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Wirtschaftsgipfel „Freunde machen gelegentlich Fehler“: Wie der Neustart der transatlantischen Partnerschaft gelingen soll

Die EU-Spitzenvertreter Vestager und Dombrovskis haben klare Erwartungen an den Wirtschaftsgipfel mit den USA. Es gehe um „Standards und Regeln für das 21. Jahrhundert“.
26.09.2021 - 19:00 Uhr Kommentieren
In Pittsburgh findet das hochkarätige Treffen zwischen der EU und den USA statt. Die amerikanische Großstadt hat den Wandel von der Schwerindustrie in die Dienstleistungsgesellschaft bewältigt. Quelle: AP
Skyline von Pittsburgh

In Pittsburgh findet das hochkarätige Treffen zwischen der EU und den USA statt. Die amerikanische Großstadt hat den Wandel von der Schwerindustrie in die Dienstleistungsgesellschaft bewältigt.

(Foto: AP)

Brüssel Dem Programm zufolge geht es um die Stärkung der gegenseitigen Investitionsverbindungen und um Absprachen bei der Regulierung von Künstlicher Intelligenz (KI). Tatsächlich aber geht es um sehr viel mehr, wenn am Mittwoch in Pittsburgh das Auftakttreffen des „EU-US Trade and Technology Council (TTC)“ stattfindet.

Es ist das wohl bedeutendste wirtschaftspolitische Projekt, zu dem sich die Europäer und die Amerikaner seit dem Scheitern der Verhandlungen über eine transatlantische Freihandelszone im Jahr 2016 aufgerafft haben. Es ist der Versuch, die lädierte Partnerschaft zu reparieren und überhaupt wieder eine Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA zu finden. 

Die EU-Delegation wird von der Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager, und ihrem Amtskollegen Valdis Dombrovskis angeführt. Vor ihrer Abreise umrissen die beiden in einem Interview mit ausgewählten Medien die Erwartungen der Europäer. Die vergangenen Tage seien „herausfordernd“ gewesen, räumte Vestager ein. Die europäische Seite empfinde Solidarität mit Frankreich: „Aber wir sind auch davon überzeugt, dass das Treffen ein sehr gutes Signal ist.“ 

Vestager spricht an, was Brüssel in der vergangenen Woche in Atem gehalten hat. Aus Empörung über den neuen Pazifikpakt Aukus, den die USA geschlossen haben, ohne Paris zu konsultieren, und der Frankreich einen lukrativen U-Boot-Deal kostet, verlangte die französische Regierung eine Vertagung des Treffens.

Doch bei allem Verständnis über die Verärgerung Frankreichs wollten die meisten anderen EU-Staaten an dem Termin mit den USA festhalten. Auch die atlantisch orientierten Vestager und Dombrovskis sehen wenig Sinn darin, TTC zum Spielball in einer geopolitischen Auseinandersetzung zu machen. Das Projekt sei eine europäische Idee, erläuterte Vestager.

EU betont strategische Bindung an die USA

Als „globale Führungsmacht“ in Handels- und in Regulierungsfragen könne die EU in diesem Forum ihre Stärken ausspielen. Dombrovskis hob die „geopolitische Bedeutung“ der Konsultationen mit den Amerikanern hervor, TTC sei ein Vehikel, um „Standards und Regeln für das 21. Jahrhundert“ zu setzen. Die USA und die EU seien „Alliierte, Partner und Freunde“, unterstrich Dombrovskis. „Freunde machen gelegentlich Fehler“, aber das dürfe nicht „unser Urteilsvermögen darüber eintrüben, wo unsere strategische Bindung liegt“.

Auch die USA, die ihren außenpolitischen Fokus aus Sorge über die wachsende Macht Chinas auf den Pazifik richten, wollen die Spannungen mit Europa deeskalieren. Entsprechend hochrangig werden Vestager und Dombrovskis in Pittsburgh empfangen. Neben der Handelsgesandten Katherine Tai und Wirtschaftsministerin Gina Raimondo nimmt auch Außenminister Antony Blinken an den Gesprächen teil.

Der Tagungsort ist mit Bedacht gewählt. Pittsburgh war einst ein Zentrum der amerikanischen Schwerindustrie. Die Transformation war hart, aber sie war erfolgreich. Heute ist Pittsburgh ein Standort der Wissensökonomie und ein Vorbild für wirtschaftliche Renaissance im amerikanischen Rostgürtel. „Pittsburgh illustriert den Zweck des Treffens“, sagte Vestager. Der Stadt sei es gelungen, eine fossile Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich in eine „emissionsarme Hightech-Wirtschaft“ zu verwandeln, lobte sie.

Doch die erkennbaren Bemühungen, die Stimmung vor dem Wirtschaftsgipfel zu heben, dürften kaum ausreichen, um die grundlegenden Konflikte beizulegen. Zu tief ist in Europa die Enttäuschung über die Politik der US-Regierung von Präsident Joe Biden, die europäische Diplomaten schon als Fortsetzung der „America first“-Doktrin von Donald Trump deuten. 

In Pittsburgh führt die Wettbewerbskommissarin die Verhandlungen der EU mit den USA.
Margarethe Vestager

In Pittsburgh führt die Wettbewerbskommissarin die Verhandlungen der EU mit den USA.

Zuerst verärgerten die Exportschranken für medizinische Güter die Europäer. Dann schockierte der überhastete Abzug der US-Truppen aus Afghanistan und nun der zulasten von Frankreich geschlossene Aukus-Deal mit Australien und Großbritannien die Europäer. Hinzu kommt der ungelöste Streit über US-Zölle auf Stahl und Aluminium.

Auf US-Seite wiederum gibt es Frust über die ambivalente Haltung der Europäer zu China. Aus Washingtoner Sicht bedroht das autoritäre chinesische Regime nicht nur die globale Vormachtstellung der USA, sondern mit seinem Streben nach Technologieführerschaft die Demokratie und freie Märkte insgesamt.

Daher wollen sie die EU als Partner für eine Eindämmungspolitik gewinnen. Doch die Europäer sträuben sich. Vestager und Dombrovskis stellten klar, dass sie TTC nicht als Anti-China-Pakt sehen. „Unsere Ambition erschöpft sich nicht in der Ablehnung einer dritten Partei“, sagte Vestager.

Allerdings nennt die Abschlusserklärung, ein Entwurf liegt dem Handelsblatt vor, „unlautere Handelspraktiken, insbesondere solche, die von Nichtmarktwirtschaften ausgehen und das Welthandelssystem untergraben“. Diese Formulierung zielt eindeutig auf China ab. 

Die USA und die EU sind „Alliierte, Partner und Freunde“, so der EU-Kommissar. Quelle: POOL New
Valdis Dombrovskis

Die USA und die EU sind „Alliierte, Partner und Freunde“, so der EU-Kommissar.

(Foto: POOL New)

Auch mit dem gegenseitigen Informationsaustausch bei der Kontrolle von Exporten und der Überprüfung von Investoren, den Europäer und Amerikaner in Pittsburgh beschließen wollen, senden sie ein Signal an Peking: Gemeinsam wollen die westlichen Partner verhindern, dass kritische Technologien an das chinesische Regime fallen. 

Zuletzt war in Italien die verdeckte Übernahme eines Militärdrohnenherstellers durch chinesische Investoren aufgeflogen. Ein Fall, der Erinnerungen an die Übernahme der deutschen Roboterfirma Kuka weckt und erneut verdeutlicht, wie strategisch die Chinesen vorgehen, um an begehrtes Know-how zu kommen. Die Vereinbarung, bei der Verhinderung solcher Übernahmen stärker zusammenzuarbeiten, ohne die grundsätzliche Offenheit der europäischen und der amerikanischen Wirtschaft infrage zu stellen, dürfte die US-Regierung zufrieden stimmen. Fürs Erste zumindest.

Europäer machen sich für Bürgerrechte stark

Die Europäer wiederum weisen darauf hin, dass die „Pittsburgher Erklärung“ in Bereichen wie KI und Wettbewerbskontrolle ihre Handschrift trägt. Denn die Gefahr für die Demokratie geht nach Auffassung der EU nicht nur von China aus, sondern auch von Missbrauch in demokratischen Ländern selbst.

„Demokratien müssen sich klar darüber werden, welche Wirkungen von neuen Technologien ausgehen, damit die Digitalisierung nicht die Demokratie untergräbt“, sagte Vestager und verwies auf den Gesetzesvorschlag der EU zur KI-Regulierung. „Wir wollen biometrische Massenüberwachung und Social-Scoring-Systeme verbieten, weil wir der Auffassung sind, dass diese Praktiken kein Zuhause in einer Demokratie haben sollten.“

Gerade in dieser Frage habe es gute Gespräche mit den Amerikanern gegeben, die ähnliche Sorgen hätten. Auch deshalb sei es falsch, die Gespräche auf China zu verengen, sagte Vestager: „Es gibt auch Dinge in unseren eigenen Ländern, die wir ändern wollen.“

Mehr: Trotz U-Boot-Streit: Transatlantische Tech-Allianz kann starten

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