Sozialpolitik Schrumpfende Erwerbsbevölkerung wird zum Risiko für die Rentenkasse

Das Statistische Bundesamt erwartet, dass die Erwerbsbevölkerung bis 2035 um vier bis sechs Millionen schrumpfen wird.
Berlin Die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt beschert der Rentenversicherung weiter steigende Beitragseinnahmen. Das am Donnerstag vorgestellte endgültige Rechnungsergebnis für 2018 weist einen Überschuss von 4,4 Milliarden Euro aus.
Annelie Buntenbach, Vorsitzende des Bundesvorstandes der Rentenversicherung, sprach von einer „sehr soliden Finanzlage“. Die ebenfalls Donnerstag vorgelegte neue Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes zeigt aber: Auf die umlagefinanzierte gesetzliche Rente kommen gewaltige demografische Herausforderungen zu.
Noch liegt die Rücklage der Rentenversicherung bei 38,2 Milliarden Euro. Die Rentenversicherung geht davon aus, dass die sich abzeichnende konjunkturelle Abkühlung erst mit Verzögerungen auf die Beschäftigung durchschlägt.
Zumindest für die nächsten beiden Jahre rechnet sie mit einer weiteren Zunahme der Beitragszahler um 2,3 Prozent. Den Vorausberechnungen zufolge bleibt der derzeitige Beitragssatz von 18,6 Prozent bis 2023 stabil.
Die Zeit danach ist allerdings mit großen Unsicherheiten behaftet. Für Buntenbach stellt sich insbesondere die Frage, „wie die gesetzliche Rentenversicherung auch unter den Bedingungen des demografischen Wandels ein ausreichendes Sicherungsniveau gewährleisten kann und weiter finanzierbar bleibt“.
In den kommenden Jahren gehen zunehmend die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in den Ruhestand. Das Milliardenpolster der Rentenversicherung werde relativ rasch wegschmelzen, sagte Buntenbach. Ein erster Beitragssprung auf voraussichtlich 19,5 Prozent steht demnach 2024 an.
2050: Jeder Zehnte mindestens 80 Jahre alt
Aktuell leben in der Bundesrepublik knapp 52 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 66 Jahren. Das Statistische Bundesamt erwartet, dass die Erwerbsbevölkerung bis 2035 um vier bis sechs Millionen schrumpfen wird. Ohne Zuwanderung würde der Rückgang sogar rund neun Millionen Menschen betragen.
Doch selbst eine dauerhaft hohe Nettozuwanderung und die zuletzt gestiegene Geburtenrate können den demografischen Wandel lediglich abbremsen, aber nicht verhindern. Derzeit stehen 100 Menschen im Erwerbsalter 31 Senioren gegenüber. In zwei Jahrzehnten werden es je nach Szenario der Statistiker 44 bis 49 Menschen im Rentenalter sein.
Auch eine längere Lebenserwartung trägt dazu bei, dass die Gesellschaft insgesamt immer älter wird. Die Zahl der Menschen im Alter ab 67 Jahren wird laut Statistischem Bundesamt bis Ende der 2030er Jahre um weitere fünf bis sechs Millionen auf mindestens 20,9 Millionen wachsen. Mitte des Jahrhunderts, so die Vorausberechnung, wird etwa jeder zehnte Mensch in Deutschland mindestens 80 Jahre alt sein.
Die Große Koalition hat Überlegungen zur Zukunft der gesetzlichen Rente an eine Expertenkommission ausgelagert, die ihren Bericht im Frühjahr 2020 vorlegen soll. Fraglich ist, ob die Regierung von Union und SPD überhaupt noch so lange hält.
Die gute Finanzlage in der Rentenkasse nutzte die Koalition in den vergangenen Jahren für verschiedene Leistungsverbesserungen, etwa die Mütterrente oder die abschlagsfreie Rente ab 63. Union und SPD wollen auch eine Grundrente einführen, die langjährige Geringverdiener besserstellt. Über die Ausgestaltung streiten die Parteien aber heftig.
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