bewegt.
Peter Feldmann (Frankfurt)
Feldmann bereitete der 17-jährigen CDU-Ära im Frankfurter Rathaus ein Ende. Er zog 2012 in den Frankfurter Römer ein und wurde im vergangenen Jahr im Amt bestätigt. Fragt man Sozialdemokraten im Land nach erfolgreichen Oberbürgermeistern, fällt der Name Feldmann immer wieder. Auf die Frage nach seinem Interesse an einer Kandidatur für den SPD-Vorsitz reagiert er ausweichend: „Das geht ja scheinbar nur im Doppel, also müsste die erste Frage lauten: Welche Frau würde gerne gemeinsam mit mir antreten…“ Als Bewerbung möchte er dies nicht verstanden wissen.
Peter Feldmann
BIs 2010 leitete Feldmann ein Altenhilfezentrum in Darmstadt, 2011 bewarb er sich für die Oberbürgermeisteramt in Frankfurt.
Selbst kandidieren will er nicht, aber inhaltliche Vorschläge hat der 60-Jährige. Er fordert ein 34-Euro-Jahresticket für Bus und Bahn, die Abschaffung aller Bildungsgebühren und ein Gesetz, das bezahlbares Wohnen als Menschenrecht festschreibt und Spekulation mit Grund und Boden die Grundlage entzieht. „Das versteht jeder, das Werbedeutsch der Berliner Blase versteht keiner“, sagt Feldmann. „Die SPD im Bund redet immer viel zu abstrakt und wird viel zu stark von der Werbeindustrie gesteuert.“
Kollegen aus anderen Städten will er eigentlich nicht empfehlen, macht es dann aber doch: Gerd-Uwe Mende aus Wiesbaden, den Mainzer OB Michael Ebling und Dieter Reiter aus München. Einen kommunalen Vorschlag werde er auf jeden Fall unterstützen, sagt Feldmann, entsprechende Gespräche gebe es bereits.
Mehr: Interview mit dem Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann: „Bezahlbarer Wohnraum ist ein Menschenrecht“.
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