Steigende Kosten in der Pflegeversicherung Spahn schärft Pläne für Pflegereform nach – doch die Umsetzung steht weiter auf der Kippe

Der Bundesgesundheitsminister will seine Pflegereform noch in dieser Legislaturperiode umsetzen.
Berlin Die Zeit für eine Pflegereform bis zur Bundestagswahl wird knapp, doch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält an dem Projekt fest. In der Koalition kursiert aktuell ein interner Arbeitsentwurf für ein Gesetz, mit dem Spahn seine im Herbst vorgestellten Eckpunkte überarbeitet. Der Plan sieht Milliardenausgaben von Bund, Ländern und der Pflegeversicherung vor, für Pflegebedürftige soll die finanzielle Belastung dagegen sinken.
Die Pflegeversicherung erwartet im laufenden Jahr bereits ein Defizit von 2,5 Milliarden Euro und muss mit Steuergeld gestützt werden, um Beitragserhöhungen zu verhindern. Die jährlichen Mehrausgaben durch Spahns Reformpläne werden in dem Entwurf mit 6,3 Milliarden Euro angegeben. Davon entfallen allein rund 2,5 Milliarden Euro auf das Vorhaben, die Bewohner von Pflegeheimen bei den stark gestiegenen Eigenanteilen zu entlasten.
Bei der Gegenfinanzierung will der Minister den Bundeshaushalt in die Pflicht nehmen. Spahn schwebt ein Steuerzuschuss von mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr vor. Diese Summe setzt sich demnach aus einer Pauschale zur „Beteiligung an weiteren gesamtgesellschaftlichen Aufgaben“ der Pflegekassen sowie aus der Übernahme der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige durch den Bund zusammen.
Mehrausgaben kommen auch auf die Bundesländer zu, die sich mit rund einer Milliarde Euro pro Jahr an den Investitionskosten in den Pflegeheimen beteiligen sollen. Vergleichsweise wenig Geld soll in die zusätzliche Förderung der privaten Pflegevorsorge fließen, hier sind jährlich rund 90 Millionen Euro eingeplant.
Der Arbeitsentwurf liegt dem Handelsblatt vor. Das Bundesgesundheitsministerium wollte auf Nachfrage keine Prognose abgeben, wann Spahns Pläne ins Kabinett kommen und anschließend im Bundestag beraten werden. Ein Sprecher sagte, man halte weiter an dem Ziel einer Pflegereform noch in dieser Legislaturperiode fest.
Skepsis innerhalb der Union
Anfang des Monats hatte Spahn bei einer Anhörung im Bundestag gesagt, dass der Gesetzentwurf „im Grunde fertig“ sei. Allerdings laufe noch die Abstimmung in der Bundesregierung, insbesondere würden sich Finanzierungsfragen stellen. Hier hänge es auch an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), „ob wir uns gemeinsam diesen Weg und diesen Schritt noch zutrauen“.
In Koalitionskreisen ist zu hören, dass es nicht nur bei den konkreten Finanzierungsfragen hakt. Im Wirtschaftsflügel der Union gibt es grundsätzliche Bedenken, dass immer mehr Steuergeld in die Sozialversicherungen fließt.
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) hatte ein eigenes Konzept für eine Pflegereform erarbeitet, das auf einer flächendeckenden kapitalgedeckten Zusatzversicherung für das Pflegerisiko beruht.
Ein Hauptpunkt von Spahns Entwurf ist, Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen bei den Eigenanteilen zu entlasten. Vergangenes Jahr mussten Heimbewohner nach Berechnungen des Verbands der Ersatzkassen (VDEK) im Bundesdurchschnitt monatlich 786 Euro für die Pflegeleistungen zuzahlen.
Ursprünglich hatte der Minister geplant, dass niemand für stationäre Pflegeleistungen länger als 36 Monate mehr als 700 Euro pro Monat zuzahlen muss. Nun soll die Entlastung gestaffelt werden: Nach mehr als zwölf Monaten im Pflegeheim sollen die Eigenanteile um 25 Prozent sinken, nach mehr als 24 Monaten um die Hälfte. Bei Pflegebedürftigen, die 36 Monate oder länger stationär betreut werden, soll sich der Eigenanteil um 75 Prozent reduzieren.
Beiträge für Kinderlose sollen steigen
Ansonsten entspricht der Arbeitsentwurf weitestgehend Eckpunkten aus dem vergangenen Herbst. So will der Minister die Länder bei den Ausgaben für Bau und Modernisierung von Pflegeheimen stärker in die Verantwortung nehmen. Sie sollen zukünftig jedem vollstationär versorgten Pflegebedürftigen einen monatlichen Zuschuss von 100 Euro zu den Investitionskosten zahlen.
Außerdem soll die Pflege durch ambulante Dienste oder Angehörige gestärkt werden, die im Vergleich zu den Heimen kostengünstiger sind. Um mit einem „ressourcenschonenden und effizienten Einsatz von ambulanten Diensten“ mittelfristig Spareffekte zu erzielen, will Spahn in diesem Bereich aber zunächst mehr Geld in die Hand nehmen.
Die Zahlungen für ambulante Pflegesachleistung, Pflegegeld und die Tagespflege sollen „spürbar angehoben“ werden, heißt es in dem Entwurf. Die verschiedenen Leistungen für die häusliche Pflege sollen zudem flexibler kombiniert werden können.
Als Beitrag zur „Demografiefestigkeit“ der Pflegeversicherung schlägt Spahn vor, den Beitragszuschlag für Kinderlose um 0,1 Punkte auf dann 0,35 Prozent zu erhöhen. Die Mehreinahmen von rund 400 Millionen Euro jährlich würden dann in den Pflegevorsorgefonds fließen, mit dem der Bund seit 2015 einen Kapitalstock aufbaut, um die Beitragserhöhungen in der alternden Gesellschaft abzumildern.
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