Studie Mangel an IT-Experten bremst Digitalisierung in deutschen Unternehmen

Der Mangel an IT-Experten in Deutschland dürfte sich verschärfen.
Berlin Der IT-Fachkräftemangel ist eine der größten Hürden für die deutsche Wirtschaft bei der Etablierung digitaler Geschäftsmodelle. Das zeigt eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) und des Beratungsunternehmens IW Consult, die dem Handelsblatt vorliegt. Von den für die Untersuchung 738 befragten deutschen Unternehmen beklagen demnach 54 Prozent das Fehlen von Experten.
Die Studienautoren Manuel Fritsch und Alevtina Krotova sehen in dem Befund ein Problem von großer Tragweite. Der Personalmangel in der IT-Branche werde „zunehmend zu einem chronischen Problem“ für Arbeitgeber in Deutschland, warnen sie.
Zumal die Nachfrage nach Datenexperten für die Implementierung datengetriebener Geschäftsmodelle zukünftig „tendenziell stark steigen“ werde. Besonders die Suche nach den „richtigen Experten“ für die Arbeit mit Daten werde durch ein niedriges Fachkräfteangebot „extrem aufwendig“.
Wie schwierig die Lage ist, zeigt auch eine Ende 2019 veröffentlichte Studie des IT-Verbands Bitkom. Das ernüchternde Ergebnis der repräsentativen Befragung von mehr als 850 Geschäftsführern und Personalverantwortlichen in Unternehmen aus allen Branchen: Die Zahl der offenen Stellen für IT-Fachkräfte hat eine neue Rekordmarke erreicht.
In Deutschland gab es demnach zum Zeitpunkt der Befragung 124.000 offene Stellen für IT-Spezialisten. Das entspricht einem Anstieg um 51 Prozent verglichen mit dem Vorjahr (82.000). Innerhalb von zwei Jahren hat sich damit die Zahl der unbesetzten IT-Stellen mehr als verdoppelt (2017: 55.000).
„Der Mangel an IT-Experten betrifft längst nicht mehr nur die IT-Branche, sondern die gesamte Wirtschaft und auch Verwaltung, Behörden und Wissenschaft“, sagte Bitkom-Präsident Achim Berg seinerzeit zu den Zahlen. „So wie sich die Digitalisierung beschleunigt, wird der Bedarf an IT-Fachkräften in den kommenden Jahren weiter stark steigen.“ Jede unbesetzte IT-Stelle koste Umsatz, belaste die Innovationsfähigkeit der Unternehmen und bremse die nötige digitale Transformation.
Das Fachkräfteproblem wird sich nach Einschätzung des IW-Consult-Experten Fritsch kurzfristig nicht lösen lassen. Natürlich könne die Politik über die Schaffung von Forschungsstellen und Studienplätzen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) „die wichtigen Grundlagen legen“, sagte Fritsch dem Handelsblatt. Die Ausschreibung von KI-Professuren sei hier ein gutes Beispiel. Solche Maßnahmen würden ihre Wirkung jedoch erst mittelfristig entfalten.
Bedenken in puncto Datensicherheit
Dabei sind datengetriebene Geschäftsmodelle für die deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung, wie Fritsch betont. „Einmal bei der Erschließung völlig neuartiger Geschäftsmodelle etwa im Bereich digitale Startups“, erläuterte er. „Aber auch gerade für die deutsche Industrie stellt die datengetriebene Optimierung und Transformation ihrer Produkte und Prozesse einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor dar.“
Im internationalen Vergleich sind die USA und China vor allem bei digitalen Start-ups führend. „Es gibt jedoch auch in Deutschland in spezialisierten Anwendungsbereichen exzellente Unternehmen, die im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle einnehmen“, sagte Fritsch. Als ein Beispiel nannte er das Start-up „DeepL“. Die in Köln ansässige Firma nutzt neuronale Netze, um Übersetzungen zu verbessern - anhand von bereits übersetzten Texten.
Jedoch sehen sich die Unternehmen mit weiteren Hürden konfrontiert. Über die Hälfte der befragten Firmen äußert in der IW-Umfrage Bedenken in puncto Datensicherheit (50,7 Prozent). „Dabei ist ein sicherer Umgang mit Daten eine essenzielle Voraussetzung für die langfristige Entwicklung der Datenwirtschaft“, konstatieren die Studienautoren.
Gerade bei größeren Wertschöpfungsnetzwerken böten sich zahlreiche Angriffsstellen für Cyberangriffe und Datendiebstahl. Ein Abfluss von Wissen und wertvollen Informationen, wie Kundendaten oder Unternehmens-Know-how, könne „fatale Folgen“ für das betroffene Unternehmen haben. „Daher muss der Datensicherheit bei der Etablierung eines datengetriebenen Geschäftsmodells höchste Priorität beigemessen werden“, heißt es in der IW-Studie.
Ähnlich schwierig sehen Unternehmen den Umgang mit Datenschutzvorgaben: Für 45,8 Prozent stellen sie ein Hemmnis dar. So bestehe etwa beim Umgang mit personenbezogenen und sensiblen Daten seit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Jahr 2018 eine „dauerhafte Verunsicherung“. Die IW-Experten raten den Unternehmen deshalb, Unsicherheiten mithilfe von internen oder externen Datenschutzbeauftragten abzubauen.
Bundesregierung arbeitet an Datenstrategie
Auch die Politik ist aus Sicht des IW-Consult-Experten Fritsch in diesem Bereich gefordert, da rechtliche Fragen mit Blick auf Datenschutz und Eigentum an Daten „ein entscheidendes Feld“ sei. „Hier sollte die Politik einen sicheren rechtlichen Rahmen schaffen, um Unternehmen Rechtssicherheit zu gewährleisten“, sagte Fritsch. „Natürlich ohne innovationshemmende Überregulierung zu erzeugen.“ Im Rahmen ihrer angekündigten Datenstrategie habe die Bundesregierung zudem die Möglichkeit, die rechtlichen Fragen zu adressieren und erste Lösungsansätze zu präsentieren.
Ende vergangenen Jahres hatte die Regierung Eckpunkte einer Datenstrategie beschlossen. Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft sollen künftig gleichermaßen am Zugang zu Daten teilhaben, lautet das Ziel. Dahinter steht die Überzeugung, dass Daten im digitalen Zeitalter eine „Schlüsselressource“ seien, Kanzlerin Angela Merkel bezeichnet sie als „neues Öl“. In einem „breiten Beteiligungsprozess“ soll nun „eine ambitionierte Datenstrategie“ erarbeitet werden. Bis zum Sommer sollen erste Ergebnisse vorliegen, damit noch in dieser Legislaturperiode mit der Umsetzung begonnen werden kann.
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