Untersuchungsausschuss Finanzminister Scholz weist Mitschuld im Fall Wirecard von sich – Union übt Kritik

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kritisiert die Wirtschaftsprüfer im Fall Wirecard.
Berlin Olaf Scholz muss kurz lächeln. Wie jeder Zeuge muss auch der SPD-Politiker seine persönlichen Daten zu Beginn der Vernehmung vortragen. „Geboren am 14. Juni 1958. Von Beruf bin ich Rechtsanwalt, mein Dienstsitz ist Berlin als Bundesminister der Finanzen.“ Genau in dieser Funktion sitzt Olaf Scholz an diesem Donnerstag im im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags zur Wirecard-Affäre. Offiziell ist Scholz als Zeuge im Wirecard-Skandal geladen, aber jeder im Saal weiß: Scholz sitzt hier auf der Anklagebank.
Der Finanzminister muss erklären, wie es zum Wirecard-Skandal kommen konnte. Wie dieser beispiellose Betrug des mittlerweile insolventen Konzerns möglich war, durch den über 20 Milliarden Euro an Börsenwert verloren gingen, darunter für manche Kleinanleger die gesamten Ersparnisse. Und, wer dafür die politische Verantwortung trägt.
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Für den Kanzlerkandidaten der SPD ist es einer der wichtigsten Termine des Wahlkampfjahres. Käme heraus, Scholz trage als Finanzminister eine Mitverantwortung für den Skandal, wäre das Rennen um die Kanzlerschaft für ihn beendet.
Für den Untersuchungsausschuss ist der Scholz-Auftritt sogar der Höhepunkt, auch wenn am Freitag noch die Bundeskanzlerin kommt. „Auf diesen Tag haben wir ein halbes Jahr hingearbeitet“, sagt Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz. Denn Scholz ist der zuständige Minister, ihm ist die Finanzaufsicht Bafin unterstellt.
Scholz wirkt gut vorbereitet, auch wenn er sagt, er habe sich lediglich am Vortag eine halbe Stunde mit seinen Beamten für den Termin ausgetauscht. Eine Mitschuld weist er direkt zu Beginn von sich. „Die Verantwortung für diesen hochkriminellen Betrug trägt nicht die Bundesregierung. Es ist ein absurdes Märchen, dass die Finanzaufsicht Bafin oder das Bundesfinanzministerium ihre schützende Hand über dieses Unternehmen gehalten hätte.“
Scholz will nach vorne blicken, Opposition nicht
So habe die Bafin mit der Beauftragung einer Sonderprüfung durch die „Bilanzpolizei“ DPR den Stein zur Aufklärung des Skandals überhaupt erst ins Rollen gebracht. Scholz sieht die Ursachen für den Skandal woanders: „Das Aufsichts- und Kontrollgefüge war für so einen erheblichen kriminellen Angriff nicht aufgestellt.“
Deshalb habe er schnell und umfassend Konsequenzen gezogen. Er habe die Bafin neu aufgestellt, die Bilanzkontrolle neu geregelt und härtere Regeln für Wirtschaftsprüfer erlassen. „All das habe ich zügig auf den Weg gebracht“, lobt Scholz sich selbst.
Scholz richtet in der Vernehmung den Blick immer wieder nach vorn, nicht zurück auf Versäumnisse der Vergangenheit. Die Opposition ist davon schnell genervt. „Ich würde Sie bitten, aus Zeitgründen nicht mehr über ihre Bafin-Reform zu sprechen“, sagt FDP-Politiker Florian Toncar.
Zunächst sieht es so aus, als ob Scholz gut durch die Vernehmung kommt. Die Aufklärer können ihn vorerst nicht mit neuen brisanten Informationen unter Druck setzen, der Minister dankt mehrfach für die Aufklärungsarbeit. Dann kommt es doch zu einem kleinen Eklat.
Union konfrontiert Scholz mit Mailverkehr
CDU-Obmann Matthias Hauer legt Scholz drei E-Mails zu Wirecard vor, die der Minister von seinem privaten Account verschickt hat. Darunter ist eine Mail an Helge Braun, in der Scholz den Kanzleramtschef über die Kündigung des Vertrags mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) informiert. Scholz gibt vor, sich nicht recht erinnern zu können. Mit Braun tausche er sich öfters über seinen privaten Zugang aus. Bei anderen Mails handelt es sich lediglich um Nichtigkeiten, etwa einen Zeitungsartikel, den Scholz an Beamte weiterleitete.
Die Union ist dennoch außer sich. „Die Kommunikation, die Herr Scholz über seinen privaten Account führt, hätte er bereits mit dem bestehenden Beweisbeschluss vorlegen müssen“, schimpft CDU-Obmann Hauer. Dann behauptet Scholz noch, weitere Mails könnten deshalb nicht mehr vorhanden sein, weil er diese lösche – aus Sorge vor Hackerangriffen, wie es aus Ministeriumskreisen heißt. „Ein Minister zwischen Wegsehen und Lösch-Taste“, kommentiert Hauer.
„Herr Scholz kommunizierte mit dem Kanzleramt privat“, sagte Linken-Finanzexperte Fabio De Masi. „Kein Untersuchungsausschuss kommt offenbar ohne gelöschte E-Mails von Ministern aus. Das ist empörend!“ Die Sitzung wird für eine längere Pause unterbrochen. CSU-Politiker Hans Michelbach schlägt sogar einen Abbruch vor.
Die Abgeordneten sind auch deshalb so sauer, weil sie sich seit Langem schlecht informiert fühlen. Scholz hatte eigentlich „maximale Transparenz“ im Fall Wirecard angekündigt. Doch bereits bei der Vernehmung seines Staatssekretärs Jörg Kukies (SPD) am Mittwoch hatten Abgeordnete die Zurückhaltung von Informationen kritisiert.
Wie das Bundesfinanzministerium erst verheimlichte, dann via Twitter einräumen musste, war Kukies vorab über das umstrittene Verbot der Bafin, auf fallende Aktienkurse bei Wirecard zu wetten, informiert. Kukies schritt nicht ein und erklärte das mit der Unabhängigkeit der Bafin. Auch räumte das Ministerium erst auf mehrfache Nachfrage ein, dass Bafin-Mitarbeiter selbst mit Wirecard-Aktien spekuliert hatten.
Zu einem Abbruch der Sitzung kommt es nicht. Aber die Stimmung im Saal ist nun frostig. SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe hält Hauer vor, er soll hier keine „Pseudo-Vorwürfe“ machen, das sei doch auch bislang nicht der Stil im Ausschuss gewesen. Hauer wiederum ermahnt Scholz mehrfach, er sei kaum zu verstehen. Irgendwann reicht es dem Minister. „Ich rede so laut, wie ich immer rede. Ich kann meine Antworten auch wiederholen, damit habe ich Erfahrung.“
Einige Stunden später haben die SPD-Abgeordneten Scholz' Mail an Braun doch noch in den Aktenbergen des Ausschusses gefunden. Scholz hatte sie an seine Ministeriumsmitarbeiter weitergeleitet, damit sie diese abspeichern. SPD-Finanzpolitiker Jens Zimmermann hält die Vorwürfe der Union deshalb für „haltloses Wahlkampfgetöse“.
Umstrittene Hilfe in China
Neben der Frage, welche Verantwortung Scholz für das Versagen der Finanzaufsicht trägt, geht es auch um den Einsatz der Bundesregierung für Wirecards Expansionspläne nach China. Linken-Politiker De Masi glaubt, das Finanzministerium lege auch hier nicht die ganze Wahrheit offen. ‧Kukies habe „Unkenntnis über das Lobbying des Ministeriums für Wirecard“ vorgetäuscht, so De Masi. „Die Akten widerlegen ihn.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich auf einer Reise im September 2019 für ‧Wirecard eingesetzt, als der Konzern schon längst in den Schlagzeilen war. Vorangegangen war der deutsch-chinesische Finanzdialog, bei dem Scholz mit seinem Pekinger Kollegen um wechselseitigen Marktzugang für Finanzunternehmen verhandelt hatte. Wirecard hatte damals Interesse bekundet, auf dem chinesischen Markt aktiv zu werden. Scholz erklärte am Donnerstag, es sei „abwegig, dass Wirecard beim Finanzdialog ein Thema war“.
De Masi hält das nicht für glaubwürdig: „Der Finanzreferent an der deutschen Botschaft in Peking – der vom Bundesfinanzministerium entliehen war – ging davon aus, dass Scholz den
diplomatischen Jackpot beim deutsch-chinesischen Finanzdialog selbst verkünden wollte“, sagte er mit Bezug auf eine entsprechende E-Mail.
Positiv schätzte SPD-Politiker Zimmermann Scholz’ Ausführungen ein: „Der Bundesfinanzminister hat heute mit einem klaren und sachlichen Auftritt Stellung genommen. In der Befragung wurde schnell deutlich: Es gab kein persönliches Fehlverhalten.“ Bayaz sah einen „sorgfältig durchgeplanten Auftritt“ von Scholz, der vor allem die Kanzlerkandidatur vor Schaden bewahren solle.
Kritik an Bafin-Entscheidungen
Seinen Staatssekretär Kukies verteidigte Scholz im Ausschuss. Er würde für diesen „beide Hände ins Feuer legen“. Kritischer als Kukies äußerte sich Scholz zu den umstrittenen Maßnahmen der Bafin. Diese bezeichnete er im Nachhinein als fragwürdig. Inzwischen sei bekannt, dass Informationen der Staatsanwaltschaft München nicht tragfähig seien, die beim Leerverkaufsverbot im Frühjahr 2019 eine wichtige Rolle spielten, sagte der Minister. Damit falle die Begründung für die Maßnahme in sich zusammen. Doch auf Basis der damals verfügbaren Informationen habe sich das Ministerium richtig verhalten, sagte Scholz.
Mit einer „Bombe“ wurde Scholz im Untersuchungsausschuss trotz der heftigen Kritik vieler Abgeordneter nicht konfrontiert. Dennoch bleibt ihm nur eine kurze Atempause. Schon am 30. April muss er erneut vor den Untersuchungsausschuss – in Hamburg. Dann geht es um seine Rolle als Hamburger Bürgermeister im Steuerskandal Cum-Ex.
Mehr: „Es gab keine Vorzugsbehandlung für Wirecard“, sagt Finanzstaatssekretär Kukies
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Sind "Lernende Algorithmen" die Betrüger - neben Herrn Marsalek?
Der gestrige, 4-stündige RTL-Film über Wirecard drängte den Eindruck auf.
Danach war Herr Dr. Braun ein hochintelligenter Nichtmathematiker, der mit seinem IQ von 160 prahlte. Und der eine Geschäftsidee hatte, die an sich gar nicht schlecht war: aus den unzähligen und auch für einen intelligenten Menschen nicht zu verstehenden Kauf- und Porno.Daten abzuleiten, wie man die weltweiten Finanzströme steuern sollte. Da er selbst nur irgendwelche Ideen dazu haben konnte, gab er seiner DV-Abteilung den Auftrag, entsprechende Software-Algorithmen zu schreiben und sie entsprechend anzulernen.
Da liegt der Denkfehler: Lernende Algorithmen sollen ja schließlich lernen, was Menschen wegen ihrer beschränkten Rechen- und Lernfähigkeiten nicht verstehen können. Was heraus kommen soll, wird ihnen beigebracht. Deshalb haben sie alle Ideen ihres obersten Chefs statistisch zu bestätigen gelernt, und Dr. Braun fand sich und seine Software immer großartiger.
Natürlich ist eine unverstandene Software, die lernt, das zu bestätigen, was sie soll, ein ideales Werkzeug für Verbrecher wie Herrn Marsalek; einige weitere kriminelle Anwendungen sind schon im Werden ...
Herrn Scholz, seiner Regierung und der Bafin ist vorzuwerfen, daß sie solche betrugsaffinen Werkzeuge kontrollieren und vor ihnen warnen muß. Statt zu versuchen, den kriminellen Anwender durch Verbot von Leerverkäufen auch noch zu schützen.
Ich würde "scholzen" vorschlagen; da hört sich meiner Ansicht nach etwas eingängiger an. Aber zum Thema: Ob Herr Scholz persönliche Versäumnisse treffen, sei dahin gestellt; aber letztendlich ist er bzw. sein Ministerium für die Bafin verantwortlich. Dies ist wieder eine Behörde, die nichts sinnvolles leistet, also nicht benötigt wird. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, ob die Bafin bisher überhaupt schon etwas geleistet hat. Ein Bekannter von mir hat immerhin bei Wirecard € 80.000,-- verloren - kann man immer sagen: da ist jemand (kein Millionär) ein Klumpen-Risiko eingegangen. Ich erinnere mich noch gut, wie die Bafin Anzeige gegen die Finical-Times erstattet hat.
... man nennt das "rum-scholzen" !! Der Duden kann sich verdient machen....
Entweder ist es Schuld oder Dummheit - mir sagte man immer "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht".
Scholz ist vielleicht nur unfähig, aber seine Gedanken bezüglich Erhöhung der Steuern und Sozialismus zeigen, dass er nicht dumm ist. Persönlich gehe ich bei Scholz von Vorsatz aus, intelligente Menschen handeln bewusst. Zumindest hat Scholz die ganzen Probleme billigend im Kauf genommen - was ihn auch schuldig macht.
Erst HSH Pleite, dann Cum-Ex mit Warburg, dann G20-Treffen in HH jetzt Wirecard.... waren immer die anderen.
Sparbuch Scholz sagt: „In dem Unternehmen wurde offenbar mit hoher krimineller Energie gehandelt“.
Das alleine genügt ihm als Ausrede??? Das kann nicht sein Ernst sein!
Ich dachte die Bafin gäbe es um Unternehmen mit krimineller Energie (im Finanzsektor) zu entdecken und um kriminelle Handlungen zu verhindern. Beides ist nicht der Fall gewesen!
Ich würde das Verhalten/ die Aussagen von unserem Sparbuch Scholz eher dahin interpretieren, dass er aus mangelndem Wissen oder Inkompetenz seinen Aufgaben - der Überwachung/Prüfung der Bafin - nicht nachgekommen ist.
Wenn ich Herr Scholz ein Arbeitszeugnis ausstellen müsste, würde es in etwa so lauten:
Herr Scholz war bestrebt, die Arbeitsfähigkeit seines Bereichs zu gewährleisten. Er zeigte Interesse und war stehts bemüht arbeitsfähige Kenntnisse zu erlernen. Die ihm aufgetragenen Aufgaben versuchte er stets zeitgerecht zu lösen.