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SPD-Fraktion Verteidigungspolitikerin Siemtje Möller geht keinem Konflikt aus dem Weg

In ihrem Wahlkreis muss die SPD-Politikerin den Wandel in der Luftfahrtbranche moderieren – und in ihrer Partei den Streit über bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr.
25.02.2021 - 16:54 Uhr Kommentieren
In ihrem Wahlkreis ist Rüstung ein Wirtschaftsfaktor. Quelle: imago images/Christian Spicker
Siemtje Möller

In ihrem Wahlkreis ist Rüstung ein Wirtschaftsfaktor.

(Foto: imago images/Christian Spicker)

Berlin, Varel Gleich zu Beginn ihrer Karriere als Verteidigungspolitikerin ertappte sich Siemtje Möller bei einem Vorurteil: „Die ganzen Bundis denken jetzt sicher, was kommt denn da so ’ne lütt Deern um die Ecke?“ Doch die lütt Deern, wie sie im Plattdeutschen zu jungen Frauen sagen, irrte sich. Die Bundis gaben bereitwillig Informationen, und sie verstanden, dass die SPD-Frau zwar noch neu in der Verteidigungspolitik war, aber durchaus bemüht, alles zu durchdringen, wie Möller erzählt.

In ihrem Wahlkreis Friesland, Wittmund, Wilhelmshaven ist das auch nötig, Rüstung ist ein Wirtschaftsfaktor. Wilhelmshaven ist der größte Marinestützpunkt Deutschlands. In Wittmund, 120 Kilometer nordwestlich von Bremen, ist die Luftwaffe stationiert. In Varel bauen Zulieferer wie die Airbus-Tochter Premium Aerotec (PAG) und Thyssen-Krupp Aerospace Flugzeugteile. Das ergibt zusammen Zehntausende Arbeitsplätze.

Von denen stehen einige auf dem Spiel. Vor den Werksgebäuden von Thyssen und PAG in Varel hängen Transparente. „Arbeitslos und Hartz IV. Und ihr???“ Thyssen macht seinen Standort Ende März dicht, knapp 230 Jobs fallen weg. Begründung: Weil Airbus die Produktion des Großraumfliegers A380 eingestellt hat, gebe es zu wenig zu tun.

Gerüchten, PAG werde verkauft, widersprach Airbus-Chef Guillaume Faury vor wenigen Tagen. Möller sagt, Faury sei „endlich zu dem erfreulichen Schluss“ gekommen, dass Flugzeugkomponenten eine Airbus-Kernkompetenz seien. Stellenstreichungen sind zwar weiter möglich, die Abgeordnete setze sich aber für den Standort ein, sagt Heiko Messerschmidt von der IG Metall: „Sie greift zum Hörer und redet mit den Herren bei Airbus.“

Allein diese Episoden zeigen, wie sehr Konfliktlinien Siemtje Möller reizen. In einer linksorientierten SPD führt die 37-Jährige den konservativen Seeheimer Kreis an. Die seien ihr pragmatischer. Und als neue – und erste – verteidigungspolitische Sprecherin ihrer Partei hat sie einen Koalitionsstreit geerbt: Die Mehrheit ihrer Fraktion will die Bundeswehr nicht mit bewaffneten Drohnen ausrüsten. Sie selbst aber ist wie die CDU und SPD-Außenminister Heiko Maas dafür. Ihr Vorgänger Fritz Felgentreu, ebenfalls Befürworter, hatte wegen des Streits seinen Posten geräumt.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Es war zwar auch eine glückliche Fügung für sie, dass Johannes Kahrs bei den Seeheimern und Felgentreu als verteidigungspolitischer Sprecher wegen Streitereien zurücktraten. Aber Möller hatte sich in Position gebracht. Ihr Gespür, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, erkennt auch ein hochrangiger Grünen-Verteidigungspolitiker an. Er sagt, Möller habe zu Beginn der Legislatur auf manche unscheinbar gewirkt, ihr sei aber klar, wie man sich durchsetzt. „Sie weiß, mit wem sie quatschen muss.“ Im Untersuchungsausschuss zur Affäre um die Aufträge des Verteidigungsministeriums an Unternehmensberater habe sie sich mit der Regierung angelegt und keine Rücksicht auf den Koalitionsfrieden genommen.

Die Drohnen-Debatte nahm vergangene Woche der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter wieder auf. Er forderte, die Bundeswehr bereits für die anstehende Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes mit bewaffneten Drohnen auszurüsten. Sie in das Mandat aufzunehmen, sei zum jetzigen Zeitpunkt jedoch unmöglich, sagt Möller. „Die Heron-TP-Drohnen sind erst 2022 einsatzbereit“, die Ausbildung der Soldaten dauere noch mindestens bis Ende 2021. Diese beiden Themen jetzt miteinander zu verknüpfen, gehöre sich nicht.

An einem kalten Nachmittag Anfang Februar weht der 37-Jährigen, senfgelbe Jacke, rote Mütze, Schal und Handschuhe, Deichwind um die Ohren. Am Jadebusen erzählt sie, warum sie sich für das Thema Verteidigung entschieden hat. Es ist ein Feld, das viele Bürger kritisch sehen. Soll Deutschland als Staat und Teil von Bündnissen Krieg und Frieden auf der Welt militärisch beeinflussen?

Möller findet, es sei wichtig, sich einzumischen. „Was wäre gewesen, wenn wir ein stärkeres UN-Mandat gehabt hätten?“, fragt sie mit Blick auf die Massaker von Srebrenica. In Ruanda am Mahnmal für die Opfer des Völkermords habe sie „geheult wie ein Schlosshund“.

#loveparlamentsarmee

Also redet sie über Eurofighter-Geschwader, Zerstörer-Flottillen, Fregatten und Einsatztruppenversorger. Die Begegnungen mit Soldaten, sagte sie einmal im Bundestag, seien ihr die liebsten. Auf Facebook und Twitter benutzt sie den Hashtag „loveparlamentsarmee“. Das Parlament, sagt sie, schicke Soldaten in Kriegsgebiete, „weil wir glauben, dass wir einen Unterschied ausmachen können“.

Nur die Soldaten könnten dann aber wirklich beurteilen, „ob es stimmt oder nicht“. Im Irak habe ihr ein Soldat erzählt, dass der Afghanistan-Einsatz sinnlos sei. Doch in „Irakisch-Kurdistan“ würden er und seine Kameraden etwas bewegen. Die Peschmerga seien wissbegierig und lernwillig und könnten sich so gegen die Terrororganisation Islamischer Staat verteidigen.

Das zeige, „dass man Schutz gewähren kann“, sagt Möller beim Spaziergang. Der Deich ist einer ihrer Lieblingsorte. Irak und Varel, noch so ein Kontrast. Möller sagt, die Verbindung in den Wahlkreis sei wichtig, um zu begreifen, was hier vor Ort zähle. Nicht die Berliner Twitter-Blase und Likes von Journalisten. Nicht Clubhouse. Sondern zum Beispiel, „dass Airbus nicht weitere 300 Arbeitsplätze in Varel abbaut, sondern höchstens 50. Und das ist noch zu viel.“

Am Rednerpult im Bundestag liest sie noch häufig ab, verhaspelt sich leicht. Dafür komme sie „schnell auf den Punkt“, sagt Wolfgang Hellmich (SPD), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Sie verzichtet auf „Laberrhabarber“. So nannte sie das immer, als ihr Sohn sie zur Arbeit begleiten wollte. „Ich muss zu Laberrhabarber, das ist ganz langweilig für Kinder.“

Das Laberrhabarber kritisiert sie auch an ihrer eigenen Partei. Möller gehörte anfangs der politischen Linken und dem Seeheimer Kreis an, bevor sie sich für letztere Gruppe entschied. Doch das Lagerdenken nervt sie. Die internen Auseinandersetzungen interessierten niemanden außer die Streitenden selbst. Selbst viele Parteimitglieder würden sie nicht verstehen, die Wähler erst recht nicht. Die wollten wissen, „wie sie eine bezahlbare Wohnung finden, mehr Zeit mit den Kindern verbringen oder als Frau mega Karriere machen können“.

Neulich hätte sie auf einem Panel über die Zukunft der Nato auf die Frage, wie man Frauen für die Politik gewinne, am liebsten geantwortet: „Indem Sie Frauen nicht wie seltene Pflanzen behandeln.“ Aber das fiel ihr erst hinterher ein.

Mehr: Die späte Auszahlung der Corona-Hilfen hat klare Ursachen. Besonders ein Minister lädt Kritik auf sich.

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