Stärkere Nachfrage nach Privatschulen: Vom Wert der guten Bildung
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Stärkere Nachfrage nach PrivatschulenVom Wert der guten Bildung
Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder auf eine Privatschule, vor allem in Großstädten. Für die Ausbildung ihrer Zöglinge scheuen sie keine Kosten. Das hat gesellschaftliche Folgen.
Viele Eltern sind vom staatlichen System enttäuscht.
Quelle: PR
Der Wert dieser Schule lässt sich am Teppich eher nicht ablesen. Fleckig und mitgenommen ist der blaue Stoff in diesem ehemaligen Bürogebäude im Frankfurter Westen an etlichen Stellen. Dafür lohnt der Blick nach oben: An der Wand eines der Klassenzimmer hängt eine elektronische Tafel, Smartboard genannt, hinter einem Regal versteckt sich eine kleine Leseecke. Schon heute stehen in der Regel zwei Lehrer vor der Klasse, ab dem nächsten Schuljahr werden Muttersprachler in Deutsch, Englisch und Spanisch unterrichten. Dann werden die Kinder der privaten Mundanis Grundschule – die künftig wie ihre Schwester, die Erasmus Schule, arbeitet – von 7.30 Uhr bis 18 Uhr betreut. Eine Ferienbetreuung ist selbstverständlich, geschlossen wird die Einrichtung an nur 22 Tagen im Jahr. 452 Euro im Monat zahlen Eltern für Unterricht und Betreuung, nach 16.30 Uhr wird ein Zuschlag erhoben. Hinzu kommen 110 Euro für das Mittagessen. 2000 Euro kostet die Aufnahme.
Viele Eltern schreckt das nicht ab, immer mehr sind bereit, für die Bildung ihrer Kinder Geld auszugeben. Mehr als 17 Prozent der Grundschüler in Frankfurt lernten im Schuljahr 2014/2015 nicht im öffentlichen System, mehr als jede fünfte Grundschule in der Großstadt war eine private Einrichtung. Bei den Gymnasien war es mehr als jedes dritte, 22 Prozent aller Gymnasiasten lernten dort.
Gerade in den Großstädten Frankfurt, Hamburg, Berlin und Bremen, in denen viele Familien leben, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, ist der Anteil der Privatschüler besonders hoch. Zu den Privaten zählen die kirchlichen Schulen, die meist unter 100 Euro Schulgeld im Monat nehmen, aber auch Einrichtungen mit internationalen Abschlüssen, die bis zu 2000 Euro erheben. Das Grundgesetz, das Privatschulen grundsätzlich anerkennt, schließt eine Sonderung nach dem Einkommen oder Vermögen der Eltern aus, doch Privatschulen bekommen meist nur einen Teil ihrer Kosten vom Land erstattet. Die Autoren des aktuellen Bundesbildungsberichts, den die Bundesregierung jüngst vorgestellt hat, konstatieren: Vor allem in den Ballungsräumen deute sich ein „sozial selektiver Zugang zu Privatschulen“ an. Gerade dort seien die Unterschiede im sozioökonomischen Status der Schüler groß.
Bald wird es in Frankfurt auch ein Erasmus Gymnasium geben – gleiches Konzept, etwas höhere monatliche Gebühren. „Das Rhein-Main-Gebiet bietet die wirtschaftlichen Möglichkeiten, dass Eltern dies zahlen können“, sagt Jörg Gonnermann, der den Träger der beiden Schulen leitet. Dass das für Gonnermann ein nicht ganz leichter Spagat ist, wird im Gespräch deutlich. Er ist schließlich Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in Hessen, der die Schulen vor einiger Zeit von einer Lehrerkooperative und einem Bildungskonzern übernommen hat. Rettungsdienst, Altenpflege und Kindergärten sind sein Kerngeschäft. Warum die Schulen? Das sei eine „Herzensangelegenheit“, es gehe um Kinder, die eine besondere Begabung hätten. Und um eine weltoffene Erziehung. Mit Stipendien wolle man alle gesellschaftlichen Gruppen ansprechen, 40.000 Euro stünden im Jahr für das Gymnasium zur Verfügung, für die Grundschule werde gerade ein Konzept erarbeitet.
Eltern wünschten sich vor allem Verbindlichkeit, sagt Gonnermann, dessen Schule im nächsten Jahr in ein Gebäude in Sichtweite der Europäischen Zentralbank zieht. Er meint damit eine verlässliche Betreuung, die nicht schon um 13 Uhr endet, eine Schule, die auch in den Ferien Angebote macht. Auch im neuesten Bundesbildungsbericht haben die Wissenschaftler erkannt: „Die in letzter Zeit zunehmenden (vor allem privaten) Initiativen zur Gründung von Schulen deuten auf Mängel in der Bedarfsgerechtigkeit der öffentlichen Bildungsinfrastruktur hin.“
Eltern würden die Erfahrung machen, so Gonnermann, dass die staatlichen Schulen vielfältigen Anforderungen gerecht werden sollen, dass dies aber eben Opfer verlange. Sie sollen behinderte und nicht-behinderte Kinder zusammen unterrichten (Inklusion), jedes Kind individuell fördern, obwohl die Klassen immer heterogener werden, und schließlich Ganztagskonzepte entwickeln. Doch vielerorts fehlen Geld, Lehrer und Sozialarbeiter. Experten wie der Bildungsforscher Horst Weishaupt vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt verstehen nicht, warum meist alle Schulen ähnlich viel Geld bekommen. Eine Schule in einem schwierigen Viertel habe doch ganz andere Aufgaben und Herausforderungen als eine auf dem Land.
Zwei Arten von Privatschulen
Sie entsprechen denen des öffentlichen Systems, müssen sich an die Lehrpläne halten und bekommen meist nach einer Anlaufphase einen Teil der Lehrpersonalkosten vom Land erstattet.
Sie bieten Bildungsgänge oder internationale Abschlüsse, die es beim Staat nicht gibt, und bekommen in der Regel keine Finanzhilfe. Meist ist das Schulgeld höher. Die Lehrpläne gelten für sie nicht.
Für so manche Eltern ist die Privatschule auch eine Flucht in eine Schulwelt, zu der benachteiligte Kinder kaum Zutritt haben. Weishaupt und und sein Kollege Thomas Kemper haben einmal für die hessischen Landkreise gezeigt: Je höher der Migrantenanteil unter den Kleinkindern, desto höher tendenziell der Anteil der privaten Grundschüler.
Sieben von zehn Frankfurtern unter 18 Jahren leben in Familien, die irgendwann einmal nach Deutschland eingewandert sind, haben also einen Migrationshintergrund, wie es im Amtsdeutsch heißt. Sie wohnen wie in vielen anderen Großstädten auch vor allem in den Stadtteilen mit den günstigen Mieten. „An den Schulen ergeben sich in diesen Stadtteilen dadurch erschwerte Lernbedingungen, die sich noch verstärken, wenn Eltern von Kindern ohne Migrationshintergrund Wege finden, ihre Kinder andere, weniger belastete Schulen besuchen zu lassen“, konstatierte Weishaupt im vergangenen Jahr in einer Studie für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung. Dazu zählt er auch Privatschulen. Heute schaffen Migranten im Schnitt aber nicht die Abschlüsse, die andere Jugendliche erreichen. Dabei seien sie, nicht nur angesichts des drohenden Fachkräftemangels, eine bedeutende Gruppe und müssten besser gefördert werden.
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