Steuerbetrug Zahlen des Finanzministeriums zeigen: Behörden sind gegen Steuerhinterzieher unterlegen

Der Finanzminister ist chancenlos im Kampf gegen Steuerhinterziehung.
Berlin In der Steuerpolitik hat sich die Koalition vor allem eins vorgenommen: Steuertricksern das Handwerk legen. Das Thema nimmt im Koalitionsvertrag viel Platz ein. Doch wie unterlegen Finanzbehörden im Kampf gegen Steuerhinterziehung noch immer sind, zeigen neue Zahlen des Bundesfinanzministeriums.
So konnte der Fiskus 2018 gerade mal 900 Millionen Euro nachträglich von Steuerhinterziehern eintreiben, und damit weniger als 2017, als es noch 1,2 Milliarden Euro waren. Dies geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Markus Herbrand hervor, die dem Handelsblatt vorliegt. Zusätzlich zahlten Steuerhinterzieher zwölf beziehungsweise 18 Millionen Euro über die Steuernachzahlung hinaus.
Im Vergleich zu den tatsächlichen Steuerausfällen fallen die Nachzahlungen mickrig aus. Zwar dürfte die Hochzeit für Schwarzgeldanleger, die ihr Vermögen einst in Steueroasen wie der Schweiz oder Luxemburg anlegten, inzwischen vorbei sein. Hier zeigt der vereinbarte globale Steuer-Informationsaustausch seine Wirkung. Doch andere Länder wie Singapur oder Trinidad und Tobago gelten noch immer als sichere Häfen.
Genaue Zahlen, wie viele Steuern dem Fiskus durch Steuerhinterziehung entgehen, gibt es naturgemäß nicht. Der britische Ökonom Richard Murphy kam kürzlich für das Jahr 2015 auf eine Summe von 125 Milliarden Euro. Seine Studie ist aber umstritten. So schätzt die Deutsche Steuergewerkschaft den Schaden geringer. Aber auch sie kommt auf einen Betrag im mittleren zweistelligen Milliardenbereich.
Auf eine hohe Summe deuten auch die aufgedeckten Steuerskandale hin. Für die größten Ausfälle sorgte der Umsatzsteuerbetrug, der viele Facetten hat. Am meisten Schaden dürften dabei Umsatzsteuerkarusselle anrichten: Hierbei werden Waren zwischen echten und unechten Firmen so im Kreis gehandelt, dass die Finanzämter Umsatzsteuern erstatten, die gar nicht abgeführt worden sind.
„Offenbarungseid“
Ein weiterer Trick: Dienstleister unterschlagen einfach systematisch Einnahmen, um das Finanzamt zu prellen. Allein im Bereich der Gastronomie sprechen Experten von Ausfällen in zweistelliger Milliardenhöhe. Kriminelle operieren dabei teils auch mit spezieller Kassensoftware, um die Umsätze herunterzurechnen.
Das Bundesfinanzministerium verabschiedete daher 2016 ein Gesetz, dass Registrierkassen mittels neuer Technik ab Anfang 2020 manipulationssicherer machen sollte. Doch wegen Entwicklungsproblemen dürfte eine flächendeckende Aufrüstung bis Jahresanfang „nicht mehr erreichbar“ sein, heißt es nun in einem Schreiben des Finanzministeriums an den Kassenfachverband DFKA. In einem weiteren Schreiben des Ministeriums, das dem Handelsblatt vorliegt, ist sogar die Rede davon, dass alte Kassen bis 2022 weiter genutzt werden können. „Die weitere Teilverschiebung des verpflichtenden Manipulationsschutzes von Kassensystemen ist ein Offenbarungseid der Großen Koalition“, sagt der grüne Finanzexperte Danyal Bayaz. „Der Zeitpunkt der Umsetzung des Gesetzes bis 2023 ist nicht akzeptabel.“
Noch längst nicht aufgearbeitet sind auch die sogenannten Cum-Ex-Deals. Bei diesen Aktiengeschäften zielten Investoren darauf ab, sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer doppelt oder gar mehrfach erstatten zu lassen. Diese Masche hat den Staat schätzungsweise rund zwölf Milliarden Euro gekostet. Verschiedene Staatsanwaltschaften ermitteln, erste Anklagen sind geschrieben. Durch die ähnlich gelagerten Cum-Cum-Deals, an denen rund 60 Banken beteiligt gewesen sein sollen, sollen dem Staat rund 600 Millionen Euro entgangen sein. Diese könnten allerdings als legal gewertet werden.
Eigentlich hatte der FDP-Abgeordnete Herbrand gehofft, detailliert Auskunft über den Stand bei den Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäften zu bekommen. Doch „darüber hat die Bundesregierung keine Kenntnisse“, teilte das Finanzministerium mit. „Es geht um den größten Steuerskandal der Bundesgeschichte, und die Bundesregierung kann keine Antwort liefern. Damit offenbart sie ihre eigene Inkompetenz“, sagte Herbrand. Die Steuerzahler hätten ein Recht zu erfahren, wie es um die Eintreibung der „geraubten Steuergelder“ stehe.
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