What's right? Die SPD dilettiert, die CDU schläft

Der Journalist war Chefredakteur der Tageszeitung „Die Welt“, des Politikmagazins „Cicero“ und des „Focus“. Er bezeichnet sich selbst als wertkonservativ.
„Groko” hat es zwar zum Wort des Jahres gebracht. Eine superlative Regierung ist sie noch lange nicht. Trotz sehr langer und angeblich sehr gründlicher Koalitionsverhandlungen ist die Große Koalition nach 100 Tagen noch nicht richtig im Amt. In manchem gibt es sogar verblüffende Parallelen zum holprigen Start der schwarz-gelben Koalition vor vier Jahren. Während seinerzeit nach wenigen Wochen zwischen den Koalitionspartnern von „Gurkentruppe” und „Wildsauen” die Rede war, hat diesmal die Edathy-Affäre – kaum war die Tinte auf dem Koalitionsvertrag getrocknet – das Vertrauen der Koalitionäre schwer ramponiert. „Dampfplauderer” und „Vertrauensbrecher” lauten nun die verbalen Komplimente.
Genau wie vor vier Jahren gab es auch diesmal einen Blitzrücktritt. Seinerzeit musste Verteidigungsminister Franz Josef Jung nach wenigen Wochen sein Amt quittierten, diesmal erwischte es Agrarminister Hans-Peter Friedrich in Windeseile. Die erste Zerreißprobe für die Koalition gab es – damals wie heute – noch bevor alle Staatssekretäre neu bestellt waren.
Aber auch das sachpolitische Gezänk wirkt wie ein Déjà-vu. Die Doppelpass- und Elterngeldpläne der SPD provozierten die Union zu Drohgebärden, die militär-politische Offensive der neuen Verteidigungsministerin wiederum brachte Sozialdemokraten in Wallung. Erstaunlich unausgegoren sind die großen Reformprojekte der Großen Koalition – just wie seinerzeit die Steuerreformvorhaben von Schwarz-Gelb. Bei Rente, Mindestlohn und Energiewende werden die vorliegenden Regierungskonzepte von Fachleuten weiträumig negativ beurteilt, so dass im Publikum der Eindruck entsteht, es sei wirklich wie einst mit der Laienspielschar der FDP-Boy-Group.
Nach Umfragen wird die Regierungsarbeit eher schlecht als recht bewertet – 55 Prozent der Deutschen sind weniger oder gar nicht zufrieden mit den ersten 100 Tagen der Koalition. Auch das liegt genau in der Nähe der Werte von vor vier Jahren.
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Und damals wie heute überrascht die mangelnde Geschmeidigkeit, mit der politische Hauptprojekte angegangen werden. Der Mindestlohn wäre mit bedachten Ausnahmeregeln klug entschärft und würde nicht Tausende von Arbeitsplätzen und Millionen von Einstiegschancen bedrohen. So aber dräut Deutschland die ordnungspolitische Lohnzwangsjacke und ein erster sachlicher Großfehler der Regierung.
Die Rente mit 63 hat sogar das Zeug zur Hotelier-Steuersenkung der SPD zu werden. Nicht nur die Wirtschaftsverbände, Ökonomen und der gesunde Menschenverstand zweifeln an dem Versuch, die demografische Entwicklung per Dekret auszuschalten. Auch SPD-Ex-Kanzler Gerhard Schröder warnt seine eigene Partei eindringlich vor dem Fehler, die Erfolge der Agendapolitik ohne Not jetzt zu opfern.
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