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Wohnraum Mit dem Mietendeckel-Urteil beginnt der Kampf um Mietobergrenzen erst

Kaum hat das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel kassiert, facht die SPD die Debatte um eine bundesweite Mietenregulierung erneut an.
15.04.2021 - 19:14 Uhr Kommentieren
Die Debatte um Wohnungsnot und steigende Mieten in den Metropolen und Ballungsräumen verstummt auch nach der Entscheidung aus Karlsruhe nicht. Quelle: AFP
Häuserfassaden in Berlin

Die Debatte um Wohnungsnot und steigende Mieten in den Metropolen und Ballungsräumen verstummt auch nach der Entscheidung aus Karlsruhe nicht.

(Foto: AFP)

Berlin Das Votum der Karlsruher Richter fiel am Donnerstag einstimmig aus: Der Berliner Mietendeckel ist verfassungswidrig, das Gesetz nichtig. Das Land Berlin habe keine Gesetzgebungskompetenz für eine solche Mietenregulierung. Mieter müssen nun mit teils hohen Nachzahlungen rechnen. Geklagt vor dem höchsten deutschen Gericht hatten Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU und der FDP.

Der rot-rot-grüne Berliner Senat hatte mit dem bundesweit einmaligen Mietendeckel den rasanten Anstieg der Mieten in der Hauptstadt bremsen wollen. Doch die Umsetzung fiel brachial aus: Seit dem 23. Februar 2020 wurden in Berlin die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen auf dem Stand vom Juni 2019 eingefroren.

Wurde eine Wohnung neu vermietet, musste sich der Vermieter an staatlich festgelegte Obergrenzen halten, abhängig vom Alter der Wohnung, der Heizungsart und etwa der Frage, ob die Wohnung ein eigenes Bad besitzt.

Zuletzt war am 23. November 2020 die zweite Stufe des Mietendeckels in Kraft getreten: Mieten, die mehr als 20 Prozent über den festgeschriebenen Obergrenzen lagen, mussten vom Vermieter abgesenkt werden. Betroffen waren hier rund 340.000 Berliner Mieterhaushalte. Der Mietendeckel sollte zunächst auf fünf Jahre begrenzt sein. Nun hat er sein vorzeitiges Ende gefunden.

Die Wohnungswirtschaft und private Eigentümer zeigten sich nach dem Urteil erleichtert. Doch die Debatte um Wohnungsnot und steigende Mieten in den Metropolen und Ballungsräumen verstummt auch nach der Entscheidung aus Karlsruhe nicht. Im Bundestagswahlkampf dürfte sie eine wichtige Rolle spielen.

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„Das Thema wird eine neue Dynamik auf Bundesebene bekommen“, sagte Michael Voigtländer, Immobilienexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, dem Handelsblatt.

So gestand die SPD-geführte Berliner Landesregierung nach dem Urteil nicht etwa ein, mit der Regulierung für ein Mieter-Debakel gesorgt zu haben. Die Sozialdemokraten sprachen vielmehr von einem „schwarzen Tag“. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller forderte ein Mietenmoratorium in Märkten mit angespannter Wohnungslage.

„Die mittlerweile bundesweit vorherrschende Wohnungsnot muss endlich energisch vom Bund bekämpft werden“, erklärte der SPD-Politiker. SPD-Vize Kevin Kühnert forderte im Berliner „Tagesspiegel“ einen bundesweiten Mietendeckel, damit rechtssicher in angespannten Wohnungsmärkten Mieten gesenkt werden könnten.

„Paralleles Mietpreisrecht“ geschaffen

Die Grünen warfen der Bundesregierung vor, seit Jahren „tatenlos“ zuzusehen, wie in den Städten die Mieten rasant stiegen. Im Fall einer Regierungsbeteiligung der Partei müssen sich Wohnungsvermieter auf einen bundesweiten Mietendeckel einstellen. Bereits in ihrem Entwurf zum Wahlprogramm beschreiben sie das Instrument als eine Möglichkeit, um den Anstieg der Wohnkosten zu stoppen.

Am Donnerstag hieß es, die Bundesregierung sei in der Verantwortung, jetzt zügig die Mietpreisbremse zu verbessern und die Mieterhöhungsmöglichkeiten bei bestehenden Mietverträgen wirksam zu begrenzen.

Tatsächlich liegt es an der Mietpreisbremse, dass der Mietendeckel nun vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. Mit der Bremse habe der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließenden Gebrauch gemacht, stellten die Karlsruher Richter klar. Die Mietpreisbremse war 2015 bundesweit in Kraft getreten und später noch verschärft worden.

Die Regelung ermöglicht es den Bundesländern, in Städten und Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt die Miethöhe bei neu abgeschlossenen Verträgen auf ein maximal zehn Prozent höheres Niveau als die ortsübliche Vergleichsmiete zu begrenzen. Der Berliner Senat habe mit dem Mietendeckel ein „paralleles Mietpreisrecht“ geschaffen, rügten die Verfassungsrichter nun – und das auch mit „statischen und marktunabhängigen Festlegungen“.

Der Immobilienkonzern Vonovia kündigte nach dem Urteil an, auf Mietnachzahlungen verzichten zu wollen. Die Summe, um die es gehe, bezifferte das Wohnungsunternehmen mit rund zehn Millionen Euro. Konkurrent Deutsche Wohnen will hingegen nicht auf Nachforderungen verzichten.

Der Berliner Immobilieninvestor Jakob Mähren sagte dem Handelsblatt, sicher habe nicht jeder die vermeintlich gesparte Miete beiseitelegen können. Es gelte jetzt, individuelle Lösungen mit der Mieterschaft zu finden.

Horst Seehofer begrüßt Urteil

Durch die Entscheidung des zweiten Senats in Karlsruhe haben sich die zahlreichen vor dem ersten Senat anhängigen Verfassungsbeschwerden von Wohnungsbaugenossenschaften und privaten Vermietern gleichsam mit erledigt, erklärt Christian Schede, Experte im Verfassungs- und Mietpreisrecht der Kanzlei Greenberg Traurig: „Denn durch die Nichtigkeitserklärung des Mietendeckelgesetzes entfällt der Beschwerdegegenstand.“ Die privaten Eigentümer und Genossenschaften sahen unter anderem unverhältnismäßige Eingriffe in das Eigentumsrecht der Vermieter.

Bundesinnenminister Horst Seehofer begrüßte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. „Der Mietendeckel ist jetzt Geschichte. Das ist gut, denn auch baupolitisch war er der völlig falsche Weg“, erklärte der CSU-Politiker am Donnerstag. Wohnungsbau sei und bleibe der beste Mieterschutz.

Auch wenn das Thema Mietpreisregulierung nun zum Wahlkampfthema avanciert: Rechtliche Vorbehalte bleiben. „Auch ein bundesgesetzlicher Mietendeckel wäre verfassungsrechtlich bedenklich“, erklärt Clemens Schönemann, Experte für Immobilienrecht bei der Kanzlei Noerr.

„Denn Mietobergrenzen greifen erheblich in die grundrechtlich geschützte Eigentums- und Vertragsfreiheit ein, ohne das eigentliche Problem – nämlich den Wohnungsmangel – zu beheben.“ Ein bundesgesetzlicher Mietendeckel würde daher aller Voraussicht nach zu neuen verfassungsrechtlichen Verfahren führen und damit Vermieter und Mieter erneut mit Rechtsunsicherheit belasten.

Mehr: Karlsruhe repariert die Republik: Der Mietendeckel war schädlich für alle

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