Start-up-Szene Finanzministerium: Habeck oder Lindner? Die Gründerszene ist tief gespalten

Wer darf das Finanzministerium führen, wer muss in den Hintergrund treten? Die Meinungen in der Start-up-Szene gehen auseinander
Berlin Es gibt kaum ein Duell im politischen Berlin, dem derzeit so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird wie der Frage, wer in Zukunft das Bundesfinanzministerium leiten wird. Im Gespräch sind vor allem zwei Kandidaten: Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne).
Wer das Ressort führt, ist eine relevante Frage – vor allem für die Gründerszene. Denn das Finanzministerium ist an vielen Weichenstellungen beteiligt, die für neu gegründete Unternehmen von Bedeutung sind.
Wichtige Beispiele sind etwa die Regelungen zu Unternehmensbeteiligungen der Mitarbeitenden oder finanzielle Melde- und Berichtspflichten. Die Grünen hatten den Gründern im Wahlkampf versprochen, ein zinsloses Gründungskapital von 25.000 Euro sicherzustellen, die FDP setzt stattdessen darauf, privates Wagniskapital zu mobilisieren.
Doch bei der Frage, wer der Start-up-Gemeinschaft als Finanzminister am besten tun würde, sind die Gründerinnen und Gründer gespalten.
„Robert Habeck hat als Minister in Schleswig-Holstein bewiesen, dass er Zukunftsthemen wie erneuerbare Energien anpackt“, positioniert sich etwa Albert Wenger, Managing Partner beim Venture-Capital-Fonds „Union Square Ventures“. Habeck werde sich für die nötigen Investitionen zur Bekämpfung der Klimakrise einsetzen. „Deswegen ist aus meiner Investorensicht Robert Habeck die richtige Wahl als Bundesfinanzminister“, so Wenger.
Auch andere Gründerinnen und Gründer teilen Wengers Einschätzung. Sabine Kaufmann, Gründerin des Bio-Verlags, spricht gegenüber dem Handelsblatt davon, dass eine Wende in der Klimapolitik auch eine Wende in der Finanzpolitik erfordere. Dafür brauche es einen Finanzminister, der diese Thematik auch „im Zusammenhang anderer Anforderungen aktiv“ ausarbeite. Das sei für sie Robert Habeck.
Habeck: Klimakrise im Fokus
Für die Gründerinnen und Gründer, die sich für Habeck aussprechen, steht vor allem die Bekämpfung der Klimakrise im Fokus. Fabian Eckert von Recup weißt darauf hin, dass staatliche Finanzströme eine große Auswirkung auf den Klimawandel hätten. Im Bundesfinanzministerium brauche es deshalb jemanden, der die „Brücke zu einer nachhaltigen Wirtschaft bauen kann“, so Eckert.
Obwohl auch die FDP sich zur Bekämpfung der Klimakrise bekennt, sieht Denis Bartelt, Gründer der Crowdfunding-Plattform Startnext, die Grünen als kompetentere Größe bei dieser Frage. Ihr Markenkern sei die ökologische Transformation, die auch in der Wirtschaft stattfinden müsse, so Bartelt.
Auch sein Wunschkandidat ist deshalb Robert Habeck: „Ich kann mir keine bessere Expertise zur Lösung dieser Frage vorstellen“, unterstreicht Bartelt seine Ansicht. Auch Christian Kroll, Gründer der Suchmaschine Ecosia und Armin Steuernagel vom Bio-Unternehmen Mogli unterstützen Habecks Kandidatur.
Lindner: Ausgewogene Wirtschaftsförderung
Auf die Markenkerne der Parteien beziehen sich allerdings auch die Unterstützer von Christian Lindner in der Frage nach Deutschlands Schatzmeister. Das Kompetenzprofil der FDP passe klar zum Finanzministerium, während sich die Grünen für das Umweltministerium empfehlen würden, erklärt Felix Haas, Gründer des Tech-Start-ups IDnow und Veranstalter der Gründerkonferenz Bits and Pretzels. Er attestiert Lindner eine „ausgewogene Wirtschaftsförderung“. Die Politik der FDP setze den richtigen Fokus, Schranken abzubauen und gleichzeitig Innovationen voranzubringen.
Ähnlich sieht das auch Julian Teicke von Wefox. Grundsätzlich sei er aus Start-up-Sicht mit Grünen und Liberalen in der Regierung sehr einverstanden. Allerdings fügt er hinzu: „Ich glaube nicht, dass die neue Regierung ihr Potenzial voll ausschöpfen kann, wenn Christian Lindner nicht Finanzminister wird.“
Nach Teickes Ansicht würde nur mit einem liberal geführten Finanzministerium der Wählerwille erfüllt. Teicke überzeugt vor allem, dass die FDP für die Digitalisierung stehe und verstanden habe, was Start-ups in Deutschland bräuchten.
Auch der Mitgründer von Getyourguide, Tao Tao, hatte sich in der Vergangenheit schon öffentlich als Anhänger der FDP positioniert. Er gehörte zu einer Gruppe von Gründern und Investoren, die im Juli insgesamt 500.000 Euro an die Partei spendeten. Was das Finanzministerium angeht, hält sich Tao allerdings bedeckt.
Die Parteien sollten sich in den Verhandlungen erst einmal auf inhaltliche Baustellen konzentrieren, bevor sie die Personalfragen angingen. „Ich würde mir wünschen, dass der Fokus auf den inhaltlichen Debatten liegt“, so Tao. Die Parteien sollten sich auf eine Strategie für Deutschland einigen und die wichtigsten inhaltlichen Fragestellungen klären. Dazu zählten laut dem Gründer ein wettbewerbsfähiges Bildungssystem und das erfolgreiche Anwerben internationaler Fachkräfte.
Auch Hanno Renner, Mitgründer des Business-Netzwerks Personio, möchte sich auf Anfrage nicht auf Habeck oder Lindner im Finanzministerium festlegen. „Die Zuteilung der Ministerien zu Parteien und Personen ist für mich klaren Zielen und Verantwortlichkeiten der einzelnen Ressorts nachgelagert“, so Renner. Er habe vor allem die Erwartungen, dass die Start-up- und Technologiebranche als „wichtiger Treiber von Arbeitsplätzen und Wohlstand“ wahrgenommen werde, so Renner.
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