Studienfinanzierung Zahl der Bafög-Empfänger geht im Corona-Jahr um sechs Prozent zurück

Die Zahl der Bafög-geförderten Studenten und Schüler nimmt stetig ab.
Berlin Die Zahl der Studenten und Schüler, die durch Bafög staatliche finanzielle Hilfe erhalten, ist das achte Jahr in Folge gesunken. 2020 ging sie um sechs Prozent oder 41.000 auf 639.000 zurück, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Davon waren 465.500 Studierende – 23.770 weniger als 2019. 2012 waren es gut 330.000 mehr Studenten als heute, die Hilfe nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz Bafög, erhielten. Insgesamt gibt es fast drei Millionen Studierende in Deutschland.
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek kündigte daher eine erneute Reform des Bafögs in der nächsten Legislaturperiode an, damit diese Förderung künftig mehr Menschen erreiche. Die jüngste Reform gab es erst 2019. Positiv sei jedoch, dass der durchschnittliche Förderungsbetrag erneut gestiegen sei – bei Studenten monatlich um 60 auf 574 Euro, bei Schülern um 30 auf 503 Euro.
Das Ministerium erklärt den Rückgang teilweise auch damit, dass Umfragen zufolge viele Studierende während der Pandemie ins Elternhaus zurückkehrten oder gar nicht erst auszogen.
Während immer weniger Studierende Bafög bekamen, stieg die Nachfrage nach Studienkrediten im Corona-Jahr 2020 deutlich: Insgesamt wurden nach Daten des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) mehr als 50.000 neue Darlehensverträge abgeschlossen – 2019 waren es noch 33.000.
Die Regierung hatte die sinkenden Empfängerzahlen beim Bafög vor Corona stets damit erklärt, dass wegen der guten Konjunktur die Eltern eben besser verdienten und somit automatisch weniger Studierende Anspruch auf Bafög hätten. Die Opposition und das Studentenwerk hingegen fordern schon lange eine grundlegende Reform – und werfen der Ministerin vor, dass die versprochene „Trendumkehr“ ausgeblieben ist.
Studentenwerk: Bafög muss wieder mehr in die Mittelschicht hineinreichen
Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), Achim Meyer auf der Heyde, mahnt nun Tempo an: Um das 1971 eingeführte Bafög noch zum 50. Jubiläum wieder „zu einem Instrument zu machen, das breiter in die Mittelschicht hineinreicht, muss die Umsetzung unmittelbar nach der Regierungsbildung kommen“. Dazu sollte auch endlich der Bedarf der Studierenden empirisch erhoben werden, wie es das Bundesverwaltungsgericht verlangt habe.
Nötig seien „eine deutliche Anhebung der Freibeträge beim Einkommen der Eltern und der Bedarfssätze, eine Verlängerung der Bezugsdauer über die Regelstudienzeit hinaus sowie die Vereinfachung und Digitalisierung des Bafög-Antrags“, sagte Meyer auf der Heyde.
„Selbst in der Pandemie hat Ministerin Karliczek die Studierenden lieber in die Schuldenfalle manövriert, statt mit einer Bafög-Öffnung echte Hilfe anzubieten“, kommentierte der wissenschaftspolitische Sprecher der Grünen Kai Gehring die neuen Zahlen. Dies habe fatale Folgen für die Zukunftschancen vieler junger Menschen. Die neuen Reformankündigungen Karliczeks wies er als „durchschaubares und unglaubwürdiges Wahlkampfmanöver“ zurück. Die Grünen fordern einen Neustart des Bafögs mit einer Grundsicherung für Studierende und Auszubildende.
FDP will elternunabhängiges Bafög
Ähnlich klingt es bei der FDP: Deren hochschulpolitischer Sprecher Jens Brandenburg fürchtet, dass „die von der Ministerin angekündigten Mini-Trippelschrittchen nicht ausreichen“. Immer weniger Schüler und Studierende bekämen ein paar Euro mehr – „viele Bedürftige hingegen fallen weiterhin durchs Raster“. Bildungschancen dürften aber „keine Frage der sozialen Herkunft sein“. Die FDP fordert daher eine komplett elternunabhängige Förderung.
Schwere Vorwürfe kommen auch vom Koalitionspartner: Anstatt mit der SPD das Bafög auszubauen und in der Pandemie ein Nothilfe-Bafög zu etablieren, habe Karliczek „Bafög-Mittel im Haushalt liegen lassen, die Finanzminister Olaf Scholz zur Verfügung gestellt hat“, sagte der SPD-Bildungspolitiker Oliver Kaczmarek. Die neuen Zahlen seien dramatisch: „Trotz weggebrochener Nebenjobs für Studierende durch die Coronakrise ist der Bafög-Bezug im Sinkflug.“
SPD fordert Vollzuschuss statt Darlehen
Die SPD will vor allem eine Erhöhung der Freibeträge beim Elterneinkommen, „denn viele Studierende, die berechtigt sein sollten, fallen aktuell in eine Förderlücke“, so Kaczmarek. Zudem sollte das Darlehensmodell wieder durch den früheren Vollzuschuss ersetzt werden. Derzeit muss die Hälfte der Förderung zurückgezahlt werden.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.