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Streit über höheres Rentenalter Kürzere Lebenserwartung in belastenden Berufen: VdK fordert abschlagsfreien früheren Renteneintritt

Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters wäre sozial ungerecht, kritisiert der Sozialverband VdK. Sie sei ökonomisch geboten, hält IW-Ökonom Jochen Pimpertz dagegen.
16.08.2021 - 16:53 Uhr Kommentieren
Erwerbstätigkeit bis ins hohe Alter funktioniert nicht in jedem Beruf. Quelle: dpa
Älterer Arbeitnehmer

Erwerbstätigkeit bis ins hohe Alter funktioniert nicht in jedem Beruf.

(Foto: dpa)

Berlin Für den Sozialverband VdK ist klar: Eine Anhebung des Rentenalters auf 68, 69 oder gar 70 Jahre würde die soziale Spaltung in der älteren Bevölkerung weiter verschärfen. Der Verband beruft sich dabei auf eine von ihm in Auftrag gegebene Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Demnach haben Arbeiter im Vergleich zu Beamten eine vier Jahre kürzere Lebenserwartung. Auch eine hohe Belastung im ausgeübten Beruf oder ein niedriges Einkommen korrelieren mit einer geringeren Lebenserwartung.

Eine Erhöhung des Rentenalters würde Geringverdiener, die in körperlich und psychisch belastenden Berufen arbeiten, deshalb doppelt benachteiligen, kritisiert VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Zum einen bekommen sie deutlich geringere Renten. Zum anderen beziehen sie diese aufgrund ihrer geringeren Lebenserwartung erheblich kürzer.“

Der Sozialverband fordert deshalb von der künftigen Bundesregierung, niedrige Renten von langjährigen Versicherten aufzuwerten – über die zu Jahresbeginn in Kraft getretene Grundrente hinaus. Außerdem sollten neben Arbeitnehmern künftig auch Beamte und Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, um deren Finanzen zu stabilisieren.

Der Ökonom Jochen Pimpertz, der beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) das Kompetenzfeld Öffentliche Finanzen, Soziale Sicherung, Verteilung leitet, hält von beiden Forderungen wenig. „Wenn ich versuche, den Rentenzugang nachträglich nach Berufen oder Einkommensgruppen zu differenzieren, löse ich den Versicherungsgedanken auf und konserviere möglicherweise Strukturen.“

Rentenaufwertung im Nachhinein bedeutet Abschied vom Versicherungsgedanken

Denn wer beispielsweise als Maurer oder in der Altenpflege ins Berufsleben starte, verliere im Falle einer späteren Rentenaufwertung den Anreiz, sich fortzubilden, um irgendwann eine besser bezahlte oder den körperlichen Möglichkeiten entsprechende Tätigkeit ausüben zu können.

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Eine Erwerbstätigenversicherung könne zwar aus Gerechtigkeitsgründen durchaus diskutiert werden. „Aber sie ist weder ein Ansatz zur gezielten Bekämpfung von Altersarmut noch lindert sie die drängendsten demografischen Probleme“, sagt Pimpertz. Und sie erhöhe die Gefahr, dass notwendige Reformen in der gesetzlichen Rentenversicherung dann erst recht auf die lange Bank geschoben würden.

Doch „das Zeitfenster für nachhaltige Reformen schließt sich bereits in der kommenden Legislaturperiode", schreibt Pimpertz in einer Analyse der rentenpolitischen Wahlprogramme der Parteien, die dem Handelsblatt vorliegt.

In seinen Leitlinien für die kommende Legislaturperiode fordert der Ökonom, den sogenannten Nachholfaktor rasch zu reaktivieren, der den Rentenanstieg nach Krisenzeiten dämpft, aber von der Großen Koalition bis 2025 ausgesetzt wurde. Außerdem solle die Politik die Privatvorsorge gezielt fördern – und zwar unabhängig von der Anlageform.

Um die Steuerzahler vor ungerechtfertigten Mitnahmeeffekten zu schützen, müssten bei der Grundrente neben dem Einkommen des Rentenbeziehers und des Partners außerdem auch die Vermögenssituation im Haushalt betrachtet werden, fordert Pimpertz.

Mehr Kinder oder länger arbeiten

Zur langfristigen Stabilisierung der Rentenfinanzen führt aus seiner Sicht aber kein Weg an einer weiteren Anhebung der Regelaltersgrenze nach 2031 vorbei, weil sich mit ihr der Beitragssatzanstieg dämpfen und das Rentenniveau bis in die zweite Hälfte der 2050er-Jahre bei mehr als 46 Prozent stabilisieren ließe.

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Betroffen davon sei eine Generation, die heute noch zehn, 20 oder mehr Berufsjahre vor der Brust habe oder noch gar nicht ins Berufsleben eingetreten sei. „Aber die Politik scheut sich, denen klar zu sagen: Ohne ausreichende Kinderzahl müsst ihr länger arbeiten oder mehr privat vorsorgen.“ Tatsächlich traut sich keine Partei bisher an das Thema Renteneintrittsalter heran.

Zur Anhebung der Regelaltersgrenze gehöre dann aber auch, geeignete Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Beschäftigte bis zum Renteneintritt gesund durchhalten können, schreibt Pimpertz. Das ist aus Sicht des VdK heute nicht gegeben. Wer in einem körperlich oder geistig fordernden Job vorzeitig in den Ruhestand gehen wolle, verliere pro Jahr des vorzeitigen Eintritts dauerhaft 3,6 Prozent seiner Rentenansprüche.

Alle Forderungen nach einer Erhöhung der Regelaltersgrenze seien deshalb vor allem „eine zynische Umschreibung für Rentenkürzungen“, sagt der rentenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Matthias W. Birkwald. Knapp 15 Prozent der älteren Menschen würden aktuell vor ihrem 65. Geburtstag sterben, 20 Prozent vor ihrem 69. Geburtstag.

Mehr: Steuerzuschuss, Beitragssatz, Alter: An welchen Stellschrauben die Parteien bei der Rente drehen wollen.

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