Unwetter Politik debattiert über Konsequenzen für den Katastrophenschutz

Nach dem Unwetter im Westen Deutschlands wird über Verbesserungen im Katastrophenschutz diskutiert.
Berlin Das Papier, auf das die Grünen jetzt noch einmal bei Twitter hinweisen, stammt vom August 2019 und trägt den Titel „Den Katastrophenschutz für die Klimakrise fit machen“. Die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und Innenexpertin Irene Mihalic warnen darin vor der Verschärfung der Klimakrise und damit einhergehenden Extremwetterereignissen.
Deshalb müsse beispielsweise das Ehrenamt gestärkt werden, um im Krisenfall ausreichend Helfer zu haben. Außerdem sei es erforderlich, Einsatzkonzeptionen, Ausbildung und Technik anzupassen und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) mehr Kompetenzen zu geben.
Knapp zwei Jahre später, nach den verheerenden Unwettern in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern, wird nun darüber diskutiert, was schiefgelaufen ist beim Katastrophenschutz. Und welche Konsequenzen gezogen werden sollten, damit das nächste Unwetter nicht erneut mehr als 170 Todesopfer fordert.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich bei ihrem Besuch im Katastrophengebiet im Kreis Euskirchen offen für eine automatische Katastrophenwarnung per Cell Broadcasting, wie es sie beispielsweise in den USA oder Japan gibt.
Bei einem Unwetter würden dann automatisch alle Handynutzer in der entsprechenden Region alarmiert. Dies wäre wirkungsvoller als eine App, die zunächst heruntergeladen werden müsste. Nach Angaben des BBK haben rund 8,8 Millionen Nutzer die Warn-App des Bundes (NINA) installiert.
Renaissance der Sirene
Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sprach sich dafür aus, das gesamte Warnsystem systematisch „auf blinde Flecken“ zu untersuchen, „analog wie digital“.
Merkel betonte, es müsse jetzt genau analysiert werden, was beim Katastrophenschutz und bei den Frühwarnsystemen geklappt habe und was nicht. „Vielleicht ist die gute alte Sirene nützlicher, als man gedacht hat“, sagte sie. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der Merkel begleitete, sagte, man dürfe sich nicht allein auf digitale Möglichkeiten verlassen.
So waren in vielen betroffenen Regionen Stromversorgung und Mobilfunknetz ausgefallen. Sirenen seien lange Zeit vernachlässigt worden, weil man sie für unnötig erachtet habe, da es keine Kriegsgefahr mehr gebe, sagte Laschet. Jetzt aber merke jeder, „wie vulnerabel die Gesellschaft ist, wenn der Strom plötzlich nicht mehr das ist“.
Innenausschuss berät Maßnahmen
Aus Teilen der Opposition hatte es schon am Montag heftigste Kritik am Krisenmanagement und am Katastrophenschutz gegeben. So forderte die Linke den Rücktritt von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Dieser bezeichnete die Kritik als „fast schäbig“.
Über Probleme bei den Warn- und Alarmierungsverfahren soll am kommenden Montag der Innenausschuss des Bundestags in einer Sondersitzung beraten. „Die Pandemie und diese Naturkatastrophe zeigen uns ganz klar, dass wir uns besser vorbereiten müssen, dass sich etwas ändern muss“, sagte die Ausschussvorsitzende Andrea Lindholz (CSU). Neben Seehofer habe auch BBK-Präsident Armin Schuster seine Teilnahme zugesagt.
Grünen-Innenexpertin Mihalic forderte auf Twitter, die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen beim Katastrophenschutz zu stärken. Deutschland habe zwar ein hervorragendes Netz aus Behörden und Organisationen, die im Katastrophenschutzfall handlungs- und leistungsfähig seien. Bei großen Naturkatastrophen sei aber ein besserer Informationsaustausch über Ländergrenzen hinweg nötig, hatten die Grünen im vergangenen Jahr in einem Antrag für den Bundestag gefordert.
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Außerdem müsse ein einheitliches Vorgehen gesichert sein, wenn es beispielsweise um den Einsatz knapper Ressourcen gehe. Deshalb müsse das BBK eine Zentralstellenkompetenz erhalten.
Das im März dieses Jahres vom Bundesinnenministerium vorgelegte Konzept zur Stärkung des Bevölkerungsschutzes sieht beim BBK den Aufbau eines „Kompetenzzentrums“ vor, in dem alle relevanten Stellen zusammenarbeiten sollen, ähnlich wie im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ).
Deutsche Warnsysteme für Katastrophenfälle auf dem Prüfstand
Gemeinsam mit den beteiligten Akteuren sollen auch Melde- und Informationswege verbessert werden, „um sukzessive ein 360°-Lagebild zu realisieren“, heißt es in dem Konzept. Das BBK werde beispielsweise seine Fähigkeiten im Bereich Geokompetenz weiter ausbauen, „um die Entscheidungsfindung in Krisenstäben auf allen Ebenen sichtbar zu unterstützen“.
Im Ahrtal sind derzeit immer noch rund 2.500 Kräfte im Hilfseinsatz, darunter 800 Bundeswehrsoldaten, 200 Helfer des Technischen Hilfswerks und rund 800 Feuerwehrleute, wie die für den Katastrophenschutz zuständige Landesbehörde am Dienstag mitteilte.
In einer früheren Version des Artikels war in Verbindung mit der Cell Broadcasting Warnung von einem SMS-System die Rede, das in Verbindung mit Datenschutzbedenken gebracht wurde. Dies ist so nicht korrekt und wurde deshalb korrigiert. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
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Die Überschrift mal wieder eine Datenschutzlüge.
Warnmeldungen werden über den sogenannten "Cell Broadcast" abgewickelt. Dabei wird eine Nachricht an alle im Katastrophengebiet und Mobilfunknetz befindlichen Mobilgeräte gesendet. Dabei müssen keine persönlichen Daten verarbeitet werden, denn das würde den Sendevorgang nur unnötig verlängern und unnötige Gefährdung verursachen.
Diese Technik wird aber in Deutschland nicht verfügbar, da sich darum nie politisch Bemüht worden ist.
Der Datenschutz wird hier mal wieder als Sündenbock für planerische Verfehlungen benutzt.
Dieser verdammte Datenschutz blockiert alles. Ich bin in Japan um 6:00 morgens von einem nie gehörten Alarm auf dem iphone meiner Frau geweckt worden, ganz tief im Betriebssystem verankert ohne Zutun. Kein Mensch hat micht um eine Einwilligung gefragt und das war auch genau richtig so. Paranoia hoch drei.