Wiederaufbau Bundesregierung plant schnellen Fluthilfefonds in Milliardenhöhe und Aussetzung der Insolvenzpflicht

Die Menschen in den stark von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Regionen sollen schnell Unterstützung erhalten.
Berlin Bund und Länder planen einen milliardenschweren Hilfsfonds, um den Wiederaufbau nach der verheerenden Hochwasserkatastrophe finanziell abzusichern. „Aktuell laufen die Vorbereitungen für einen Nationalen Wiederaufbaufonds, der vom Bund und der Ländergemeinschaft getragen werden soll“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) dem Handelsblatt. Dies solle sehr zügig bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 10. August beraten und anschließend per Bundesgesetz umgesetzt werden.
Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach sich für eine Regelung per Bundesgesetz aus. „Damit ist für alle, die jetzt auf Geld warten, gesichert, dass dieses Geld auch kommt.“
Das Vorgehen sei grundsätzlich schon zwischen Bund und Ländern abgesprochen, erfuhr das Handelsblatt aus Regierungskreisen. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) unterstützt den Plan. Am Mittwoch soll im Bundeskabinett darüber beraten werden. Eine formale Entscheidung könnte dann bei der Kabinettssitzung am 18. August fallen. Anschließend würde der Bundestag in einer Sondersitzung der Einrichtung des Fonds zustimmen.
Laschet und Scholz sicherten bei einem gemeinsamen Besuch in der von der Flut schwer getroffenen Stadt Stolberg bei Aachen schnelle Hilfe zu. „Wir werden das gemeinsam machen“, sagte Scholz. Der Bund werde in diesem Zusammenhang auch die Insolvenzantragspflicht für Firmen aussetzen, vor allem in den betroffenen Gebieten im Westen Deutschlands. In der Corona-Krise war die Insolvenzantragspflicht ebenfalls ausgesetzt worden, um damit Firmen zu helfen.
Auch Laschet betonte den Bund-Länder- sowie parteiübergreifenden Ansatz bei der Wiederaufbauhilfe in den Katastrophenregionen. In Nordrhein-Westfalen seien bereits 215 Millionen Euro an Soforthilfen von Bund und Land ausgezahlt worden.
Der Aufbaufonds aus dem Jahr 2013 dient als Vorbild
Schon bei der Flutkatastrophe im Jahr 2013 hatten Bund und Länder zunächst mit Soforthilfen reagiert und dann einen langfristigen Hilfsfonds mit einem Volumen von knapp acht Milliarden Euro aufgelegt, aus dem bisher rund sechs Milliarden Euro abgerufen worden sind. An diesem Vorgehen will man sich nun orientieren.
Laschet fordert bundesweite Solidarität für die Finanzierung von Flutschäden
Das Volumen des nun geplanten Wiederaufbaufonds steht noch nicht fest. Der Bundesfinanzminister geht davon aus, dass der Wiederaufbau mehr als sechs Milliarden Euro kosten kann. In etwa diese Summe sei bisher für die Wiederaufbauarbeiten nach der letzten großen Hochwasserkatastrophe im Jahre 2013 ausgegeben worden, sagte der SPD-Kanzlerkandidat. Doch die Schäden in NRW und Rheinland-Pfalz überträfen wahrscheinlich das Ausmaß dessen, was damals in elf Bundesländern zu verzeichnen gewesen sei.
„Die Verwüstung durch die Flutkatastrophe in den betroffenen Regionen im nördlichen Rheinland-Pfalz ist unfassbar“, sagte Dreyer. Wichtig sei jetzt, für die betroffenen Menschen schnell und verlässlich Klarheit über den Wiederaufbau zu schaffen.
Das versprach auch Finanzminister Scholz. „Wir wollen allen helfen beim Wiederaufbau, beim Ersatz der Schäden – und darum geht es ja auch um Milliarden“, sagte Scholz. Was niemand wieder gutmachen könne, seien dagegen die zerstörten Leben, die zerstörte Gesundheit und alles das, was die Katastrophe in den Herzen und Köpfen der Menschen angerichtet habe. „Aber das, was man mit Geld in Ordnung bringen kann, das werden wir mit Geld in Ordnung bringen.“
Bereits in den vergangenen Tagen hatte es Gespräche zwischen Bund und Ländern über die Ausgestaltung der Hilfe gegeben. Zwei Optionen waren grundsätzlich möglich: Im Bundeshaushalt könnten Mittel für die Zahlungen reserviert werden. Allerdings war dies den Ländern zu unsicher, etwa mit Blick auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Deshalb entschied man sich für den Weg eines Fonds. Der Zweck dieses Sondervermögens ist dann per Gesetz festgelegt.
Länder zeigen sich solidarisch
Offen ist noch die genaue Ausgestaltung des Fonds. Wahrscheinlich ist, dass Bund und Länder jeweils die Hälfte der Kosten übernehmen. Nach Möglichkeit sollen sich alle 16 Bundesländer solidarisch beteiligen. Darüber dürfe am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz am 10. August gesprochen werden.
Bei einer Umfrage des Handelsblatts unter allen Ländern äußerten diese nach der Flutkatastrophe die Absicht, sich an der Hilfe zu beteiligen. Das Flut- beziehungsweise Starkregenereignis betreffe schon allein wegen des zu erwartenden Schadensausmaßes den Gesamtstaat, teilte der Berliner Finanzsenat auf Anfrage mit. „Dieser steht als Solidargemeinschaft zusammen.“
Bund und Länder seien sich einig, den Wiederaufbau der vom Hochwasser betroffenen Gebiete solidarisch zu unterstützen, hieß es auch aus dem Finanzministerium in Dresden. „Für Sachsen, das im Zuge der vergangenen Hochwasserkatastrophen selbst große Solidarität vom Bund und den anderen Ländern erfahren hat, ist es selbstverständlich, sich an der geplanten Wiederaufbauhilfe zu beteiligen.“
Das saarländische Finanzministerium teilte mit, man sehe die Notwendigkeit einer bundesstaatlichen Unterstützung für die am schwersten von den Unwettern betroffenen Länder und sei bereit, sich an einer solidarischen Hilfsaktion von Bund und Ländern zu beteiligen.
Auch Sachsen-Anhalt zeigt Solidarität: Der Bund und die anderen Bundesländer hätten Sachsen-Anhalt bei den schweren Elbe-Hochwassern 2002 und 2013 enorm unterstützt. „Ohne diese Solidarität im Bundesstaat hätten wir die Folgen der Katastrophen nicht bewältigen können“, teilte das Finanzministerium in Magdeburg mit. „Es ist für uns selbstverständlich, dass wir Solidarität zeigen und uns an einem Bund-Länder-Fonds zur Fluthilfe beteiligen“, betont auch die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold (Grüne).
Mehr: Jetzt offenbart sich Laschets Schwäche – ein Kommentar
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Schon im letzten NRW Wahlkampf hatte Laschet keinen Hehl daraus gemacht, daß ihm eine Koalition mit der SPD am liebsten wäre.
Laschet und Scholz zur selben Zeit an ein und demselben Ort und das mitten im Wahlkampf. Ich glaube, da arbeitet man an einer Fortsetzung, der sog. "Großen Koalition".
Das muß nicht schlecht sein.