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Urteil Bundesarbeitsgericht lockert Regeln für Videoüberwachung

Ältere Videoaufzeichnungen aus Geschäften dürfen vor Gericht als Beleg für einen Diebstahl verwendet werden – auch wenn die Bilder nicht täglich gesichtet werden.
23.08.2018 Update: 23.08.2018 - 17:32 Uhr Kommentieren
Als Beweis für Verfehlungen dürfen künftig Überwachungsbilder häufiger genutzt werden. Quelle: dpa
Videoüberwachung

Als Beweis für Verfehlungen dürfen künftig Überwachungsbilder häufiger genutzt werden.

(Foto: dpa)

Erfurt/Berlin Arbeitgeber haben es künftig leichter, Bilder von Überwachungskameras als Beweis für Diebstähle und andere Verfehlungen von Arbeitnehmern vor Gericht einzusetzen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschied am Donnerstag, dass Videoaufzeichnungen von offen angebrachten Kameras beispielsweise in Geschäften nicht täglich kontrolliert werden müssen, um als Beleg für den Griff einer Mitarbeiterin in die Kasse zu dienen.

Der Arbeitgeber aus Nordrhein-Westfalen durfte mit der Auswertung der Aufzeichnungen solange warten, „bis er dafür einen berechtigten Anlass sah“, urteilten die höchsten deutschen Arbeitsrichter (Az: 2 AZR 133/18).

Sie kippten damit eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm und setzten neue Regeln für Videobeweise von Überwachungskameras in Kündigungsschutzverfahren.

Die Entscheidung sei „sehr überraschend und eine ziemliche Kehrtwende“, kommentierte Philipp Byers, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei Lutz Abel in München, das Urteil.

Im konkreten Fall ging es um die Frage, ob sechs Monate alte Bilder einer sichtbar installierten Überwachungskamera als Beweis für eine fristlose Kündigung statthaft sind. Das Landesarbeitsgericht hatte das mit Verweis auf den Datenschutz und Persönlichkeitsrechte verneint und die fristlose Kündigung einer Verkäuferin aus einem Tabak- und Zeitschriftengeschäft aufgehoben. Die Videobilder hätten nicht monatelang gespeichert und erst dann ausgewertet werden dürfen.

Das Urteil aus Hamm hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) keinen Bestand. „Der Beklagte (Arbeitgeber) musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten“, entschieden die Bundesrichter in ihrem Grundsatzurteil.

Danach sind Bilder einer rechtmäßig offenen Videoüberwachung als Beweis für Verfehlungen zulässig und verletzen nicht das vom Grundgesetz geschützte Persönlichkeitsrecht. Die Speicherung von Bildsequenzen, die vorsätzliche Verfehlungen von Arbeitnehmern dokumentierten, sei nicht „durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig“, erklärte der Senat.

Damit können jetzt auch länger gespeicherte Videobilder als Beweis bei Kündigungsverfahren dienen. „Da wird man sich die Urteilsbegründung sehr genau anschauen müssen“, sagte Markus Diepold von der internationalen Wirtschaftskanzlei Dentons.

„Ich bin gespannt, welche Begründung das Bundesarbeitsgericht heranzieht, um die lange Dauer der Speicherung der Videoüberwachung zu rechtfertigen.“

Denn eigentlich gilt der Grundsatz der Datensparsamkeit. Personenbezogene Daten sollten nur so lange gespeichert werden, wie sie tatsächlich gebraucht werden. Als Faustregel galt bisher, dass sie nach ein bis zwei Tagen zu löschen sind.

Auch die strengen Vorschriften der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung stünden einer gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der Klägerin im weiteren Verfahren nicht entgegen, schrieb das Bundesarbeitsgericht in der Pressemitteilung zum Urteil.

Anwalt Byers äußert hier aber Bedenken: „Wenn ich die reine Lehre auf die Datenschutz-Grundverordnung anwende, habe ich Zweifel, ob diese Aussage so haltbar ist.“ Er könne sich vorstellen, dass diese Frage irgendwann der Europäische Gerichtshof (EuGH) beantworten müsse.

Die Erfurter Bundesrichter verwiesen den Fall aus dem Jahr 2016 zur Neuverhandlung zurück an das Landesarbeitsgericht Hamm. Die Richter dort müssen nun erst einmal klären, ob die Videoüberwachung in dem Geschäft überhaupt zulässig war.

Nach Paragraf 4 des Bundesdatenschutzgesetzes ist die Überwachung öffentlicher Räume nur dann möglich, wenn sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen – etwa zum Schutz vor Diebstahl – erforderlich ist und auf die Kamera hingewiesen wird.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) widersprach der Einschätzung von Fachanwälten, dass den Arbeitgebern nun die Videoüberwachung von Beschäftigten erleichtert werde. „Die Entscheidung ist kein Freibrief für eine generelle Überwachung am Arbeitsplatz“, sagte Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Arbeitsplätze per Videokamera zu überwachen, bleibe wie bisher nur in Ausnahmefällen erlaubt.

Dass das Bundesarbeitsgericht die lange Speicherfrist erlaubt hat, sieht aber auch Buntenbach kritisch: „In Zeiten allumfassender Überwachungsmöglichkeiten braucht es eine Stärkung und keine Schwächung der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten.“

  • dpa
  • fsp
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