Umfrage Viele Vermieter ignorieren bislang offenbar den Mietendeckel

In der Hauptstadt existiert der bundesweit einzige Mietendeckel. Der rot-rot-grüne Senat will mit den Maßnahmen den zuletzt starken Anstieg der Mieten abbremsen.
Berlin An diesem Montag startet die neue Stufe des Berliner Mietendeckels: Überschreiten Mieten in bestehenden Mietverhältnissen die per Gesetz festgeschriebenen Mietobergrenzen um mehr als 20 Prozent, müssen die Vermieter die Miete automatisch absenken. Doch bislang ignorieren viele Vermieter das Gesetz offenbar. Zumindest legt das eine Umfrage der Online-Plattform für Verbraucherrechte Conny nah, die dem Handelsblatt vorliegt.
Demnach gaben 73,6 Prozent der befragten Mieter an, bis zum 19. November noch nicht über die anstehende Mietsenkung samt Einsparungsbetrag von den Vermietern nicht in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Die verbleibenden 26,4 Prozent der Befragten haben ein Ankündigungsschreiben ihres Vermieters erhalten. Hier wird die Miete im Schnitt um 241 Euro pro Monat gesenkt. Darüber hinaus haben 75,5 Prozent der befragten Mieter das Gefühl, nicht genug über das Gesetz und ihre Rechte als Mieter zu wissen.
Die Verbraucherrechte-Plattform Conny, die bislang unter dem Namen wenigermiete.de firmierte, hatte rund 2500 seiner Kunden mit Anspruch auf eine Mietsenkung gemäß des Mietendeckel-Gesetzes befragt.
In der Hauptstad existiert der bundesweit einzige Mietendeckel. Der rot-rot-grüne Senat will mit den Maßnahmen den zuletzt starken Anstieg der Mieten abbremsen. Die Regelungen wurden zunächst auf fünf Jahre befristet.
Neben der automatischen Absenkung der Miete, die nun in Kraft tritt, wurden seit dem 23. Februar bereits die Mieten für rund 1,5 Millionen Wohnungen auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Sie dürfen ab 2022 höchstens um 1,3 Prozent jährlich steigen. Wird eine Wohnung wieder vermietet, muss sich der Vermieter an Obergrenzen und an die zuletzt verlangte Miete halten. Betroffen sind laut Senat rund 340.000 Wohnungen.
Politisch und rechtlich sind die Regelungen höchst umstritten. Es laufen bereits Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Mietdeckel.
Markt könne es nicht mehr allein regeln
Der Fraktionschef der Berliner SPD, Raed Saleh, hält das umstrittene Mietendeckel-Gesetz indes für ein Vorbild auch für andere Städte. „Ich bin überzeugt, dass die Diskussion kommen wird“, sagte Saleh der Deutschen Presse-Agentur zum Start der neuen Stufe des Gesetzes. „Der Druck in anderen Städten ist so groß, dass das automatisch diskutiert wird, im Übrigen auch innerhalb der Union.“ Der Markt könne es nicht mehr allein regeln.
Conny-Geschäftsführer Daniel Halmer hält es für „sehr wahrscheinlich“, dass sich nicht alle Vermieter an die Gesetzesvorgaben halten werden. Zudem sei der Mietendeckel „eine aus Vermietersicht willkommene Ablenkung von der Mietpreisbremse“, sagte Halmer dem Handelsblatt.
Der Deckel halte Mieter ab, die Mietpreisbremse zu ziehen. „Berliner Mieter, die sich auf den Mietendeckel verlassen, verschenken jeden Monat Geld, falls der Deckel gekippt wird“, erklärte der Rechtsanwalt. Denn die Mietpreisbremse hätte mittels einer Rüge aktiviert werden müssen.
Die zum 1. Juni 2015 eingeführte Mietpreisbremse ist für besonders begehrte Wohngegenden gedacht. Hier wird der Mietenanstieg gesetzlich gebremst: Der Vermieter darf höchstens die ortsübliche Vergleichsmiete plus zehn Prozent verlangen. Zahlt ein Mieter zu viel Miete, kann er seinen Vermieter mit einer Rüge dazu auffordern, die Miete zu senken.
Der Berliner Mieterverein rät dazu, alle Möglichkeiten zu nutzen. „Besteht ein Anspruch, sollte der Mieter sowohl die Mietpreisbremse als auch den Mietendeckel berücksichtigen“, sagte Geschäftsführer Reiner Wild dem Handelsblatt. Es sei besser, jetzt eine Rüge zu verschicken, bevor Fristen versäumt würden. „Sollte das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel kippen, könnten die Mieter in berechtigten Fällen auf die Mietpreisbremse umschwenken.“
Vermieter und Eigentümer müssen sich in der Hauptstadt also auf alles einstellen. Nach einem Bericht des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) haben bis Ende Oktober 601 Vermieter bei der Investitionsbank Berlin (IBB) beantragt, eine höhere Miete verlangen zu dürfen, als es der Mietendeckel gestattet. Andernfalls, so die Begründung, würden sie in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Dies teilte die Senatsstadtentwicklungsverwaltung dem rbb auf Anfrage mit. Betroffen seien demnach 5120 Wohnungen.
Mehr: Was die neue Stufe des Mietendeckels für Vermieter und Mieter bedeutet.
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