Teure Corona-Folgen Prekäre Finanzlage: Kommunen fordern zweiten Rettungsschirm

Leere Fußgängerzonen und Geschäftsaufgaben: Die Corona-Folgen führen zu sinkenden Einnahmen der Kommunen.
Berlin Angesichts wegbrechender Einnahmen und steigender Ausgaben in der Corona-Pandemie fordern die Kommunen weitere Milliardenhilfen vom Bund. „Es braucht zwingend einen zweiten Rettungsschirm von Bund und Ländern für die Kommunalfinanzen, mindestens für die Jahre 2021 und 2022“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), dem Handelsblatt. „Die Lage der Kommunalhaushalte ist schlicht prekär.“
Im Herbst hatten die kommunalen Spitzenverbände gewarnt, dass in diesem Jahr eine Finanzierungslücke von rund zehn Milliarden Euro droht. Angesichts des Lockdowns müsse man aber mittlerweile von noch geringeren Steuereinnahmen ausgehen. „Das Finanzierungsloch wird also eher größer als kleiner“, schreibt der DStGB in einem Positionspapier. Insgesamt dürften sich die Steuermindereinnahmen bis 2024 auf rund 50 Milliarden Euro summieren.
Die Kommunen leiden nicht nur unter wegbrechenden Steuereinnahmen. Aufgrund der Corona-Beschränkungen nehmen sie auch mit ihren Unternehmen weniger ein, etwa im öffentlichen Nahverkehr oder in Schwimmbädern. Auf der anderen Seite steigen die Ausgaben, insbesondere für den Gesundheitsbereich und den Infektionsschutz.
Im vergangenen Jahr hatten Bund und Länder die Kommunen deshalb bereits mit milliardenschweren Zuwendungen gestützt. So wurden die gesunkenen Gewerbesteuereinnahmen ausgeglichen. Hierfür stellten Bund und Länder rund elf Milliarden Euro zur Verfügung. Die Große Koalition hatte zudem in ihrem Konjunkturpaket beschlossen, dass der Bund die Kommunen bei den Sozialausgaben weiter entlastet. Dafür wendet der Bund jährlich rund vier Milliarden Euro auf.
Ähnliche Hilfen wünschen sich die Kommunen nun auch für 2021 und 2022. Ein zweiter Rettungsschirm solle insbesondere die Kompensation der Corona-bedingten Ausfälle bei der Gewerbe- sowie der Einkommensteuer umfassen, heißt es beim DStGB.
Müssen die Kommunen die Investitionen kürzen?
Unterstützung erhält die Kommunallobby dabei von der Bauindustrie. Sie fürchtet, dass die Kommunen in ihrer Finanznot bei den Investitionen kürzen. „Angesichts des nach wie vor dramatischen kommunalen Investitionsrückstands ist es keine nachhaltige Option, die dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen zu kürzen“, so Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes. Der Verband hat das Positionspapier zusammen mit dem DStGB verfasst.
„Eine offensive Investitionstätigkeit auf kommunaler Ebene ist für die Zeit nach der Corona-Pandemie von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung“, sagte Pakleppa. Die Städte und Gemeinden stemmen den Großteil der öffentlichen Investitionen. Ihre Aufträge sind für die Wirtschaft wichtig.
Hinzu kommt: Die Kommunen waren bis zur Pandemie gerade dabei, den über Jahrzehnte angewachsenen Investitionsstau aufzulösen. Der kommunale Investitionsrückstand belaufe sich auf besorgniserregende 147 Milliarden Euro, heißt es im Positionspapier. Darin seien mögliche Effekte durch die Coronakrise noch nicht enthalten.
Der Bund sieht sich nicht in der Pflicht
Allerdings ist die Hilfsbereitschaft beim Bund nach der ersten Rettungsaktion nicht mehr ganz so groß. Bundespolitiker sehen die Bundesländer in der Pflicht. Selbst in der SPD trifft der Vorschlag, den Kommunen erneut die Gewerbesteuerausfälle zu erstatten, auf Ablehnung. So hat SPD-Haushaltsexperte Dennis Rohde solche Pläne abgelehnt.
Die Haushaltshoheit über Kommunen liegt bei den Ländern. Bundespolitiker finden daher, die Bundesländer müssten ihrer Pflicht nachkommen, den Kommunen in der Krise zu helfen. Und sie seien dazu auch finanziell in der Lage, da sie vom Bund sowohl vor der Krise, aber auch in der Pandemie viel Geld erhalten hätten.
Neue Zahlen: Ländern geht es besser als befürchtet
Neue Zahlen unterstreichen das. So haben die 16 Bundesländer im ersten Quartal dieses Jahres zwar ein Haushaltsdefizit von 5,3 Milliarden Euro eingefahren. Einige Bundesländer wie Hamburg oder Hessen verzeichnen bislang in diesem Jahr aber noch einen leichten Überschuss, wie aus einer Vorlage des Bundesfinanzministeriums hervorgeht, die dem Handelsblatt vorliegt.
Zwar stiegen die Ausgaben der Länder im Vergleich zum Vorjahr um 18,2 Prozent, zugleich aber auch die Einnahmen um 9,9 Prozent, obwohl die Steuereinnahmen um 6,3 Prozent rückläufig waren. In den höheren Einnahmen spiegelten sich „die vom Bund geleisteten Zahlungen an die Länder im Rahmen der Corona-Hilfspakete“, heißt es in der Vorlage.
Zudem fällt das Minus der Länder mit 5,3 Milliarden Euro gegenüber dem Bund gering aus. Dessen Defizit lag in den ersten drei Monaten mit 61,5 Milliarden Euro mehr als zehnmal so hoch. Für das gesamte Jahr plant der Bund mit einem Defizit von 240 Milliarden. Schon im Vorjahr war das Defizit der Länder mit 42 Milliarden deutlich geringer als das des Bundes, der rote Zahlen in Höhe von 130 Milliarden Euro schrieb.
Höheres Defizit als in der Finanzkrise
Die Gegner weiterer Bundeshilfen für die Kommunen verweisen auch auf die robuste finanzielle Lage der Kommunen. Selbst im Krisenjahr 2020 hatten die Kommunen dank der Zuweisungen von Bund und Ländern noch einen Überschuss von zwei Milliarden Euro erzielt.
Allerdings war der überraschende Überschuss neben den Hilfen von Bund und Ländern auch einigen weiteren Sonderfaktoren geschuldet. So fiel die Hälfte der Gewerbesteuerumlage weg. „Allein das brachte den Kommunen netto eine Verbesserung von drei Milliarden Euro“, sagt Kommunalexperte Rene Geißler, Professor für öffentliche Wirtschaft und Verwaltung an der TH Wildau. Ohne diese und andere Sondereffekt hätten auch die Kommunen ein Minus eingefahren, „das doppelt so hoch ist wie in der Finanzkrise“, so Geißler.
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