Wohnungsmarkt Wegweisendes Urteil: Verfassungsgericht entscheidet heute über den Berliner Mietendeckel

Das Bundesverfassungsgericht veröffentlicht seine Entscheidung an diesem Donnerstag.
Berlin Das Gesetz ist ein Novum in Deutschland – und hochumstritten. Den Gegnern gilt der Berliner Mietendeckel als vorläufiger Höhepunkt einer zunehmenden Regulierungswut auf dem Wohnungsmarkt. An diesem Donnerstag entscheidet nun das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, ob die Regelung verfassungskonform ist oder nicht. Für 9.30 Uhr ist das Ergebnis angekündigt.
Mit dem bundesweit einmaligen Mietendeckel, befristet auf zunächst fünf Jahre, will der rot-rot-grüne Berliner Senat den Anstieg der Mieten in der Hauptstadt bremsen. Seit dem 23. Februar 2020 sind in Berlin die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen auf dem Stand vom Juni 2019 eingefroren. Wird eine Wohnung neu vermietet, muss sich der Vermieter an staatlich festgelegte Obergrenzen halten, abhängig vom Alter der Wohnung, der Heizungsart und etwa der Frage, ob die Wohnung ein eigenes Bad besitzt.
Zuletzt war am 23. November 2020 die zweite Stufe des Mietendeckels in Kraft getreten: Mieten, die mehr als 20 Prozent über den festgeschriebenen Obergrenzen liegen, mussten vom Vermieter abgesenkt werden. Betroffen waren rund 340.000 Berliner Mieterhaushalte.
Ausgenommen von dem Gesetz sind nur Neubauwohnungen, die ab 1. Januar 2014 bezugsfertig wurden. Vermieter älterer Wohnungen müssen mit staatlich verordneten Mieten auskommen; mögliche Erhöhungen sieht der Senat erst ab 2022 vor.
Nicht nur Wohnungseigentümer und Gesellschaften gingen angesichts der neuen Vorschriften auf die Barrikaden. Im Mai 2020 brachten Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU und der FDP eine Klage beim höchsten deutschen Gericht gegen den Mietendeckel auf den Weg. Die Parlamentarier meinen, das Land Berlin habe seine Befugnisse überschritten, denn Mietrecht sei Sache des Bundesgesetzgebers.
Unterstützung von 40 Prozent der Abgeordneten
Hinter einer solchen „abstrakten Normenkontrolle“ steckt die Möglichkeit, ein beschlossenes Gesetz in Karlsruhe daraufhin überprüfen zu lassen, ob es verfassungswidrig ist – unabhängig von einem konkreten Rechtsstreit und von eigener Betroffenheit des Antragstellers.
Dafür notwendig ist ein bestimmtes Quorum: die Stimmen von 25 Prozent der Mitglieder des Bundestags. Insgesamt unterstützten 284 Bundestagsabgeordnete die Klage, das entspricht 40 Prozent aller Bundestagsabgeordneten.
Nun verkünden die Karlsruher Richter also ihr Urteil über diesen Antrag sowie über zwei Vorlagen des Berliner Landgerichts und des Amtsgerichts Mitte. Laut Christian Schede, Experte im Verfassungs- und Mietpreisrecht der Kanzlei Greenberg Traurig, wird sich dadurch eine Vielzahl konkreter Fragen ergeben: „Was bedeutet das Urteil für zwischenzeitlich gedeckelte Mieten? Können Vermieter eine Nachzahlung verlangen?“ Interessant sei auch, welche Auswirkungen die Entscheidung für Bußgelder bringe, die Vermieter bei Verstößen gegen das Gesetz gezahlt haben oder eventuell noch zahlen müssen.
Schede verweist zudem auf die verfassungsrechtliche Dimension des Urteils. Denn nun werde zwar über den Normenkontrollantrag entschieden, allerdings liefen parallel weitere Verfassungsbeschwerden privater Eigentümer und Genossenschaften.
„Sie beantragen die Feststellung der Nichtigkeit des Mietendeckel-Gesetzes wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes, unverhältnismäßiger Eingriffe in das Eigentumsrecht der Vermieter sowie Verstößen gegen das Willkürverbot“, erklärt Schede. „Das aktuelle Urteil zum Normenkontrollverfahren wird somit auch richtungsweisend für die weiteren Verfahren sein.“

Der Mietendeckel bewirkt das Gegenteil von dem, wofür er gedacht war: Statt mehr bezahlbaren Wohnraum in Berlin zu schaffen, verunsichert er die Immobilieneigentümer.
Tatsächlich hat der Mietendeckel in den vergangenen Monaten für erhebliche Unsicherheiten vor allem bei privaten Investoren gesorgt. Das Gesetz bewirke genau das Gegenteil dessen, wofür es offensichtlich gedacht war, sagte wiederholt der Berliner Immobilieninvestor Jakob Mähren.
Anstatt mehr bezahlbaren Wohnraum in Berlin zu schaffen, verunsichere der Mietendeckel die Branche. Mit weitreichenden Folgen: Das Angebot an Wohnraum gehe zurück, Investitionen und Projektentwicklungen verlagerten sich in das Umland der Hauptstadt. Viele Investoren berichteten über Pläne, Investitionen in die energetische Sanierung zurückzustellen.
Mietenentwicklung in Berlin entspannt
Auch unabhängige Experten wie Michael Voigtländer vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) äußerten die Sorge, dass die schädlichen Nebenwirkungen des Mietendeckels größer sei als sein Nutzen. Überall dort, wo es ähnliche Eingriffe gegeben habe, etwa in Stockholm oder Barcelona, habe sich gezeigt, dass kaum noch in die Qualität der Bestände investiert worden sei, sagte der IW-Experte im Dezember dem Handelsblatt. Der Berliner Mietendeckel sei „sicher kein Experiment“, das andere Städte kopieren sollten.
Die Entwicklung der Mieten in Berlin hat sich indes entspannt. „Die Berliner Miet- und Kaufpreise haben sich seit Inkrafttreten des Mietendeckels vor genau einem Jahr für betroffene Immobilien schwächer entwickelt als in anderen deutschen Großstädten“, teilte das Münchener Ifo-Institut im Februar mit.
Das zeigen auch aktuelle Daten des Analysehauses F+B. So lagen Neuvertragsmieten im vierten Quartal 2020 bei 8,40 Euro pro Quadratmeter. Damit liegt die durchschnittliche Neuvertragsmiete um 6,4 Prozent niedriger als vor zwölf Monaten. Im Vergleich zum Vorquartal sank sie um 1,4 Prozent.
Gleichzeitig aber hat sich das Angebot an Mietwohnungen im regulierten Segment verknappt, warnt nicht nur das Ifo-Institut. Der Mietendeckel habe nicht nur den Anstieg der Mietpreise, sondern fast den ganzen Mietwohnungsmarkt eingefroren, sagt auch Nicolai Wendland vom Analysehaus 21st Real Estate.
„Insbesondere Menschen, die nach Berlin ziehen, haben es immer schwerer, eine Wohnung zu finden.“ Wendland sieht darin eine nicht zu unterschätzende Gefahr: „Das entwickelt sich langsam zum Standortnachteil und stellt auch eine Gefahr für den wirtschaftlichen Aufschwung Berlins dar.“
IW-Experte Voigtländer bestätigt zudem, dass mehr und mehr Berliner Vermieter versuchten, ihre Wohnungen an Selbstnutzer zu verkaufen. Auch das verkleinere das Angebot auf dem Mietwohnungsmarkt und mache ihn noch schwerer zugänglich für einkommensarme Haushalte.
Mehr: Absurder Wohnungsmarkt: Die schädlichen Nebenwirkungen des Berliner Mietendeckels
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