Warnung vor AfD-Kooperation Bundes-CDU wegen Sachsen-Anhalt-Krise unter Handlungsdruck

Reiner Haseloff und Holger Stahlknecht: Streit um Rundfunkgebühr in Sachsen-Anhalt.
Berlin Im Koalitionsstreit in Sachsen-Anhalt überschlagen sich die Ereignisse. Erst wirft Ministerpräsident Reiner Haseloff seiner Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) raus, dann kündigt der den Rückzug vom Vorsitz der Landes-CDU an. Ob das im Ringen um Rundfunkbeitrag und das Verhältnis zur AfD hilft?
Fakt ist, in der CDU rumort es gewaltig. Der Zoff zeigt wie im Brennglas ein Problem, vor dem auch ein neuer Chef der Bundes-CDU im Jahr der Bundestagswahl stehen dürfte: Wie umgehen mit den Radikalen von der AfD – vor allem im Osten?
Einer, der für das Amt des Parteivorsitzenden kandidiert, hat sich am Freitag klar positioniert: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet. „Mit einer radikalen Rechtspartei darf es keinerlei Zusammenarbeit geben. Die AfD kann niemals politischer Partner sein. Es gibt Momente, in denen eine klare Haltung gefragt ist“, sagte Laschet und goutierte damit Haseloffs Durchgreifen.
Dem Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, reicht das aber noch nicht. Er verlangte von der Bundes-CDU, sich jetzt in Sachsen-Anhalt einzubringen, damit die Dinge nicht völlig aus dem Lot geraten. „Ich erwarte von der Bundes-CDU, dass sie Ministerpräsident Haselhoff bei der Stabilisierung der Koalition mit SPD und Grünen voll und ganz unterstützt“, sagte Bäumler dem Handelsblatt.
Der CDU-Politiker warnte eindringlich vor einer Annäherung der Landes-CDU an die AfD. „Eine Koalition oder eine von der AfD geduldete CDU-Minderheitsregierung ist eine unerträgliche Vorstellung“, sagte Bäumler. „Ein solches Zusammengegen wäre mit den Grundwerten der Christlich Demokratischen Union nicht vereinbar.“
Die Menschen in #SachsenAnhalt wünschen sich eine stabile Regierung unter der Führung von Ministerpräsident @reinerhaseloff. #GRÜNE und #SPD müssen in der Regierung ihrer staatspol. Verantwortung gerecht werden. Mein Beitrag in der @faznet👇⁰https://t.co/3UuUBktIF6
— Paul Ziemiak (@PaulZiemiak) December 4, 2020
Streit um Rundfunkbeitrag
Auslöser der Krise in Sachsen-Anhalt ist die anstehende Entscheidung über die Erhöhung der Rundfunkgebühren um 86 Cent auf monatlich 18,36 Euro. Haseloff hatte dem dafür nötigen Staatsvertrag im Kreise der 16 Ministerpräsidenten bereits zugestimmt, aber immer betont, dass er Probleme bei der Umsetzung im Landtag in Magdeburg haben werde. Denn neben der AfD will auch ein Teil der CDU-Fraktion nicht für die Erhöhung stimmen. Die ursprünglich kritische Linkspartei hatte ihre Position geändert.
Im Koalitionsvertrag der Koalition von CDU, SPD und Grünen ist eine „Beitragsstabilität“ beim Rundfunkbeitrag festgelegt. „Auch mit der geplanten moderaten Erhöhung gibt es Beitragsstabilität. Mit den 86 Cent mehr im Monat wird nicht einmal die Inflationsrate ausgeglichen“, begründete der Grünen-Vorsitzende von Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel, in den RND-Zeitungen, warum Grüne und SPD dennoch für eine Erhöhung sind. Beide Parteien haben die CDU davor gewarnt, die Erhöhung zusammen mit der AfD zu Fall zu bringen.
Streit um #Rundfunkbeitrag eskaliert: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident #Haseloff entlässt Innenminister #Stahlknecht. Grund: Unabgestimmtes Interview, in dem Stahlknecht eine #CDU-#Minderheitsregierung ins Spiel bringt.- https://t.co/4KAtn8j80h #afd
— Dietmar Neuerer (@dneuerer) December 4, 2020
Auch Ministerpräsidenten wie Markus Söder (Bayern, CSU) und Michael Müller (Berlin, SPD) hatten betont, dass es keine Nachverhandlungen an dem Staatsvertrag gebe werde, und hatten Sachsen-Anhalt zu einer Zustimmung aufgefordert. Die Gebührenerhöhung bedarf der Zustimmung aller 16 Landesparlamente.
Die Sachsen-Anhalt-CDU erklärte indes, dass sie unerbittlich bleibe. „Es wird keine Erhöhung mit der CDU geben! Daran ändert sich auch nichts“, hieß es in der Mitteilung. Die Christdemokraten hofften auf eine Verständigung bis zum vertagten Landtagsmedienausschuss am Mittwoch.
Stahlknecht verteidigt sein Vorgehen
Gleichzeitig stärkte der CDU-Vorstand dem Regierungschef den Rücken: „Wir haben eine stabile und handlungsfähige Landesregierung, die, dank unseres Ministerpräsidenten Dr. Reiner Haseloff, in dieser schwierigen Zeit eine verlässliche und erfolgreiche Arbeit für unser Bundesland leistet. Die Union ist und bleibt der Stabilitätsanker in der Regierungsarbeit.“
Anlass für den Rauswurf Stahlknechts war ein Interview der „Magdeburger Volksstimme“ mit ihm zum Koalitionsstreit um den höheren Rundfunkbeitrag gewesen. Der CDU-Landeschef hatte darin nicht nur ausgeschlossen, dass seine Partei von ihrem Nein zu einem Beitragsplus abrückt, sondern die Kritik unter anderem auch mit dem Bild Ostdeutschlands in den öffentlich-rechtlichen Sendern und einer Berichterstattung mit dem „erhobenen Zeigefinger der Moralisierung“ gerechtfertigt.
Gleichzeitig hatte Stahlknecht verkündet, im Falle eines Auseinanderbrechens der Magdeburger Koalition mit einer CDU-Minderheitsregierung bis zur regulären Landtagswahl im Juni 2021 weitermachen zu wollen. Er wies den Vorwurf zurück, die Christdemokraten würden mit ihrem Nein zum höheren Rundfunkbeitrag der ebenfalls ablehnenden AfD den Weg ebnen. Er stehe zu der Aussage: keine Koalition und keine strategische Zusammenarbeit mit der AfD, so Stahlknecht.
Heute gilt erst recht wie an jedem Tag in @sachsenanhalt:#keinenMillimeternachrechts pic.twitter.com/G5JOjlHNYb
— Dr. Katja Pähle (@KatjaPaehle) December 4, 2020
Letztendlich war es die Erwägung einer CDU-Minderheitsregierung, die den Ministerpräsidenten dazu bewogen, seinen Landesvorsitzenden aus dem Kabinett zu werfen. Haseloff hatte eine Minderheitsregierung stets abgelehnt und angekündigt, die Koalition aus CDU, SPD und Grünen bis ans Ende der Legislaturperiode im kommenden Sommer anführen zu wollen. Dass Stahlknecht die Option trotzdem nannte, erschütterte das Vertrauensverhältnis nach Angaben der Staatskanzlei so schwer, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich war.
In seiner Erklärung vom Freitagabend rechtfertigte Stahlknecht die Aussagen aus dem Gespräch. „Dieses Interview war in Inhalt und Form für meine Partei und mich selber richtig“, schrieb Stahlknecht. „Dazu stehe ich.“ Er habe in dem Gespräch mit der Zeitung „als Landesparteivorsitzender der CDU Sachsen-Anhalt die aktuelle und eindeutige Beschlusslage meiner Partei, sowie als Fraktionsmitglied, die Meinung meiner Fraktion wiedergegeben“, erklärte Stahlknecht.
FDP: Neue CDU-Führung muss Verhältnis zur AfD klären
In der CDU Sachsen-Anhalt gibt es seit längerem einen Richtungskampf. Stahlknecht wollte eigentlich Spitzenkandidat der CDU bei den Landtagswahlen werden, stieß damit aber auf erheblichen Widerstand. Deshalb entschied Ministerpräsident Haseloff, der ein strikter Gegner jeder Zusammenarbeit mit der AfD ist, erneut anzutreten. AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner bezeichnete die Kenia-Fraktion als „Trümmerhaufen“. Er warf Haseloff eine Kurzschlussreaktion vor.
Die FDP sieht nun den künftigen Vorsitzenden der Bundes-CDU am Zug, sich in der AfD-Frage deutlich zu positionieren. „Sachsen-Anhalt zeigt, dass es eine der vordringlichsten Aufgaben einer neuen CDU-Führung sein muss, das Verhältnis zur AfD zu klären“, sagte Generalsekretär Volker Wissing dem Handelsblatt.
„Die offene Machtfrage, wie es die #CDU mit der AfD hält, kann nur die CDU selbst klären.“ – @SusanSziborra https://t.co/K44rH2rIU9 #Stahlknecht #Rundfunkbeitrag
— GRÜNE Sachsen-Anhalt 😷 (@GRUENE_LSA) December 4, 2020
Die „sachsen-anhaltinischen Chaostage der CDU“ müssten nun schnellstmöglich beendet werden. „Es ist unverantwortlich, dass die Union für einen Flirt mit der AfD mitten in einer Pandemie die eigene Landesregierung gefährdet“, kritisierte der FDP-Politiker. „Das ist Ausdruck einer politischen Verantwortungslosigkeit, die ihres gleichen sucht.“
Mehr: Was die Sachsen-Anhalt-Krise für die Bundes-CDU bedeutet.
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