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Tornado der Bundeswehr

Für die veralteten Kampfflugzeuge lassen sich immer schwerer Ersatzteile beschaffen.

(Foto: Bundeswehr/Falk Bärwald)

Verteidigungspolitik Große Koalition will wichtige Rüstungsaufträge nicht mehr ausschreiben

Die Bundesregierung plant, Rüstungs-Großaufträge künftig nur noch national zu vergeben. Die Waffen sollen so schneller bei der Bundeswehr ankommen.
05.04.2018 Update: 05.04.2018 - 19:28 Uhr 1 Kommentar

Berlin Mehr Wettbewerb bei Rüstungsaufträgen: Das war einmal das erklärte Ziel der Bundesregierung, als diese noch die Farben Schwarz-Gelb trug. Die Neuauflage der schwarz-roten Koalition vollzieht jetzt die Wende zurück zur Industriepolitik: Wichtige Waffensysteme sollen in Zukunft nur noch in Ausnahmefällen europaweit ausgeschrieben werden.

„Ich glaube nicht, dass europäische Ausschreibungen im Verteidigungsbereich zu guten Lösungen im nationalen Sicherheitsinteresse führen“, sagte Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg (CDU) dem Handelsblatt. „Deshalb sollten auch wir zu nationalen Vergabeverfahren zurückkehren.“ Denn, so Rehberg: „Frankreich und Italien haben noch nie einen Rüstungsgroßauftrag nach außen vergeben.“ Die Hoffnung der Koalition: Neue Waffensysteme sollen schneller als bisher bei der Bundeswehr zum Einsatz kommen.

Ein nationales Vergabeverfahren bedeutet, dass die Bundesregierung mit ausgesuchten Firmen intensiv über die Umsetzung eines Auftrags spricht, um dann ohne offene Ausschreibung Zuschläge zu erteilen. Zum Zug kommen können dabei nicht nur deutsche, sondern auch europäische oder US-Firmen.

Transportflugzeuge, die nicht fliegen, U-Boote, die Ende des Jahres komplett ausfielen. Ersatzteile, die nicht mehr lieferbar sind – die Liste der Mängel bei Ausrüstung und Waffensystemen der Bundeswehr ist lang. „Es ist völlig klar, dass die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Mittel für die anstehenden Aufträge und die dringend notwendigen Ersatzbeschaffungen der Bundeswehr nicht ausreichen werden“, sagte Eckhardt Rehberg.

„Bei der Bundeswehr herrscht sichtbarer Mangel“, stellt auch der SPD-Verteidigungsexperte Thomas Hitschler fest. Rüstungsvorhaben in zweistelliger Milliardenhöhe befinden sich derzeit in Planung.

Der Sparkurs galt bis zur Annexion der Krim durch Russland

Bis zur Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 hatte für die Bundeswehr ein Sparkurs gegolten: Für kleinere Auslandseinsätze sollte sie ausgestattet sein, Bündnisverteidigung schien nach dem Kalten Krieg ohne den Feind Russland kein drängendes Thema mehr zu sein. Weltpolizei waren die USA. Seit 2014 aber fürchten die Nato-Partner Russland wieder, die USA ziehen sich zurück, und an den Nato-Außengrenzen wuchsen sich Konflikte wie in Syrien zu Kriegen aus.

Die Nato verabredete, dass ihre Mitglieder ihre Verteidigungsausgaben bis 2024 in Richtung zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigern sollen. Seither wachsen die Verteidigungsausgaben auch in Deutschland wieder – wenn auch aus Nato-Sicht noch viel zu langsam: 1,2 Prozent des BIP gibt Deutschland derzeit aus.

„Wir haben in der letzten Legislaturperiode 80 Beschaffungsvorhaben in einem Umfang von über 30 Milliarden Euro beschlossen. Das ist fünfmal so viel wie in der Periode davor“, so Rehberg. Trotzdem kämpft die Bundeswehr mit veraltetem Gerät. In dieser Legislaturperiode stehen Entscheidungen über neue Kampfflugzeuge, Panzer und Raketenabwehrsysteme an. Ein zweistelliger Milliardenbetrag, verteilt über mehrere Jahre, wird dafür fällig.

Wie Rehberg verlangt auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bereits in den laufenden Haushaltsverhandlungen mehr Geld für ihren Etat. Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels schätzt, dass der Etat von 37 Milliarden Euro im Jahr 2017 bis 2021 auf jährlich mindestens 47 Milliarden Euro gesteigert werden müsste, um die Lücken zu stopfen.

Bundeswehr-Generäle reagieren jedenfalls erleichtert auf die Ankündigung im Koalitionsvertrag, zur Industriepolitik zurückzukehren. In vertraulichen Runden ist von den Militärs zu hören, dass sie sich eine Beschleunigung im Beschaffungswesen erhoffen, wenn künftig die Experten des Koblenzer Bundeswehr-Beschaffungsamts Baainbw mit den Vertretern der Rüstungsfirmen direkt die Verträge aushandeln und Firmen für größere Aufträge gezielt zusammenbringen. Damit das Amt leichter Fachleute für seine 1500 offenen Stellen anwerben kann, soll es – wie dereinst die Arbeitsämter – in eine Agentur umgewandelt werden.

Zuletzt hatte sich die Beschaffung von Heron-TP-Drohnen verzögert, weil der in der Ausschreibung unterlegene Bewerber gegen die Vergabe geklagt hatte. „Um den Materialbedarf für Ausbildung und Einsatz schneller zu decken, wollen wir die Beschaffungsprozesse der Bundeswehr beschleunigen“, sagte SPD-Verteidigungspolitiker Thomas Hitschler.

Zwar spricht der Koalitionsvertrag eher vorsichtig davon, „zum Erhalt nationaler Souveränität bei Schlüsseltechnologien bestehende vergaberechtliche Spielräume konsequenter nutzen“ zu wollen. Zudem werde man prüfen, wie dies EU-konform besser gestaltet werden kann. Im Verteidigungs- und im Wirtschaftsministerium sind sich die Beamten allerdings sicher, dass mehr nationale Vergaben möglich sind.

Denn der Artikel 346 des Lissabon-Vertrags erlaubt den EU-Mitgliedstaaten ausdrücklich, bei der Beschaffung von Rüstungsgütern ihre „wesentlichen Sicherheitsinteressen“ wahren zu dürfen. „Die im Koalitionsvertrag dargestellte Absicht ist darauf gerichtet, den rechtlich bestehenden Rahmen mehr und häufiger auszunutzen“, heißt es im Verteidigungsministerium. Und: Militärische Schlüsseltechnologien seien „ein Indikator für ein wesentliches Sicherheitsinteresse“.

Die Koalition verspricht zudem, falls notwendig, deutsche Gesetze zu ändern, um die nationale Vergabe künftig zu erleichtern.

Einen richtigen Markt für Rüstungsgüter gibt es nicht

Einen richtigen Markt für Rüstungsgüter gibt es nach Auffassung der Industrie ohnehin nicht, Auftraggeber ist allein der Staat. „Wenn die Bundesregierung die von ihr definierten zukunftsweisenden Schlüsseltechnologien stärken will, ist die nationale Vergabe der bessere Weg“, sagte BDI-Sicherheitsexperte Matthias Wachter.

Zur Wahrheit gehört auch: Die besten Karten bei rein marktwirtschaftlich gestalteten Ausschreibungen haben fast immer US-Rüstungsunternehmen: Weil das US-Militär alle Waffensysteme auf modernstem Stand stets in großer Stückzahl bestellt, können US-Firmen meist am kostengünstigsten liefern. In Deutschland und Europa würde technologisches Know-how dann allerdings verloren gehen: Die Bundeswehr und die als Fernziel geplante Europäische Armee würden komplett abhängig von den USA.

 „Kooperationsprojekte mit europäischen oder transatlantischen Partnern setzen direkte Absprachen und Vereinbarungen zwischen den beteiligten Regierungen voraus“, so Wachter. Als Beispiel nennt er die deutsch-norwegische U-Boot-Kooperation: Sie wurde zwischen Verteidigungsministerin von der Leyen und ihrem norwegischen Amtskollegen ausgehandelt: Norwegen kauft deutsche U-Boote, bewaffnet werden sie mit einer norwegischen Rakete.

Auch wenn es demnächst um den Auftrag für ein neues deutsch-französisches Kampfflugzeug geht, das den Standard setzen soll für alle europäischen Armeen, wird Frankreichs Regierung keineswegs auf Ausschreibung setzen: Präsident Emmanuel Macron legte bereits fest, dass als Anbieter Airbus infrage kommt und nicht Dessault.

Zu den Schlüsseltechnologien Deutschlands zählen bisher neben U-Booten Kampfpanzer, Verschlüsselungstechnologien, Aufklärungssensorik und Schutztechnologien, wobei vor allem Systemfähigkeit zu berücksichtigen sei. So steht es im „Strategiepapier zur Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland“ der letzten Bundesregierung von 2015.

 Laut Koalitionsvertrag sollen Überwasser-Kriegsschiffe jetzt ebenfalls zur Schlüsseltechnologie erklärt werden.

Dieser Strategiewechsel hat bereits dazu geführt, dass die laufende europaweite Ausschreibung des Mehrzweckkampfschiffs MKS 180 wohl eine Vergabe-Mischform werden wird, ausgehandelt zwischen den Ministern Deutschlands und der Niederlande: Nachdem das deutsche Konsortium aus Lürssen und Thyssen-Krupp Marine Systems wegen des zu hohen Preises aus dem Ausschreibungsverfahren ausschied, hat der niederländische Anbieter Damen offenbar weitreichende Zusagen abgegeben, einen Großteil des Auftrags bei Blohm+Voss fertigen zu lassen. Haushälter Rehberg hofft, dass dann das Ausführungs-Engeneering großenteils in Deutschland bleibt. „Wenn wir in Richtung einer Armee der Europäer gehen, müssen wir sehen, mit wem wir Zusammenschlüsse beginnen“, sagte er.

Als weniger wahrscheinliche Alternative zur deutsch-niederländischen Kooperation kursiert in Berlin aber auch das Gerücht, dass die Ausschreibung des MKS 180 aufgehoben werden könnte, um den Auftrag dann unter den deutschen Werften aufzuteilen. Diese Variante hätte allerdings den Nachteil, dass das bisherige Verfahren gestoppt und das neue gestartet werden müsste. Die Folge wäre einmal mehr: Zeitverzug.

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1 Kommentar zu "Verteidigungspolitik: Große Koalition will wichtige Rüstungsaufträge nicht mehr ausschreiben"

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  • Folgt man nun den Drohungen unserer Rüstungs-Konzerne,die Fabrikation z.B.nach Lybien zu verlagern(Kraus-Maffay...)?Ist es nationalistische Großmann-Sucht die wieder am Aufkeimen ist?----Oder ist es lediglich dieser 2%-Satz der Begehrlichkeiten weckt?
    Nein es ist totale Dummheit gepaart mit falschem Nationalstolz,der dafür Sorge tragen wird,daß nicht nuur die
    EU in Frage gestellt ist und zerfällt-----es wird wieder die NATO-Vereinigung der kleinen Nationalen Egoisten,welche im Ernstfall nichts ausrichten wird,weil jeder wieder sein eigenes "Strick-Zeug" auspacken wird.
    Wofür sich Politk und Wirtschaft viele Jahre stark machten----ein gemeinsamer,Euro-Lebensraum,mit gemeinsamen Zielen---u.a.auch gemeinsame,standartisierte Verteidigung------soll nun fallen gelassen werden?-
    Zum Wohle der eigenen Börsen-notierten Industrie?
    Rehberg hätte in Meck-Pomm nicht einmal die Industrie-----und Schiffsbau,machen inzwischen Chinesen an
    der Ostsee-Kante!!!!(entsprechend Verlautbarungen in den Medien!)

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