Verwaltung Das sind die fünf größten Bürokratie-Ärgernisse für Unternehmer

Auch das Tesla-Werk in Grünheide muss über viele Bürokratie-Hürden steigen.
Berlin Der Bau der Tesla-Fabrik in Brandenburg zeigt, wie bürokratische Hürden Industrieprojekte bremsen. Das Genehmigungsverfahren für die Ansiedlung läuft seit Dezember 2019. Weil eine abschließende Baugenehmigung immer noch aussteht, errichtet der Konzern sein Werk über vorläufige Genehmigungen. Kommt kein endgültiges Okay für die Gigafactory, müsste Tesla das Gelände auf eigene Kosten wieder in den Ursprungszustand versetzen.
Tesla kann sich das Risiko leisten, andere Unternehmen nicht. Konzernchef Elon Musk erklärte denn auch bei seinem jüngsten Deutschlandbesuch, es sei problematisch, wenn jedes Jahr neue Vorschriften erlassen würden und sie ein Niveau erreichten, dass man gar nichts mehr unternehmen könne. Musk trifft damit den Nerv vieler Unternehmer in Deutschland.
„Lange Genehmigungsverfahren, umständliche Amtswege und verfehlte Überregulierung sind ernste Hindernisse auf dem Weg, einen Betrieb in Deutschland zu gründen oder erfolgreich weiterzuführen“, sagte die Bundesvorsitzende des Verbands „Die Jungen Unternehmer“, Sarna Röser, dem Handelsblatt. „Junge Leute, die im deutschen Behördendschungel kein Durchkommen sehen, werden sonst anderswo Unternehmen gründen oder weiterführen.“
Als größtes Bürokratie-Ärgernis für Unternehmen gilt das Baurecht. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Mitgliederumfrage der „Jungen Unternehmer“ und des Verbands „Die Familienunternehmer“, die dem Handelsblatt vorliegt. Demnach bewerten 61 Prozent der 810 befragten Verbändemitglieder den bürokratischen Aufwand in diesem Bereich als „sehr hoch“.
Der Aufwand ist auch dem Umstand geschuldet, dass sich die Firmen durch 16 verschiedene Landesbauordnungen kämpfen müssen. „Das führt zum Beispiel dazu, dass ein in Baden-Württemberg zugelassener Prüfstatiker nicht ohne Weiteres Bauvorhaben in Nordrhein-Westfalen prüfen kann, obwohl sich die Bauwerke, um die es geht, gar nicht groß voneinander unterscheiden“, sagt Johannes Ditandy von der Karl Ditandy GmbH, einem 1927 gegründeten Bauunternehmen mit Sitz in Rheinland-Pfalz.
Absurde Bauvorschriften
Es müsse dann überprüft werden, ob der Statiker auch in den entsprechenden Landeslisten geführt werde. „Andernfalls müssen wir Nachweise, Qualifikationsbescheinigungen und Eintragungsurkunden vorlegen, oder einen anderen Prüfstatiker beauftragen.“ Ditandy hält hier Verbesserungen für unabdingbar. Eine einzige Bauordnung für Deutschland wäre ausreichend, meint er. „Warum muss jedes Land sein eigenes Süppchen kochen?“ Dieser Dschungel an Vorgaben führe nur zu Kostensteigerungen.
Das deutsche Baurecht kann auch große Industrieprojekte bremsen. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) brachte die Problematik mit Blick auf das laufende Genehmigungsverfahren für das Tesla-Werk auf den Punkt. Weil Tesla den Antrag zur Genehmigung des Gesamtvorhabens um die Errichtung und den Betrieb einer Batteriefabrik erweitert hat, muss der Bauantrag erneut öffentlich ausgelegt werden.
Dies führe nach deutschem Genehmigungsrecht dazu, dass die Prüfung im ganzen Genehmigungsverfahren wieder auf null gesetzt werde und von vorn anfange, erläuterte Steinbach. „Das müssen Sie Investoren aus anderen juristischen Kulturkreisen wie Tesla erst mal vermitteln.“
Es gibt auch andere Absurditäten. Ein Architekt nennt etwa die Installation von Geländern und wählt sarkastische Worte, um den Zustand zu beschreiben: „Im Wohnbereich dürfen Menschen bereits über eine 90 Zentimeter hohe Brüstung fallen, im Gewerbebereich muss sie einen Meter hoch sein.“
An zweiter Stelle nennen die Unternehmen den Datenschutz (53 Prozent) als Bürokratiehürde. Tatsächlich leiden immer noch viele Firmen unter der seit 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Weil sich die Geschäftsprozesse durch die Vorgaben verkompliziert haben, ist der Bedarf an externer Beratung gestiegen. Außerdem fallen Mehrkosten für Mitarbeiterschulungen an.
Manche Unternehmen verbinden mit der DSGVO sogar eine Gefahr für die eigene Geschäftstätigkeit. Als Gründe nennen die Firmen, dass die Verordnung Innovativen bremst und den Einsatz neuer Technologien wie der Künstlichen Intelligenz erschwert.
Auch Belastungen durch das Steuerrecht (50 Prozent) machen den Unternehmen zu schaffen, ebenso das Arbeitsrecht (47 Prozent), das auf Platz vier rangiert und – auf Platz fünf – Energie- und Klimaauflagen (31 Prozent).
Bürokratiekosten als Hemmnis für Investitionen
Die Umfrage zeigt auch, dass zu viel Bürokratie den Industriestandort Deutschland schwächen kann. Immerhin 50 Prozent der befragten Unternehmer bewerten Bürokratiekosten und Überregulierung als größte Investitionshindernisse. Danach werden Fachkräftemangel (45 Prozent) und die Unberechenbarkeit von Finanz- und Wirtschaftspolitik (32 Prozent) genannt.
Auch der Nationale Normenkontrollrat sprach jüngst von einem Hemmnis für Investitionen. Bürokratieabbau, Verwaltungsvereinfachung und schnellere Verfahren seien eine „große Baustelle“, sagte die Vorsitzende des unabhängigen Beratergremiums der Bundesregierung, Sabine Kuhlmann, dem Handelsblatt. „Leider kommen wir da einfach nicht voran, und das blockiert immer mehr.“
In der Umfrage beklagen die deutschen Familienunternehmen auch große Probleme mit einer zu schwerfälligen öffentlichen Verwaltung. Besonders hapert es bei der Digitalisierung und der Geschwindigkeit. Hier bewerteten die Unternehmer die Leistungen der Verwaltung nur mit der Schulnote Vier.
Röser sagte: „Ein Schlüsselfaktor zur Modernisierung Deutschlands ist die Digitalisierung der Verwaltung“. Hier müssten Bund, Länder und Kommunen „endlich anpacken, statt immer nur neue Digitalisierungsversprechen abzugeben“.
Ruf nach Einführung des Unternehmenskontos
Röser forderte ein radikales Umdenken. „Geld allein wird diesen Modernisierungsprozess nicht voranbringen“, sagte sie. „Vielmehr gilt es, Denkweisen, Verwaltungsstrukturen und vor allem föderale Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu reformieren“, mahnte sie. „Die Verwaltung sollte zu einem effizienten Dienstleister für Bürger und Unternehmen werden und nicht länger ein Hindernis darstellen.“
Konkret schlug Röser etwa die flächendeckende Einführung des Unternehmenskontos als „single point of contact“ für alle Behörden- und Verwaltungsvorgänge vor. „Damit die Verwaltung sich möglichst schnell modernisiert, sollte sie mit innovativen und agilen digitalen Profis zusammenarbeiten“, fügte die Verbandschefin hinzu.
Röser schwebt auch vor, Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung zu Weiterbildungen in puncto Digitalisierung zu verpflichten. „Und mit Blick auf die Start-ups sollte die öffentliche Auftragsvergabe fairer gestaltet werden, damit auch die jungen Unternehmen zum Zuge kommen können“, sagte sie.
Gerade jetzt seien doch starke Unternehmen vor Ort nötig, so Röser, um die Folgen der Corona-Pandemie zu überwinden und die wichtigen Investitionen für eine innovative und klimafreundliche Wirtschaft zu stemmen.
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