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Zwischen Goethe und Google Was heißt Bildung heute?

Schulreform, Studiengebühren, Pisa-Studie: Zur Bildungspolitik kann jeder etwas sagen. Doch häufig fehlt eine klare Vorstellung, was Bildung heute denn sein sollte. Ein Versuch, Klarheit zu schaffen. VON FRANK WIEBE
02.07.2011 - 09:02 Uhr
In den letzten Jahrzehnten sind die Vorstellungen, was man wissen oder können sollte völlig in Unordnung geraten. Quelle: dpa

In den letzten Jahrzehnten sind die Vorstellungen, was man wissen oder können sollte völlig in Unordnung geraten.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Das Gegenteil von Bildung ist Halbbildung. Im Zeitalter von Google, "Wer wird Millionär" und per Mausklick zusammenkopierten Doktorarbeiten gilt das mehr denn je: Wissensbrocken und Zitate sind leicht gefunden und schnell präsentiert. Aber mit Bildung hat das nichts zu tun.

Bei all den Diskussionen über Schulen und Universitäten, "Pisa" und "Bologna" bleibt genau diese Frage häufig unklar: Was heißt Bildung heute? Ins Englische wird "Bildung" mit "Education" übersetzt. Das übersetzt man mit "Erziehung" zurück ins Deutsche. Ein lehrreicher sprachlicher Zirkel: Es geht bei der Bildung darum, wie sich jemand verhält, nicht, was er weiß.

Wer mit Wissen glänzt, das nur aus halb verstandenen Bruchstücken besteht, dessen Fehler ist nicht, dass er zu wenig weiß. Sondern wie er damit umgeht. Wer tatsächlich "educated" ist, glänzt dagegen nur, wenn auch Gold dahintersteckt. Und genau deswegen ist das Gegenteil von Bildung die Halbbildung: Das eine ziert den Menschen, das andere ist peinlich.

Aber was muss man heute wissen, um sich mit Recht gebildet zu fühlen? Dass der Plural von Kaktus nicht Kaktanten heißt? Dass "das" ab und zu "dass" geschrieben wird? Ob Götz von Berlichingen in Goethes Drama von seinem Vorgesetzten "im" oder "am" rückwärtigen Ausgang seines Körpers geleckt werden will? Ist all das relevant? Bevor wir diese Frage nicht geklärt haben, wird es schwierig mit jeder Bildungsreform.

Es gibt Leute, die fließend Englisch und bruchstückhaft Latein und Französisch beherrschen, ein paar Bibelzitate kennen und den "kategorischen Imperativ" erklären können - aber an einer simplen Prozentrechnung scheitern. Oder die sich perfekt in der europäischen Literatur auskennen, aber keine Ahnung haben, wie das politische System der Bundesrepublik funktioniert oder was der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn ist.

Sind diese Leute gebildet? Oder nur halb gebildet? Was muss man überhaupt wissen? Ist ein Deutsch-Türke, der den großen Dichter Yunus Emre zitieren kann, aber noch nie etwas von Goethe gehört hat, deswegen ungebildet? Oder ein Musikfan, der einzelne Jazz-Saxofonisten an ihrem Ton erkennt, aber Mozart nicht von Beethoven unterscheiden kann?

Die Beispiele zeigen: Der ganze Ansatz, Bildung nach der Summe von Wissen zu bewerten, ist falsch. Das Leben ist mehr als "Trivial pursuit" - also den persönlichen Wissensspeicher möglichst schnell mit Häppchen aus sechs verschiedenen Gebieten zu füllen. Dieser Ansatz widerspricht ja auch der Wortbedeutung. Bildung heißt, dass jemand gebildet worden ist - woraus oder wozu auch immer. Es heißt nicht, das jemand vollgestopft worden ist - mit Wissen.

In der Bildung geht es rund
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