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Verkehr „Zu kurzfristig“, „bedauerlich“, „unverantwortlich“ – wie Wirtschaft und Politik auf die Bahn-Streiks reagieren

Dass die Lokführergewerkschaft die Erholung des Staatskonzerns Bahn und der Wirtschaft mit einem Arbeitskampf aufs Spiel setzt, sorgt für Unverständnis.
10.08.2021 - 15:28 Uhr 4 Kommentare
„Alle müssen ein Interesse daran haben, das Vertrauen in die Bahn als zuverlässiges Verkehrsmittel aufrechtzuerhalten.“ Quelle: dpa
Verkehrsminister Andreas Scheuer (l.) im Führerstand eines ICE-Testzugs

„Alle müssen ein Interesse daran haben, das Vertrauen in die Bahn als zuverlässiges Verkehrsmittel aufrechtzuerhalten.“

(Foto: dpa)

Berlin Die Lokführergewerkschaft GDL hat mit ihrer Streikankündigung für teils empörte Reaktionen aus Politik und Wirtschaft gesorgt. „Beide Tarifpartner sollten nicht vergessen, dass der Steuerzahler während Corona die Bahn mit zweistelligen Milliardenbeträgen unterstützt hat“, mahnte FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer die GDL und die Deutsche Bahn. Ohne diese hohen Subventionen hätten ein massiver Stellenabbau und Angebotseinschränkungen gedroht.

Nach einem sehr schwierigen Jahr nehme die Auslastung der Bahn gerade erst wieder zu, betonte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Sören Bartol. „Trotzdem steht die wirtschaftliche Erholung des Konzerns noch auf sehr wackeligen Beinen. Diese Erholung nicht zu gefährden sollte das Ziel aller Beteiligten sein. Schließlich sei die Bahn „das Rückgrat der Verkehrswende“.

Die GDL hat im Tarifkonflikt mit der Bahn Streiks angekündigt, nachdem in der Urabstimmung nach Gewerkschaftsangaben 95 Prozent der Mitglieder für den Arbeitskampf gestimmt hatten. Die Streiks beginnen bereits am Dienstagabend im Güterverkehr. Im Personenverkehr und in den Infrastrukturbetrieben, darunter fallen etwa die Wartung des Schienennetzes oder die Werkstätten, wollen Lokführer und Zugbegleiter von Mittwochmorgen zwei Uhr an für 48 Stunden die Arbeit niederlegen.

„Gemessen an der Stimmung in der Belegschaft könnte der Streik gar nicht lange genug dauern“, sagte GDL-Chef Claus Weselsky. Seine Gewerkschaft will eine Nullrunde im laufenden Jahr nicht akzeptieren, verlangt eine Corona-Prämie von 600 Euro und Einkommenssteigerungen von insgesamt 3,2 Prozent bei einer Laufzeit von 28 Monaten.

Rekordverlust von 5,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr

Die Bahn hat eine entsprechende Prozentsteigerung angeboten, besteht aber auf einem späteren Zeitpunkt für die Erhöhung und eine längere Laufzeit des Tarifvertrags. Die Bahn hatte im vergangenen Jahr einen Rekordverlust von 5,7 Milliarden Euro eingefahren. Nach der ersten Hälfte dieses Jahres stand unter dem Strich ein Minus von 1,4 Milliarden Euro.

„Gerade jetzt, wenn die Menschen wieder mehr reisen und die Bahn nutzen, macht die GDL-Spitze den Aufschwung zunichte, den wir in Anbetracht der massiven Corona-Schäden dringend brauchen“, kritisierte Bahn-Personalchef Martin Seiler die Streikankündigung.

Kritik kam auch von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): Die GDL zeige einmal mehr, dass es ihr vorrangig um Machtinteressen und nicht um das tatsächliche Erzielen eines Tarifkompromisses gehe, sagte Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. „Das ist nicht nur unverantwortlich, sondern gerade in diesen Zeiten auch nicht nachvollziehbar.“

Die Gewerkschaft gefährde die ohnehin schwierige Erholung der Wirtschaft in einer Zeit, in der die Betriebe Stabilität und Planungssicherheit bräuchten. „Ein verlässlicher Güterverkehr ist für die Stärkung des noch fragilen Konjunkturaufschwungs deshalb genauso zwingend wie ein reibungsloser Personennah- und Fernverkehr“, erklärte Kampeter.

„Gemessen an der Stimmung in der Belegschaft könnte der Streik gar nicht lange genug dauern.“ Quelle: dpa
GDL-Chef Claus Weselsky

„Gemessen an der Stimmung in der Belegschaft könnte der Streik gar nicht lange genug dauern.“

(Foto: dpa)

Die Lokführergewerkschaft handle unverantwortlich, „wenn sie ausgerechnet jetzt einen Streik vom Zaun bricht“, erklärten die Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB) auch mit Blick auf die Corona-Ansteckungsgefahr. Gerade zwischen der Hauptstadt und dem Umland sei die Zahl der Pendler besonders groß. „Möglicherweise überfüllte Züge sind noch immer ein Risiko“, sagte UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck.

SPD-Fraktionsvize Bartol betonte zwar, dass das Streikrecht Verfassungsrang habe. „Trotzdem rufe ich alle Akteure und insbesondere Herrn Weselsky zu konstruktiver Zusammenarbeit auf.“ Er vertraue auf eine Lösung am Verhandlungstisch, die alle Beschäftigten einschließe und auch die Kundinnen und Kunden im Blick habe.

Der Bund als Eigentümer hilft der Bahn mit Milliardenspritzen. Im Zuge des Klimapakets sollen bis zum Jahr 2030 Eigenkapitalhilfen in Höhe von elf Milliarden Euro an die Bahn fließen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nannte es „bedauerlich“, dass die Situation sich derart zugespitzt habe. „Ich appelliere ans Miteinander. Alle müssen ein Interesse daran haben, das Vertrauen in die Bahn als zuverlässiges Verkehrsmittel aufrechtzuerhalten – erst recht nach den harten Monaten der Corona-Pandemie“ sagte Scheuer.

Die Auswirkungen treffen Bahnreisende und Steuerzahler

Nachdem die Politik ein klares Bekenntnis zur Bahn abgegeben habe, sei es nun an den Tarifpartnern, ihren Beitrag zur Zukunftsfähigkeit des Konzerns zu leisten, betonte auch FDP-Fraktionsvize Theurer. „Dazu gehören neben einem maßvollen Tarifabschluss und der künftigen Bereitschaft zur Flexibilität auch massive Investitionen in die Infrastruktur.“

Nach Corona bedeute der angekündigte Streik einen weiteren schweren Schlag für die Deutsche Bahn, sagte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Oliver Luksic: „Die Auswirkungen treffen dabei vor allem Bahnreisende und Steuerzahler. Die einen werden ausgebremst, während die anderen angesichts der DB-Bilanz schlussendlich die Rechnung tragen müssen.“

Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisierte, die Streikankündigung der GDL komme „deutlich zu kurzfristig“. Die Kunden brauchten mehr Zeit, um ihre Reisen umzuplanen, sagte der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. „Ein Streik richtet sich bei der Bahn nicht nur gegen das Unternehmen, sondern auch gegen weite Teile der Bevölkerung. Viele Fahrgäste können nicht ausweichen.“

Mehr: Claus Weselsky will die Bahn-Spitze bezwingen: Das treibt den GDL-Chef an

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4 Kommentare zu "Verkehr: „Zu kurzfristig“, „bedauerlich“, „unverantwortlich“ – wie Wirtschaft und Politik auf die Bahn-Streiks reagieren"

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  • Man spricht von Digitalisierung! Zuege werden sicherer wenn wir sie automatisieren. Das
    ist sehr viel einfacher als bei Autos. Fast alle Unfaelle bei Zuegen haben ihren Grund bei
    menschlichem Versagen! Die Lokfuehrer koennen dann Broetchen und Getraenke verkaufen.

  • Natürlich sind wir schnell geneigt, angesichts von Corona die mit den Löhnen verbundene Kostenbelastung in den Vordergrund zu rücken. In der langfristigen Perspektive - gerade weil die Bahn auch eine zentrale Rolle in der ökologischen Verkehrswende einnehmen muss - sind, angesichts eines absehbaren Personalmangels bei der Bahn, attraktive Löhne und Arbeitsbedingungen ein notwendiger Anreiz. Insofern muss man der GDL vielleicht sogar dankbar sein. Auch wenn nicht anzunehmen ist, dass sie ihre Ziele nur zum Wohle der Gesellschaft verfolgt. Aber tut das schon?

  • Natürlich sind wir schnell geneigt, angesichts von Corona die mit den Löhnen verbundene Kostenbelastung in den Vordergrund zu rücken. In der langfristigen Perspektive - gerade weil die Bahn auch eine zentrale Rolle in der ökologischen Verkehrswende einnehmen muss - sind, angesichts eines absehbaren Personalmangels bei der Bahn, attraktive Löhne und Arbeitsbedingungen ein notwendiger Anreiz. Insofern muss man der GDL vielleicht sogar dankbar sein. Auch wenn nicht anzunehmen ist, dass sie ihre Ziele nur zum Wohle der Gesellschaft verfolgt. Aber tut das schon?

  • Auf diese Krokodilstränen können wir gut verzichten. Am lautesten schreien natürlich diejenigen, denen Gewerkschaften allgemein und ganz besonders natürlich deren einziges Druckmittel, nämlich Streiks, schon immer ein Dorn im Auge waren.

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