Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl Was die nationale Steuer auf digitale Dienstleistungen bedeutet
Düsseldorf Insgesamt 38 politische Thesen behandelt der Wahl-O-Mat 2021. Manche davon lassen sich nicht intuitiv beantworten. So zum Beispiel die zehnte These. Sie lautet: „Auf den Umsatz, der in Deutschland mit digitalen Dienstleistungen erzielt wird, soll eine nationale Steuer erhoben werden.“
Um die These bewerten und einordnen zu können, müssen zunächst die Hintergründe klar sein. Denn Gegenstand der Aussage ist folgendes Problem: Digitale Konzerne verschieben ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer und zahlen in Deutschland, wo sie hohe Umsätze generieren, kaum bis keine Steuern. Wie funktioniert das?
Die Steuertricks der Big Techs
Die Politik wirft internationalen Tech-Unternehmen wie Apple oder Facebook seit Jahren Steuerflucht vor. Mitunter verschieben besagte Unternehmen bislang ihre Überschüsse an Tochterfirmen in Niedrigsteuerländern wie Irland oder Luxemburg, um nahezu steuerfrei zu operieren. In anderen Ländern werden dann keine Gewinne angemeldet.
Möglich machen das digitale Geschäftsmodelle, bei denen immaterielle Güter – zum Beispiel Musik oder Online-Werbeanzeigen – global vertrieben werden. Denn: Solche digitalen Güter und Dienstleistungen erfordern häufig keine Infrastruktur in den einzelnen Ländern. Bisher müssen Unternehmen Gewinne allerdings nur dort versteuern, wo sie physisch in Form von Fabriken oder Niederlassungen vertreten sind.
Um dieser internationalen Steuervermeidung einen Riegel vorzuschieben und das internationale Steuersystem an das digitale Business anzupassen, verständigten sich 130 Staaten im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erstmals auf eine globale Steuerreform.
Globale Steuerreform soll ab 2023 gelten
Die Finanzminister der 20 wirtschaftsstärksten Länder (G20) haben Ende Juni 2021 eine Reform beschlossen, nach der Großkonzerne ab 2023 in mindestens 130 Ländern – darunter Deutschland – eine Mindeststeuer von 15 Prozent auf die erzielten Gewinne zahlen sollen. Als Großkonzern gilt in dem Fall eine Firma, die einen Jahresumsatz von 750 Millionen Euro verzeichnet.
Neben der Mindeststeuer sieht die Reform zugleich die Einführung einer Digitalsteuer vor, die digitale Geschäfte weltweit einheitlich besteuern soll. So müssen künftig Unternehmen nicht nur in den Ländern Steuern zahlen, in denen sie beheimatet sind, sondern auch dort, wo sie Umsätze generieren.
Von der Digitalsteuer betroffen sind Unternehmen, die mindestens 20 Milliarden Euro Umsatz im Jahr sowie eine Profitabilität von mindestens zehn Prozent erzielen. Alle finalen Details zur globalen Steuerreform sollen spätestens im Oktober 2021 geklärt sein.
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Ist eine nationale Steuer auf digitale Dienstleistungen erforderlich – etwa wie in Frankreich?
Die Verhandlungen um eine weltweite Steuerreform haben sich über Jahre gezogen. Unter Ex-US-Präsident Donald Trump stellten sich beispielsweise die USA im Hinblick auf eine globale Digitalsteuer konsequent quer. Das hat dazu geführt, dass Frankreich und andere einzelne Länder nationale Lösungen erarbeiteten.
Seit Ende 2020 erhebt die französische Regierung eine Abgabe von drei Prozent auf digitale Umsätze von Unternehmen, die weltweit mindestens 750 Millionen Euro Umsatz und davon mehr als 25 Millionen Euro in Frankreich erzielen.
Da die französische Regierung nach eigenen Angaben an einer internationalen Digitalsteuer interessiert ist und an der globalen Steuerreform mitgewirkt hat, ist davon auszugehen, dass Frankreich nach Realisierung der globalen Lösung seinen nationalen Ansatz zurückfahren wird.
Auch die EU hat lange an einer europäischen Variante einer Digitalsteuer gearbeitet. Diese Pläne sind mit der Einigung auf globaler Ebene jedoch vorerst eingestellt worden. Die Bundesregierung hatte in der Hinsicht bislang keine konkreten Entwürfe auf europäischer Ebene vorgelegt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) gilt vielmehr als Antreiber der globalen Steuerreform.
Sollte diese tatsächlich 2023 in Kraft treten, ist fraglich, ob es künftig noch Sinn macht, digitales Business national zu besteuern. So ließen sich theoretisch digitale Unternehmen zur Kasse bitten, die weniger als 20 Milliarden Euro Umsatz generieren. Unklar bleibt dann, ob eine nationale Steuer in Deutschland eine zollähnliche Wirkung besitzt – und eventuell auf Gegenmaßnahmen aus anderen Ländern trifft.
Nationale Digitalsteuer: FDP dagegen, SPD, AfD, Grüne und Linke dafür
Fakt ist: Die G20-Staaten einigten sich erst nach Veröffentlichung der einzelnen Wahlprogramme der großen deutschen Parteien auf die globale Steuerreform. Während die FDP eine nationale Digitalsteuer auch vor dem G20-Beschluss abgelehnt hat, ist die Position der Union unklar. SPD, AfD, die Grünen sowie die Linke hatten sich grundsätzlich für die Einführung einer nationalen Steuer auf digitale Dienstleistungen ausgesprochen.
Ob die Pläne nun in Konkurrenz zur globalen Digitalsteuer stehen, sie sinnvoll ergänzen oder in dem Zuge obsolet sind, wird sich zeigen.
Mehr: Wegen globaler Mindeststeuer: EU rückt von Plänen für Digitalsteuer ab
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