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Studie Diese fünf Hürden sehen Frauen auf dem Weg in die Politik

In der Politik gibt es immer noch deutlich weniger Frauen als Männer. Eine Studie hat nun Politikerinnen befragt, welche Barrieren sie für Frauen sehen. Lösungen nennen sie auch.
04.11.2021 - 14:04 Uhr Kommentieren
Der Anteil der weiblichen Abgeordneten stieg nach der Wahl 2021 zum 20. Bundestag um rund drei Punkte auf 34,7 Prozent. In der Studie heißt es: „Fortschritte erfolgen allenfalls im Schneckentempo.“ Quelle: dpa
Der neue Bundestag

Der Anteil der weiblichen Abgeordneten stieg nach der Wahl 2021 zum 20. Bundestag um rund drei Punkte auf 34,7 Prozent. In der Studie heißt es: „Fortschritte erfolgen allenfalls im Schneckentempo.“

(Foto: dpa)

Berlin Im neuen Bundestag sind nur knapp 35 Prozent der Abgeordneten weiblich. Die Landesparlamente bleiben mit rund 30 Prozent Frauenanteil ebenfalls weit von einer Parität entfernt. Und in den Kommunalvertretungen sind zuweilen nur 15 Prozent Frauen anzutreffen. Auch in den Parteien gibt es nach wie vor deutlich mehr männliche als weibliche Mitglieder.

Doch woran liegt das? Auf die Suche nach Antworten hat sich nun die EAF Berlin gemacht. Der Thinktank zur Vielfalt und Chancengleichheit befragte 800 Politikerinnen und Politiker aus Bund, Ländern und Kommunen der sechs im Bundestag vertretenen Parteien. Die Befunde der Studie „Parteikulturen und die politische Teilhabe von Frauen“ wurden an diesem Donnerstag vorgestellt.

Fazit: Frauen können konkrete Hürden für parteipolitisches Engagement benennen. Die EAF-Vorstandsvorsitzende Helga Lukoschat sagte: „Wir hoffen, dass die Parteien das als Weckruf verstehen.“

Folgende Barrieren nannten die befragten Politikerinnen auf die Frage, woran es liege, dass es in Deutschland deutlich weniger Frauen in Parlamenten und politischen Positionen gibt als Männer:

  1. Die politischen Termine fänden häufig abends oder am Wochenende statt, was Frauen mehr Schwierigkeiten bereite. Das gaben 75 Prozent der befragten Politikerinnen an. 49 Prozent waren der Meinung, Frauen seien weniger bereit, im Privatleben große Abstriche für ihre Karriere zu machen.
  2. 66 Prozent meinten, die Art der politischen Diskussion und Auseinandersetzung schrecke viele Frauen ab. Ebenfalls abschreckend sei der öffentliche Druck und der Zwang, ständig in der Öffentlichkeit zu stehen.
  3. Die Themen, für die sich Frauen engagierten, würden häufig als weniger wichtig angesehen, meinten 55 Prozent der Politikerinnen.
  4. 47 Prozent der Politikerinnen glauben, Politik sei nach wie vor eine Männerdomäne, was Frauen abschrecke. Es gebe zudem weniger weibliche Vorbilder in der Politik.
  5. Es existierten zu wenig verbindliche Regeln und Quoten in den Parteien, bemängelten 45 Prozent der Befragten. Frauen würden bei Nominierungen für Wahlkreise und bei der Vergabe von Listenplätzen benachteiligt.

Die EAF-Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt und vom Bundesfrauenministerium gefördert.

Problematisch seien nicht nur die Barrieren, die es zu überwinden gelte, um überhaupt in die Politik zu kommen. Schwierig sei anschließend auch der politische Alltag selbst. So sind 65 Prozent der Politikerinnen der Meinung, dass an sie andere Erwartungen gestellt werden als an Politiker.

Frauen stärker auf dem Prüfstand

So sind 43 Prozent überzeugt, dass Frauen in der Politik überdurchschnittliche Leistungen erbringen müssen, um die an sie gestellten Erwartungen zu erfüllen. 39 Prozent meinen, dass von Frauen mehr Kompromissbereitschaft und Bemühungen um Ausgleich erwartet würden. Von Frauen werde mehr als von Männern erwartet, dass sie sich auf „weibliche“ Themen wie Integration, Familie, Soziales oder Umwelt spezialisierten – diese Erfahrung haben 37 Prozent gemacht.

In der Studie wird etwa eine FDP-Politikerin zitiert: Männer würden mit einem „Vertrauensvorschuss“ ausgestattet, qua Geschlecht würde man ihnen von vornherein das Potenzial und die Kompetenz zutrauen, während Frauen stärker auf dem Prüfstand stünden.

Interviewpartner der SPD hätten mehrfach auf das Beispiel von Andrea Nahles verwiesen, eine davon meinte: „Die Komponente Frau hat immer mit hineingespielt, weil sie sich nicht so verhalten hat, wie sich viele in der SPD, in der Öffentlichkeit, in den Medien, wo auch immer, Frauen in der Politik wünschen; ein bisschen zurückhaltend, die vermittelnde Rolle. Das hat sie einfach nicht erfüllt.“

Darüber hinaus sind 30 Prozent überzeugt, dass die Anforderungen an ihr Erscheinungsbild anders oder höher sind als bei den männlichen Kollegen. Laut Studie komme es auch zu sexueller Belästigung im Sinne unerwünschter und unangemessener Bemerkungen, Blicke oder Berührungen. 40 Prozent aller befragten Politikerinnen und 60 Prozent aller unter 45 Jahren wurden demnach schon im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit sexuell belästigt.

Als konkrete negative Erfahrungen geben die befragten Politikerinnen unter anderem an, Frauen würden in Diskussionen häufiger unterbrochen als Männer, hätten weniger Chancen, interessante Aufgaben oder Positionen zu bekommen. Parteikollegen enthielten ihnen wichtige Informationen vor, auch würden ihre Redebeiträge häufiger nicht ernst genommen.

„Ein bisschen zurückhaltend, die vermittelnde Rolle. Das hat sie einfach nicht erfüllt.“ Quelle: dpa
Ehemalige SPD-Chefin Nahles

„Ein bisschen zurückhaltend, die vermittelnde Rolle. Das hat sie einfach nicht erfüllt.“

(Foto: dpa)

Alle Befragten nennen schließlich mehrere Maßnahmen, um den Frauenanteil in verantwortlichen Positionen nachhaltig zu erhöhen. „Besonders die Umgestaltung der Parteiarbeit zugunsten einer besseren Vereinbarkeit von politischer Arbeit, Beruf und Familie hält die große Mehrheit für Erfolg versprechend“, heißt es in der Studie. Das sehen 77 Prozent der Politikerinnen und auch 68 Prozent ihrer männlichen Kollegen so. Viele Politikerinnen halten es zudem für wichtig, dass Frauen stärker in die Netzwerke von Männern einbezogen werden.

58 Prozent der Politikerinnen halten verbindliche Quoten auf allen Ebenen der Partei für einen wirksamen Schritt hin zu mehr Frauen in der Politik. 50 Prozent schätzen gesetzliche Vorgaben für die Parität in der Politik als aussichtsreich ein.

Welche Haltung zur Frauenquote besteht, hängt auch ganz wesentlich von der Parteizugehörigkeit ab: 96 Prozent der Grünen-Politikerinnen, 94 Prozent der Linken-Politikerinnen und 86 Prozent der SPD-Politikerinnen sprechen sich für Frauenquoten aus.

Anfeindungen in sozialen Netzwerken stärker verfolgen

Politikerinnen der Unionsparteien sind in dieser Frage dagegen gespalten: 46 Prozent sprechen sich für eine Quote aus, 54 Prozent dagegen. Noch kritischer sehen FDP-Politikerinnen Quotenregelungen: Von ihnen unterstützen nur 30 Prozent eine Frauenquote, 70 Prozent sprechen sich dagegen aus. Einmütig gegen Frauenquoten sind Politikerinnen der AfD.

42 Prozent der Politikerinnen sehen die stärkere Verfolgung von Anfeindungen, etwa in sozialen Netzwerken, als ein notwendiges Mittel an, 41 Prozent innerparteiliche Leitlinien für den Umgang miteinander. Jede dritte Frau fordert, innerparteiliche Stellen zu schaffen, an die sich Frauen wenden können, wenn sie mit Sexismus oder sexueller Belästigung konfrontiert sind.

Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher sagte: „Die Studie ist repräsentativ. Es handelt sich um belastbare Aussagen.“ Die befragten Politiker kämen häufig zu anderen Einschätzungen als die Politikerinnen. So sei die Mehrzahl überzeugt, dass Männer und Frauen in der eigenen Partei gleich gute Chancen hätten. Köcher prophezeite: „Geschlechterquoten werden die Diskussionen in den Parteien, aber auch außerhalb bestimmen.“

Mehr: So ist es um die Frauenquote bei Bundesbeteiligungen bestellt

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