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Zukunftsatlas 2019 – der Aufsteiger Was Heilbronn zum Top-Aufsteiger unter Deutschlands Regionen mit Zukunft macht

Die Region um Heilbronn ist wirtschaftlich stark und gehört seit Jahren immer zu den Top-Aufsteigern im Prognos-Zukunftsatlas. Was läuft hier richtig?
10.07.2019 - 04:00 Uhr Kommentieren
Die Fassade des zehngeschossigen Gebäudes ist mit Aluminiumplatten verkleidet. Quelle: imago images / Arnulf Hettrich
Deutschlands höchstes Holzhochhaus

Die Fassade des zehngeschossigen Gebäudes ist mit Aluminiumplatten verkleidet.

(Foto: imago images / Arnulf Hettrich)

Heilbronn Wenn Reinhold R. Geilsdörfer aus seinem Bürofenster im 9. Stock schaut, dann sieht er direkt in die Zukunft. Vom bereits fertigen Verwaltungsgebäude des Bildungscampus Heilbronn blickt der Geschäftsführer der Dieter-Schwarz-Stiftung auf eine Baustelle, deren Ausmaße ähnlich beeindruckend sind wie die Ambitionen, die hier in Beton gegossen werden.

Es geht um die Entwicklung eines rund 100.000 Quadratmeter großen Areals. In vielen Gebäuden werden bereits Studenten unterrichtet, bis Ende des Jahres soll die neue Mensa fertig sein – ein unter der Erde abgesenktes Restaurant inklusive Lichthof. Auch die 600 Mikroapartments, nötig angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum in Heilbronn, sind noch nicht bezugsfertig. „Doch wir sind auf einem guten Weg“, sagt Geilsdörfer.

Innerhalb von nur wenigen Jahren wurde mitten in Heilbronn aus einer Industriebrache ein neues Hochschulzentrum – möglich gemacht mit dem Geld des Stifters Dieter Schwarz. Der scheue Lidl-Gründer und Ehrenbürger der Stadt lässt sich dabei nur selten auf dem Bildungscampus blicken. Und wenn er doch mal die ein oder andere Veranstaltung besucht, dann unerkannt.

Derzeit lernen an den privaten und staatlichen Institutionen auf dem Bildungscampus bereits rund 4000 Menschen, in Zukunft sollen es noch weitaus mehr werden. Menschen, die mit ihrem Wissen die zahlreichen Unternehmen in der Region um Heilbronn weiter nach vorne bringen sollen.

Bereits jetzt steht es alles andere als schlecht um den Verbund aus der Stadt Heilbronn und den vier umliegenden Landkreisen Heilbronn, Hohenlohekreis, Main-Tauber-Kreis und Schwäbisch Hall. Würth, Audi, EBM Papst, Bechtle, Voith und die Bausparkasse Schwäbisch-Hall zählen zu den größten Arbeitgebern. In keinem anderen Landkreis der Republik sitzen, gemessen an der Einwohnerzahl, derart viele Weltmarktführer wie im Kreis Hohenlohe.

Er ist Teil der Region Heilbronn-Franken, wie sich der Regionalverband offiziell nennt. In dem von Tüftlern geprägten Landstrich belebte seit jeher die Konkurrenz um die besten Köpfe das Geschäft. Doch ausgerechnet ihre Akademiker müssen die Weltmarktführer zum Großteil importieren, als Bildungsstandort war die Region bislang nicht bekannt.

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Es existierte zwar eine Hochschule – bislang aber keine Universität. Das soll sich nun ändern. Die Region will so ihre Zukunft sichern, statt sich auf dem Erreichten auszuruhen. Im Prognos Zukunftsatlas, einer Regionalstudie, die alle drei Jahre anhand von insgesamt 29 statistischen Indikatoren die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der 401 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte analysiert, geht es für Heilbronn-Franken seit 2007 nur noch nach oben.

Die Stadt Heilbronn findet sich in diesem Jahr auf Platz 32 wieder, der dazugehörige Landkreis gar auf 22. Damit liegt man auf Augenhöhe mit Köln und weit vor Städten wie Hannover, Leverkusen oder Lübeck. Heilbronn-Franken gehört damit zu den langfristigen Aufsteigern im Zukunftsatlas von Prognos.

Vor allem im Landkreis Heilbronn herrscht nahezu Vollbeschäftigung, die Kaufkraft ist hoch. Beim traditionellen Gipfeltreffen der Weltmarktführer 2020 in Schwäbisch Hall, dem „kleinen Davos“, werden die versammelten Manager und Familienunternehmer über Themen wie Künstliche Intelligenz, E-Commerce und Machine Learning sprechen.

Abgerundet wird die Veranstaltung mit einem Besuch in der Kunsthalle von Schraubenkönig Reinhold Würth und einem Galadinner vom Sternekoch. So sieht man sich hier gerne: internationale Unternehmen, Kunst und Kultur, Gourmetküche. Mitten in der Provinz – dabei doch international. Und vor allem niemals zufrieden mit dem Erreichten.

Es ist das Erfolgsgeheimnis von Heilbronn-Franken, die in den vergangenen Jahrzehnten geschaffene wirtschaftliche Stärke nicht einfach nur zu zelebrieren und vom guten Ruf als Region der Maschinenbau-, Logistik- und Handelsunternehmen zu zehren. Stattdessen will Heilbronn-Franken noch viel weiter nach vorne.

In diesem Jahr findet in der Stadt die Bundesgartenschau statt. Eine große Chance, den Menschen zu zeigen, was Heilbronn alles kann. Denn bei aller Euphorie: Der Fachkräftemangel ist längst auch hier angekommen. Eine Region, die kein hippe Klubszene zu bieten hat, keine pulsierende Innenstadt, keinen ICE-Bahnhof und keinen Flughafen in der Nähe, muss Talente erst einmal von sich überzeugen.

Ein Gewinn für beide

Geilsdörfer, dem Mann, der in der Dieter-Schwarz-Stiftung für den Hochschulbereich zuständig ist, ist dabei der bislang größte Coup gelungen: Die renommierte TU München hat hier in Heilbronn, mitten in Baden-Württemberg, eine Filiale eröffnet. Einen Satellitencampus, der weitere Forschungsinstitute anziehen und Heilbronn zur Universitätsstadt adeln soll. Über Zahlen will Geilsdörfer nicht sprechen, die Schwarz-Stiftung soll gerüchteweise aber mehr als 100 Millionen Euro in den Bildungscampus investiert haben.

Die Stiftung spendet der TU München gleich 20 Stiftungsprofessuren und damit die Möglichkeit, sich in internationalen Rankings, in denen es auch um solch schlichte Zahlen geht, deutlich weiter vorne zu platzieren. „Die Zusammenarbeit ist sowohl für uns als auch für die TU München eine große Chance“, sagt Geilsdörfer.

Der Antrag, dass Heilbronn künftig auf Ortseingangsschildern mit dem Zusatz „Universitätsstadt“ werben dürfe, sei bereits gestellt. Doch es geht um mehr als Prestige. Wenn Abiturienten die Stadt zum Studieren nicht verlassen müssen, andere aus demselben Grund sogar hierherziehen, dann besteht eine deutlich höhere Chance, dass die klugen Köpfe der Region auch nach dem Examen erhalten bleiben.

Auch Norbert Heckmann weiß, wie wichtig das richtige Standortmarketing sein kann. Der 52-Jährige ist Sprecher der Geschäftsleitung beim Familienunternehmen Adolf Würth GmbH & Co. KG in Künzelsau-Gaisbach, ebenfalls Teil der Region Heilbronn-Franken. Heckmann ist in der Region aufgewachsen und seinem ersten Arbeitgeber bis heute treu geblieben. Eine Zeit lang war er für Würth in China tätig, ansonsten hat er in der Heimat „studiert und geschafft“.

Heckmann ist ein gutes Beispiel für das, was die Menschen hier ausmacht. Der Chef ist bodenständig – und zugleich extrem ehrgeizig. Er ist loyal – und flexibel. Er ist in der Region verwurzelt, ein Familienmensch, schätzt die Natur, die er „in walking distance“ zum Wohn- und Arbeitsplatz hat, wie er es nennt. Er fasst es so zusammen: „Hier bei uns ist man eben gut aufgehoben.“

Dafür fehle es vielleicht an Start-up-Kultur und an Dax-Konzernen, das gibt er zu. Doch gerade bei Letzteren könne man in der Anonymität aber auch schnell mal untergehen. Von den rund 23.700 Menschen, die der Würth-Konzern in Deutschland beschäftigt, arbeiten fast 15.700 in Heilbronn-Franken. „Wer hierherkommt, der sucht Heimat. Oder er verlässt sie erst gar nicht“, sagt Heckmann. Die Fluktuationsquote bei ihm, beim Mutterunternehmen des Würth-Konzerns, liegt unter drei Prozent, darauf ist er stolz.

Doch ihm ist auch bewusst, dass Würth einen Standortnachteil gegenüber den umliegenden Metropolen Frankfurt, Nürnberg oder Stuttgart hat. Daher gelte es, „die Menschen anzusprechen, die sonst beim Daimler unterschlüpfen würden“. Es ist das Thema, das viele Menschen hier beschäftigt: Für wen kann eine Region attraktiv sein, die zwar wirtschaftlich enorm stark ist – die aber kein Metropolenflair zu bieten hat?

Und so versuchen die Unternehmen vor Ort, eine spezielle Klientel anzuwerben. Junge Familien, die zwar nach einem hochqualifizierten und internationalen Arbeitsumfeld suchen, aber nicht zwingend in der Großstadt leben möchten. Und damit diese Strategie aufgeht, muss sich Heilbronn weiterentwickeln.

Kein reiner Industriestandort mehr

Klaus Mandel sitzt im „Primafila“, seinem Lieblingscafé. Hier, wo früher eine schmucklose C&A-Filiale stand, nur wenige Meter vom Neckar entfernt, soll es das beste Eis der Stadt geben. Mandel, Direktor des Regionalverbands Heilbronn-Franken, bestellt eine Kugel Rhabarber-Apfel – und schwärmt davon, wie sich die Innenstadt in den vergangenen Jahren bereits zum Positiven verändert habe.

Die „Neckarmeile“, eine belebte Straße voller Cafés und Restaurants direkt am Wasser, in der auch das „Primafila“ seinen Sitz hat, habe entscheidend zu mehr Lebensqualität beigetragen. Aus der eher tristen Gegend sei ein vorzeigbarer Ort geworden, an dem man gerne freie Zeit verbringe, sagt Mandel.

Auf einem Teil des Geländes der Bundesgartenschau ist zudem ein völlig neues Stadtviertel entstanden. „Urbanes Leben“, wie Mandel den „Neckarbogen“ nennt, hat Einzug gehalten in Heilbronn. Früher befand sich hier, in der Nähe des Heilbronner Hauptbahnhofs, der sogenannte Fruchtschuppen der Deutschen Bundesbahn. In den Hallen parkten Güterzüge, um ausgeladen zu werden. Später verkam das rund 25 Hektar große Areal zum Schmutz- und Schandfleck der Stadt.

Heute findet man dort schicke Neubauten. Wohnungen unterschiedlicher Größe, für Studenten, aber auch für Familien. Ein Café, in dem Menschen mit Behinderungen arbeiten, zudem eine Kindertagesstätte. Keine Fassade gleicht hier der anderen. Innovativ und nachhaltig soll es zugehen. So steht am „Neckarbogen“ Deutschlands erstes zehngeschossiges Holzhochhaus.

„Heilbronn hat doch längst erkannt, dass es mehr sein muss als ein reiner Industriestandort“, sagt Mandel. „Auch damit sich junge Menschen vorstellen können, nach der Schule die Region nicht zu verlassen.“ Die ersten Schritte in die richtige Richtung sind getan. Jetzt gilt es dranzubleiben. Das könnte klappen, denn die Menschen hier in der Region standen noch nie in dem Ruf, sich vorzeitig zurückzulehnen.

Lesen Sie hier die gesamte Zukunftsatlas-Serie:

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