Wahl-O-Mat 2021 These 34, Schuldenbremse - Warum das politische Instrument umstritten ist
Düsseldorf Viele Millionen Wähler nutzen den Wahl-O-Mat, um herauszufinden, welche Partei mit den eigenen Sichtweisen übereinstimmt. Laut Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB), die den Wahl-O-Mat seit 2002 herausgibt, ist die Trefferquote des Tools hoch. Demnach würden sich über 90 Prozent der Nutzer mit einer klaren politischen Positionierung genau oder in etwa bei ihrer bevorzugten Partei wiederfinden.
Gerade für Unentschlossene oder politisch wenig Interessierte kann das Tool hilfreich sein. Es bietet einen schnellen Überblick über die Wahlprogramme der einzelnen Parteien. Dazu müssen sie insgesamt 38 Thesen bewerten. Manche Aussagen erfordern jedoch ein wenig Hintergrundwissen. Dazu gehört zum Beispiel These 34. Sie lautet: „Die Schuldenbremse im Grundgesetz soll beibehalten werden.“ Was genau ist die Schuldenbremse? Und warum ist sie sinnvoll? Wieso stehen manche Ökonomen ihr kritisch gegenüber? Eine Einordnung.
Was ist die Schuldenbremse?
Die Schuldenbremse ist ein politisches Instrument, um die Verschuldung der Bundesrepublik Deutschland bis zu einem bestimmten Wert zu begrenzen. Der Wert richtet sich nach einer maximal zulässigen Nettoverschuldung. Diese ist auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt. Das wurde 2009, auf dem Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise, beschlossen. Der Bundesrat stimmte der Gesetzgebung am 12. Juni 2009 zu.
Seitdem muss das Bundesfinanzministerium die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten ausgleichen. Diese Regelung ist in Artikel 109 des Grundgesetzes verankert. So soll sichergestellt werden, dass die langfristige Tragfähigkeit der Haushalte von Bund und Ländern und die finanziellen Handlungsspielräume zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben gesichert sind. Außerdem sollen die Finanzen von Bund und Ländern stabil bleiben. Doch ob die Schuldenbremse das sicherstellt, ist umstritten.
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Die Kritik an der Schuldenbremse:
Aufgrund der anhaltenden Coronakrise sowie der Flutkatastrophe in Teilen von NRW und Rheinland-Pfalz und der damit einhergehenden Kosten für Bund und Länder steht die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form in der Kritik.
Hatte der Bund seit 2014 jahrelang Haushaltsüberschüsse, macht er seit Ausbruch der Corona-Pandemie Rekordschulden. Die Schuldenbremse lässt das in außergewöhnlichen Lagen über eine Notfallklausel zu. Bis einschließlich 2022 ist die Schuldenregel quasi suspendiert.
Doch danach müsste der Bund wieder Kredite aufnehmen. An der Schuldenbremse festzuhalten würde bedeuten zu sparen, statt zu investieren. Kritiker der Schuldenbremse verweisen darauf, dass der bestehende Investitionsstau in Deutschland nur weiter verschärft werden würde. Zudem beschert die Coronakrise dem Bund nicht nur höhere Ausgaben, sondern hinterlässt auch tiefe Spuren auf der Einnahmeseite. Die Pandemie hat die Steuereinnahmen nachhaltig nach unten gedrückt, der Bund muss vorerst mit deutlich weniger Geld auskommen als vor der Krise geplant.
Unter diesen neuen Voraussetzungen die Schuldenbremse wieder einzuhalten wird schwierig bis unmöglich. Denn die Schuldenregel erlaubt in normalen Zeiten nur eine geringfügige Verschuldung, ab 2023 etwa nur ein Minus von rund zwölf Milliarden Euro, je nach Konjunkturlage könnten es etwas mehr oder weniger sein.
Der nächste Finanzminister wird mehr Geld aus dem Bundeshaushalt in die Sozialkassen transferieren müssen, denn auch diese sind zunehmend in Schieflage. Nach der Finanzplanung des Bundes werden allein die Zuweisungen an die Rentenkasse von knapp 102 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf rund 120 Milliarden Euro im Jahr 2024 steigen. Den vollständigen Artikel lesen Sie hier: Mythos Schuldenbremse: Wie sich die Parteien von einem soliden Haushalt verabschieden
Das spricht für die Schuldenbremse:
Befürworter der Schuldenbremse verweisen darauf, dass Deutschland nur wegen der hohen Rücklagen der vergangenen zehn Jahre gut durch die Coronakrise gekommen ist. Der aus der Finanzkrise von 2009 geerbte Schuldenstand von rund 80 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung wurde wieder unter jene 60 Prozent zurückgeführt, die mit den Kriterien des Europäischen Stabilitätspakts kompatibel sind. Das war durch üppige Steuereinnahmen möglich.
Der häufig zitierte Investitionsstau wird von Befürwortern auch nicht dem mangelnden Geld, sondern fehlendem politischen Willen und falscher Priorisierung zugeschrieben. Es besteht sogar das Risiko, dass zusätzlicher Verschuldungsspielraum für alles Mögliche genutzt wird – nur nicht für Investitionen.
Zudem könnte sich die aktuelle Lage am Finanzmarkt, dass sich Staaten nahezu unbegrenzt zum Nulltarif verschulden können, in Zukunft ändern. Die Schuldenbremse könnte verhindern, dass die Haushaltspolitik so verändert wird, dass die Defizite dauerhaft bestehen bleiben. Den vollständigen Artikel lesen Sie hier: „Grundgesetzänderung öffnet Büchse der Pandora“: Ökonomen gegen Aufweichung der Schuldenbremse
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