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Wissenschaft Gerald Haug: Das ist die Stimme der Leopoldina

Die Gelehrtengesellschaft rückt in Coronazeiten in den Fokus der Politik. Was genau macht die Denkfabrik aus Halle – und wer ist ihr neuer Chef?
14.04.2020 - 16:52 Uhr 1 Kommentar
Haug übernahm am 1. März die Präsidentschaft der Leopoldina-Akademie. Quelle: dpa
Gerald Haug

Haug übernahm am 1. März die Präsidentschaft der Leopoldina-Akademie.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Normalerweise nehmen sich die Wissenschaftler der Leopoldina viel Zeit. Ein bis zwei Jahre dauert es, bis eine Arbeitsgruppe der altehrwürdigen Gelehrtengesellschaft aus Halle an der Saale ein Ergebnis präsentiert, etwa das Altern der Gesellschaft oder die Klimaziele interdisziplinär beleuchtet. Doch was ist in Zeiten der Coronakrise schon normal?

Seit Gerald Haug vor sechs Wochen sein neues Amt als Präsident angetreten hat, veröffentlichte die Leopoldina bereits drei Ad-hoc-Stellungnahmen zur Pandemie. Das Dokument vom Ostermontag empfiehlt eine schrittweise Lockerung des Lockdowns – und könnte direkten Einfluss auf die Entscheidungen von Kanzlerin Angela Merkel und den Länderchefs haben, die sich an diesem Mittwoch treffen.

Damit rückt eine bislang eher im Schatten gebliebene Institution in den Fokus der Öffentlichkeit, die im Jahr 1652 von vier Ärzten als „Akademie der Naturforscher“ gegründet wurde.

Seit Kaiser Leopold I. ihr 1687 die „völlige Zensurfreiheit“ garantierte, trägt die Gesellschaft seinen Namen. 2008 wurde die Leopoldina zur „Nationalen Akademie der Wissenschaften“ ernannt, beschäftigt 90 Mitarbeiter in Halle und Berlin.

Sie ist keine Uni oder betreibt Labore, sondern ist ein intellektueller Thinktank, der die deutsche Wissenschaft im Ausland vertritt und Politik und Öffentlichkeit unabhängig beraten soll. 1600 Wissenschaftler aus mehr als 30 Ländern sind hier vereint.

Das Präsidium wählt Neumitglieder aus, die sich durch bedeutende wissenschaftliche Leistungen auszeichnen müssen. 180 Nobelpreisträger finden sich in den Annalen, 30 unter den aktuellen Mitgliedern. Albert Einstein gehörte genauso zu dem elitären Zirkel wie Marie Curie oder Charles Darwin.

Haug ist ein Feldforscher

Seit 2012 ist auch Gerald Haug Leopoldina-Mitglied. Der gebürtige Karlsruher ist Klimaforscher, Meeresgeologe und Paläo-Ozeanograf. Haugs Schwerpunkt: die Erforschung von Sedimentkernen.

Nach Bohrungen an der Küste Venezuelas konnte er etwa historische Dürreperioden nachweisen, die den Niedergang der Maya-Kultur erklären könnten. Obwohl Haug schnell seekrank wird, war er schon auf Forschungsschiffen im Indischen Ozean oder bei Tiefseebohrungen in der Karibik dabei.

Er ist ein Feldforscher, der in Los Angeles und Zürich gelehrt hat und seit 2015 am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz die Abteilung Klimageochemie leitet. In seiner Arbeit konstruiert er Klimaverläufe aus der Vergangenheit. In der Coronakrise aber geht es um die Zukunft, ums Vorausschauen.

„Die Menschen halten diesen Einschluss auf Dauer nicht aus“

Haug, der am Dienstag 52 Jahre alt geworden ist, verhehlt nicht, fachfremd zu sein. Er sieht sich vielmehr in einer Moderatorenrolle. Die Ad-hoc-Stellungnahme hat er gemeinsam mit 25 Kollegen veröffentlicht, darunter sind Ifo-Chef Clemens Fuest und der Wirtschaftsweise Lars Feld.

Im 19-seitigen Papier wird eine Maskenpflicht für Busse und Bahnen vorgeschlagen, die schrittweise Öffnung der Schulen. „Immer dann, wenn die Distanzregeln eingehalten werden können, mit Hilfe von Masken und Hygiene, kann es weitergehen“, sagte Haug am Montag in den „Tagesthemen“.

Restaurants mit entsprechender Bestuhlung könnten wieder öffnen, auf Stadionbesuche oder Partys müsse man weiter verzichten. Haug sieht die Stellungnahme nicht als Fahrplan, der müsse von der Politik kommen.

„Er ist ein Vollblutwissenschaftler, kein Verwalter“

Trotzdem hat das Dokument Gewicht: Merkel sagte vor Ostern, dass sie das weitere Vorgehen auch an der „sehr wichtigen Studie“ der Leopoldina ausrichten werde. Die Akademie ist für sie die „Stimme der Wissenschaft“, wie sie einmal erklärte.

Schon der Mikrobiologe Jörg Hacker hatte die Leopoldina in seinen zehn Amtsjahren auf mehr Politikberatung ausgerichtet. Nachfolger Haug soll dem nun zum Durchbruch verhelfen.

„Er ist ein Vollblutwissenschaftler, kein Verwalter“, sagt der Chemiker Robert Schlögl, der auch an dem Ad-hoc-Papier gearbeitet hat. „Haug ist ein Antreiber, hat bei uns allen die nötige Disziplin eingefordert.“ 30 Varianten habe es von dem Dokument gegeben, bis zuletzt wurde an Formulierungen gefeilt.

Auch die Leopoldina selbst leidet unter der Coronakrise: Alle Veranstaltungen bis Ende Juni musste Haug bereits verschieben oder absagen, die meisten seiner Mitarbeiter sitzen im Homeoffice. Konferenzen mit den anderen nationalen Denkfabriken: Sie finden nur noch per Video statt. Haug will die Pandemie weiter wissenschaftlich begleiten. Mindestens solange, bis ein Impfstoff gefunden ist.

Schon bei seiner Amtseinführung kündigte er „pointierte Debattenbeiträge“ an. Die Akademie müsse in der Lage sein, gesellschaftlich brennende Themen innerhalb weniger Wochen zu bearbeiten. Dass sie das kann, hat Haug ziemlich schnell bewiesen.

Mehr: Die Forschungsgemeinschaft Leopoldina hat Möglichkeiten für eine Exit-Strategie aus dem Corona-Lockdown skizziert. Kritik entzündet sich an ihren Vorschlägen zur digitalen Datenerhebung.

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1 Kommentar zu "Wissenschaft: Gerald Haug: Das ist die Stimme der Leopoldina"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Man stelle sich nur vor, die Politik hätte den klugen Rat der Leopoldina umgesetzt, und von 1.600 Krankenhäusern 1.300 geschlossen. Um wieviel kleiner heute das Auslastungsproblem wäre? Denkfabriken produzieren auch schon mal "Gedankenmüll"!

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