Wasserstoff Union wirft Umweltministerin Schulze mangelnden Ehrgeiz im Verkehrssektor vor

Auf Basis von Wasserstoff hergestellte Kraftstoffe können einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Berlin Normalerweise verlaufen die Fronten beim Klima- und Umweltschutz in der Große Koalition klar: Wenn Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) einen Vorschlag macht, warnen Teile der Unionsfraktion, die Ministerin gehe mit ihren Plänen zu weit und gefährde Wachstum und Arbeitsplätze.
Doch diesmal liegen die Dinge anders. Führende Vertreter der Unionsfraktion werfen der Ministerin vor, bei der Umsetzung der zweiten Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (Renewable Energy Directive II, kurz RED II) in nationales Recht zu wenig Ehrgeiz an den Tag zu legen.
Die Fraktions-Vizevorsitzenden Georg Nüßlein, Gitta Connemann, Ulrich Lange und Carsten Linnemann sowie der wirtschaftspolitische Sprecher Joachim Pfeiffer machen sich in einem gemeinsamen Schreiben für Änderungen an dem Gesetzesentwurf stark. Die Adressaten: die Bundesminister Peter Altmaier (Wirtschaft), Helge Braun (Kanzleramt), Julia Klöckner (Landwirtschaft) und Andreas Scheuer (Verkehr). Schulzes Gesetzentwurf befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung.
Die Union kritisiert insbesondere die von Schulze vorgesehene Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) von 16 Prozent bis 2030. Der Wert sei „bei Weitem nicht ausreichend“, heißt es in dem Brief der Unionspolitiker, der dem Handelsblatt vorliegt.
Es sei „ebenso unverständlich, dass sich bis 2024 an der derzeit bereits bestehenden Quote von sechs Prozent erst einmal nichts ändern soll“. Das Umweltressort nehme damit in Kauf, dass sich in den kommenden Jahren „nahezu nichts“ bei der Treibhausgasminderung der Antriebsenergie im Verkehr bewegen werde.
Die Argumentation, es fehle noch an Produktionskapazitäten für nachhaltig erzeugte Biokraftstoffe, wollen die Verfasser des Briefs nicht gelten lassen. Investitionen in weitere Produktionskapazitäten würden nur dann erfolgen, wenn Unternehmen die Gewissheit hätten, dass ihre Produkte auch von den Mineralölunternehmen zur Erfüllung ihrer Quotenverpflichtung nachgefragt würden.
Eine Chance auch für fortschrittliche Biokraftstoffe
„Für das Erreichen der CO2-Reduktionsziele im Verkehrssektor gilt es jetzt, die richtigen Weichen zu stellen – und zwar gleichzeitig und gleichermaßen für Strom, Wasserstoff und seine Folgeprodukte sowie insbesondere fortschrittliche Biokraftstoffe“, schreiben die Verfasser des Briefes.
In diesem Kontext kritisieren die Autoren auch die aus ihrer Sicht unzureichende Mindestquote von zwei Prozent bis 2030 für synthetisches Kerosin, das auf der Basis von Wasserstoff hergestellt wird. „Mit diesen geringen Mengen im eng begrenzten Sektor des Flugverkehrs lässt sich keine Wasserstoffwirtschaft in Deutschland etablieren. Hier ist deutlich mehr Ambition erforderlich“, heißt es in dem Brief.
Eine richtig ausgestaltete THG-Quote unterstütze die Elektromobilität mit Batterie und Brennstoffzelle und sei gleichzeitig ein wesentlicher Schlüssel für eine klimaverträgliche Verbrennungstechnologie im Fahrzeugbestand. „Wir können es uns nicht leisten, vorhandene Optionen der Treibhausgasreduktion im Verkehr zu vernachlässigen“, schreiben die Unionspolitiker.
Hinter der Kritik verbirgt sich ein Grundsatzstreit. Umweltministerin Schulze betont, dass sie im Pkw-Bereich batteriebetriebene Lösungen als Mittel der Wahl ansieht, weil sie die Herstellung synthetischer Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis für ineffizient hält.
Auch Verbände üben Kritik
Die Unionspolitiker dagegen sind davon überzeugt, dass auch klimaneutrale Kraftstoffe, die auf der Basis von Wasserstoff hergestellt werden, eine Chance verdienen.
Sie haben dabei insbesondere den Fahrzeugbestand im Blick. Tatsächlich könnten 2030 noch 40 Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in Betrieb sein. Es dränge sich der Eindruck auf, so schreiben die Unionsabgeordneten, dass die Entwicklung klimafreundlicher gasförmiger oder flüssiger Kraftstoffe zugunsten einer „ausschließlichen direkten Stromverwendung im Verkehr bewusst ausgebremst werden soll“.
Auch Teile der Wirtschaft sehen den Entwurf kritisch. So hatten beispielsweise Maschinenbauer und Automobilindustrie moniert, der Entwurf bleibe weit hinter den Erwartungen zurück. Noch im Juni sei mit der Nationalen Wasserstoffstrategie angekündigt worden, den Mindestanteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch des Verkehrssektors signifikant über die EU-Vorgaben hinaus zu erhöhen, heißt es beim Maschinenbauverband VDMA. Dieses Ziel werde in dem Entwurf deutlich verfehlt. So würden Wasserstoffwirtschaft und Brennstoffzellentechnologie abgewürgt.
Dabei hat Schulze ihren Entwurf bereits nachgebessert. In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt hatte sie vor gut zwei Wochen angekündigt, für das Jahr 2030 einen Zielwert von 20 Prozent für den energetischen Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor (Schiene, Straße, Luft) in dem Gesetz festschreiben zu wollen. Zuvor hatte sie lediglich einen Zielwert von 14 Prozent für 2026 vorgesehen. Die Quote für den energetischen Anteil erneuerbarer Energien ergänzt die THG-Quote, die sich allerdings nur auf den Straßenverkehr bezieht.
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