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SPD-Kanzlerkandidat Bundesfinanzminister Scholz war nie bei der Anti-Geldwäsche-Einheit FIU

Scholz hat den FIU-Leiter vor der Sitzung des Finanzausschusses nie persönlich getroffen. Für Union und Opposition ein Beleg dafür, dass er die Probleme der Behörde nicht ernst genug genommen hat.  
20.09.2021 Update: 20.09.2021 - 15:44 Uhr Kommentieren
Wider Erwarten ist der Bundesfinanzminister persönlich in Berlin erschienen. Quelle: dpa
Olaf Scholz

Wider Erwarten ist der Bundesfinanzminister persönlich in Berlin erschienen.

(Foto: dpa)

Berlin Der Überraschungscoup ist Olaf Scholz (SPD) geglückt. Während sich einige Bundestagsabgeordnete vor dem Saal E400 im Paul-Löbe-Haus noch beschwerten, dass der Bundesfinanzminister an der anstehenden Sitzung des Finanzausschusses nur per Videoschalte teilnehme, war dieser schon durch den Hintereingang in den Raum gehuscht. Dort saß Scholz und wartete auf den Beginn der mit Spannung erwarteten Sondersitzung.

Seit Staatsanwälte im Zuge ihrer Ermittlungen wegen Missstände bei der Anti-Geldwäsche-Einheit Financial Intelligence Unit (FIU) vor eineinhalb Wochen dem Bundesfinanzministerium einen Besuch abstatteten, ist das Thema im Bundestagswahlkampf angekommen. Der Kanzlerkandidat der Union Armin Laschet (CDU) hielt dem SPD-Konkurrenten Scholz vor, seinen Laden nicht im Griff zu haben und den Kampf gegen Geldwäsche nicht energisch genug voranzutreiben, was dieser empört zurückweist.

Im Finanzausschuss sollte Scholz Fragen zur Aktion der Staatsanwaltschaft und zu den Problemen bei der FIU beantworten. Zunächst hatte es so ausgesehen, als hätte Scholz sich aus Baden-Württemberg, wo Wahlkampftermine geplant waren, telefonisch zu der Sitzung zuschalten lassen. Sein überraschender Auftritt im Ausschuss schien wie ein erster Punktsieg für den Bundesfinanzminister.

Eine kleine Beobachtung und viele unangenehme Fragen

Doch im Verlauf der Sitzung wurde es für Scholz dann unangenehm. Der FDP-Finanzexperte Florian Toncar hatte zu Beginn beobachtet, wie Scholz anscheinend dem Leiter der FIU, Christof Schulte, vorgestellte wurde. Konnte es sein, dass der Bundesfinanzminister den seit drei Jahren amtierenden Schulte noch nie getroffen hat – trotz der vielen Probleme der FIU und des hohen Stellenwerts, den Scholz nach eigenem Bekunden dem Kampf gegen Geldwäsche beimisst?

Toncar hakte in der Sitzung nach. Und tatsächlich: Es sei das erste persönliche Treffen, berichtete Scholz laut Teilnehmern. Der FDP-Abgeordnete Markus Herbrand fragte Scholz anschließend noch, ob er denn jemals bei der Behörde in Köln vor Ort gewesen sei. Antwort: nein.

Scholz verteidigte sich nach der Sitzung. Man habe „eine sehr enge Zusammenarbeit organisiert zwischen dem Ministerium und der Behörde“, sagte er. Das hätten alle „als gute Leistung zur Kenntnis genommen“.

„Scholz trifft lieber Cum-Ex-Verbrecher als FIU-Chef“

Diese Einschätzung teilen Union und Opposition allerdings nicht. Aus ihrer Sicht passt es ins Bild, dass Scholz sich nie persönlich bei der FIU hat blicken lassen: Sie werfen Scholz vor, den Kampf gegen Geldwäsche vernachlässigt zu haben und sich nicht ausreichend um die schon lange bekannten Probleme bei der FIU gekümmert zu haben.

Die Spezialeinheit gehört zum Zoll und damit zum Verantwortungsbereich von Scholz. „Der Lenker der Banker unterhält sich lieber mit Cum-Ex-Verbrechern, als sich vor Ort bei der FIU ein eigenes Bild zu den Baustellen bei der Geldwäschebekämpfung zu machen“, sagte der CSU-Finanzpolitiker Sepp Müller. „Es musste erst zur heutigen Sondersitzung kommen, damit Olaf Scholz den Leiter der FIU erstmals kennen lernte.“

Die Union geht Scholz seit der Durchsuchung der Staatsanwaltschaft hart an. Sie sieht in dem Vorgang eine Möglichkeit, den in Umfragen führenden SPD-Kanzlerkandidaten zu attackieren. Die Sozialdemokraten hingegen wittern ein politisch motiviertes Vorgehen der Staatsanwälte.

Auch Scholz hatte kritisiert, dass es die Durchsuchung in seinem Ministerium nicht gebraucht hätte, alle Fragen hätten auch so beantwortet werden können. Schließlich ermitteln die Staatsanwälte gegen unbekannte Mitarbeiter bei der FIU und nicht gegen Beamte im Ministerium.

Doch unabhängig davon, wie man das Vorgehen der Staatsanwälte bewertet, bleibt der Vorgang für Scholz unangenehm, wirft er doch ein grelles Licht auf die Probleme der FIU. Bei den Ermittlungen geht es um den Vorwurf der Strafvereitelung im Amt, nachdem die Anti-Geldwäsche-Einheit Verdachtsmeldungen von Banken in Millionenhöhe nicht ordnungsgemäß an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet haben soll.

Scholz hat das FIU-Problem von Schäuble geerbt

Seit Jahren sind die strukturellen Missstände bei der FIU bekannt, seit Jahren hagelt es Kritik, weil es wegen teils absurder IT-Probleme und gravierender Personalengpässe zwischenzeitlich einen riesigen Rückstau an Verdachtsmeldungen gab, die die FIU nicht abgearbeitet bekam. Für Scholz ist all das besonders peinlich, weil er den Kampf gegen Geldwäsche zur Chefsache erklärte, als er das Amt des Bundesfinanzministers übernommen hatte.

„Geldwäsche ist in unserem Land ein ernstes Problem“, betonte er im Sommer 2019. Deutschland solle künftig „international die höchsten Standards beim Kampf gegen Geldwäsche“ haben. Stattdessen ist die ihm unterstellte Anti-Geldwäsche-Einheit selbst zum Ziel von Ermittlungen geworden, weil sie mutmaßlich ihre Arbeit nicht ordentlich macht.

Scholz: „Letzten drei Jahre waren die besten unserer Behörde“

Die FIU war im Sommer 2017 auf Betreiben des damaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) vom Bundeskriminalamt zum Zoll gewandert. Der Neustart verlief holprig: Es fehlten Arbeitskräfte, Räume, eine Software war nicht einsatzbereit, Aushilfskräfte mussten per Fax eingereichte Meldungen händisch bearbeiten. Gestartet war die FIU seinerzeit mit 165 Kräften – viel zu wenige, wie sich schnell herausstellte.

Scholz kann sich also zugutehalten, dass er die Probleme bei der FIU geerbt hat. Und er hat tatsächlich auch versucht, für Besserung zu sorgen. Er machte Schulte zum neuen Leiter der Behörde, auch wenn er ihn nie persönlich getroffen hat. Die Zahl der Beschäftigten erhöhte er auf zuletzt 470 deutlich.

Zudem erhielt die FIU zusätzliche Rechte, sie darf etwa auf bestimmte Daten des Bundeskriminalamts zugreifen. „Wir haben mehr hingekriegt in den drei Jahren als in den letzten 30 Jahren“, sagte Scholz nach der Sitzung des Finanzausschusses.

Die Frage ist nur: Haben diese Verbesserungen ausgereicht, um die Behörde fit zu machen für einen effektiven Kampf gegen Geldwäsche? Die Zweifel sind groß. Der Bundesrechnungshof kam in einem geheimen Bericht Anfang des Jahres zu einem nahezu vernichtenden Urteil: Bund und Länder bekommen demnach das Problem nicht in den Griff. Es gebe „keine wirksame Geldwäscheaufsicht“, hieß es in dem Papier.

Der FDP-Finanzexperte Herbrand traktiert das Bundesfinanzministerium seit Jahren mit parlamentarischen Anfragen zum Zustand der FIU. Mit den Auskünften von Scholz in der Sondersitzung zeigte sich der Abgeordnete unzufrieden. „Scholz hat versucht sich mit juristischen Spitzfindigkeiten aus der Verantwortung zu nehmen“, sagte er nach dem Auftritt des Finanzministers. Viel sei nicht gesagt und geklärt worden. „Es war ein trockenes, distanziertes Streitgespräch im Nebel.“

Nach der dreistündigen Sitzung verließ Scholz den Saal durch die Vordertür, um den versammelten Pressevertretern seine Sicht mitzuteilen. Dann eilte der SPD-Kanzlerkandidat davon. Einige der ausgefallenen Wahlkampfveranstaltungen in Baden-Württemberg will er noch nachholen.

Mehr: Olaf Scholz kontert Merz’ Äußerungen zur Inflation: „Das ist offensichtlich Humbug“

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