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100 Jahre Kommunistische Partei Alles unter Kontrolle: Wie die KP in China Wirtschaft und Gesellschaft beherrscht

Mit einer riesigen Feier zelebriert die KP ihren 100. Geburtstag. Ihr Machtanspruch ist so groß wie nie. Das könnte der Wirtschaft zum Verhängnis werden.
01.07.2021 - 04:00 Uhr 1 Kommentar
Die Partei will zum Jubiläum jedem zeigen, wer im Land das Sagen hat und wie wichtig Loyalität gegenüber der Partei ist. Quelle: AP
100-jähriges Jubiläum der Kommunistischen Partei Chinas

Die Partei will zum Jubiläum jedem zeigen, wer im Land das Sagen hat und wie wichtig Loyalität gegenüber der Partei ist.

(Foto: AP)

Peking Am Donnerstagmorgen um 8 Uhr Ortszeit beginnt die große Feier der Kommunistischen Partei Chinas (KP) auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking – mit 100 Kanonenschüssen, jeder Schuss steht für ein Jahr KP. Staats- und Parteichef Xi Jinping beobachtet alles von seinem Platz aus, direkt über dem Porträt des „Großen Vorsitzenden“ Mao Zedong. Unter ihm sind zehntausende ausgewählte Zuschauer versammelt. In Blöcken sitzen sie kerzengerade und verfolgen die Zeremonie.

Die Feierlichkeiten sollen den allumfassenden Machtanspruch der KP verdeutlichen – einer Partei, die mittlerweile mehr Mitglieder hat als Deutschland Einwohner, nämlich mehr als 95 Millionen.

Eine Gruppe Junger Pioniere und der Jugendverband der KP schwört gleich zu Beginn ihre Treue gegenüber der Partei. „Wir sind bereit, für die Sache des Sozialismus zu kämpfen, wir sind bereit, unser Land stark zu machen“, rufen sie und recken ihre Fäuste in die Höhe.

Xi gibt sich in seiner rund einstündigen Rede im Anschluss kämpferisch. Er spricht viel von dem „Kampf“ der KP und des chinesischen Volkes gegen „ausländische Mächte“, und die Erfolge der Partei beim Aufbau von China zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. „Niemand sollte den starken Willen, die Entschlossenheit und die Fähigkeit des chinesischen Volkes zur Verteidigung der nationalen Souveränität und territorialen Integrität unterschätzen“, sagt er und die Menge jubelt.

Die Sicherheitsvorkehrungen im Vorfeld der Veranstaltung waren groß: Bereits acht Tage vor den Feiern zum 100-jährigen Bestehen wurde der Platz des Himmlischen Friedens in Peking für die Öffentlichkeit abgeriegelt.

In den U-Bahn-Stationen der Hauptstadt Chinas patrouillieren deutlich mehr Polizisten und Sicherheitsleute als gewöhnlich. Paketlieferungen wurden gründlich kontrolliert – wenn sie überhaupt nach Peking durchgelassen wurden. An ihrem 100. Geburtstag will die KP nichts dem Zufall überlassen.

Der Staats- und Parteichef bei seiner einstündigen Rede. Quelle: AP
Xi Jinping

Der Staats- und Parteichef bei seiner einstündigen Rede.

(Foto: AP)

Überall im Land sind Plakate mit dem Logo zur Feier aufgestellt worden, an Läden und Restaurants hängen Tausende China-Flaggen, an Straßenbegrenzungen große Banner und an Hochhäusern Digitaldisplays mit Parteisprüchen. In dem 1,4 Milliarden Einwohner großen Einparteienstaat haben Symbole eine herausragende Bedeutung.

Die Partei will zum Jubiläum jedem zeigen, wer im Land das Sagen hat und wie wichtig Loyalität gegenüber der Partei ist. Ihr Machtanspruch ist so groß wie nie. In allen Bereichen will sie Einfluss haben: in der Bildung, der Gesellschaft und in Unternehmen. „In allen wichtigen Organisationen sitzen Vertreter der Partei“, sagt Nis Grünberg vom Berliner China-Thinktank Merics.

Einfluss der Partei auch in deutschen Unternehmen in China

Schon seit mehreren Jahren sind private Unternehmen verpflichtet, eine Parteizelle einzurichten, sobald es drei oder mehr Mitarbeiter gibt, die der Partei angehören. Basierend auf einer offiziellen Umfrage unter Privatunternehmen, unterhalten insgesamt 48,3 Prozent aller Privatunternehmen eine Parteienvertretung, heißt es in einer Analyse des Instituts Montagne.

Dies sei größtenteils auf die geringe Größe dieser Unternehmen zurückzuführen. Die Durchdringung der großen Privatunternehmen sei dagegen fast vollständig, mehr als 92 Prozent der 500 größten Privatunternehmen Chinas haben Parteizellen.

Auch ausländische Unternehmen müssen eine solche Parteizelle einrichten, wenn sie die entsprechenden Kriterien erfüllen. In einer aktuellen Umfrage der Europäischen Handelskammer in China unter seinen Mitgliedern gaben 36 Prozent der Unternehmen an, dass sie irgendeine Form der Präsenz der KP in ihren Betrieben haben.

Ein direkter Einfluss der Kommunistischen Partei sei bei den meisten europäischen Firmen jedoch kein großes Thema, sagt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking. „Wenn sich die europäischen Unternehmen weiterhin gegen den direkten Einfluss der KP auf ihre Geschäfte wehren, dann wird der Einfluss der Partei auch nicht weiter steigen“, glaubt er. Denn die chinesische Staatsführung wolle ausländische Firmen nicht vor den Kopf stoßen, insbesondere die nicht, die sie für ihr Streben nach technologischer Unabhängigkeit brauche.

Die Vorbereitungen für die Feiern zum Jahrestag laufen. Quelle: AP
Am Platz des Himmlischen Friedens in Peking

Die Vorbereitungen für die Feiern zum Jahrestag laufen.

(Foto: AP)

Chinas derzeitige Marschrichtung gehe eindeutig in Richtung eines Geschäftsumfelds, in dem die Führung und Normen der KP die Richtung vorgeben, mächtige staatliche Behörden eine strengere Regulierung anwenden und von führenden Privatunternehmen erwartet wird, dass sie ihre Unterstützung für politische Ziele zusagen – oder sich zumindest nicht offen der Parteilinie widersetzen, heißt es in einer aktuellen Analyse von Merics-Experte Grünberg.

Chinesische Unternehmen können sich dem Kult um den Parteigeburtstag nicht entziehen: Auf der Webseite des Suchmaschinenkonzerns Baidu prangt statt des Unternehmenslogos in diesen Tagen das der Kommunistischen Partei: „Das 100. Jubiläum der Kommunistischen Partei Chinas“ steht dort auf Englisch und Chinesisch. Auch der E-Commerce-Konzern JD.com hat das 100-Jahres-Logo prominent auf seiner Homepage platziert, ebenso wie die beliebten Videoplattformen Bilibili und Youku. Das soziale Netzwerk Weibo hat sogar einen Bedien-Button in das Logo umgewandelt.

Personenkult um Parteichef Xi

Parteichef Xi Jinping habe die KP als Organisation gestärkt, sagt Grünberg. Seitdem er 2012 an die Macht gekommen ist, hat sich China deutlich verändert. 2018 hob er die Amtszeitbegrenzung für Chinas Staatsführer auf, seitdem kann er bis an sein Lebensende Oberhaupt der Volksrepublik sein. Zudem ließ er seine Gedanken schon zu Lebzeiten in die Parteiverfassung schreiben – vor ihm war das nur Mao Zedong vorbehalten.

Die KP gibt sich derzeit so selbstbewusst wie selten in der Geschichte: „Die Welt befindet sich in einer turbulenten Zeit, die im vergangenen Jahrhundert beispiellos ist“, sagte Xi in seiner Rede beim sogenannten fünften Plenum, einem wichtigen Treffen des Zentralkomitees der KP im Oktober. „Aber die Zeit und das Momentum sind auf unserer Seite.“

Xi, der im Volksmund auch „Xi Dada“ („Onkel Xi“) genannt wird, hat in den vergangenen Jahren einen Kult um seine Person etabliert, der zuvor nur Mao galt. In den Wohn- und Esszimmern der bescheidenen Häuser in Chinas ländlichen Gegenden hängt zwar immer noch meistens das Porträt des Großen Vorsitzenden, immer häufiger jedoch hängt eines von Xi daneben.

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Die staatlichen Zeitungen sind jeden Tag voll von Berichten über Besuche Xis in den chinesischen Provinzen, wo er Bauern sagt, wie sie eine bessere Ernte erzielen können, oder wo er Teefarmen und Wasserumleitungsprojekte inspiziert. In großen Städten wie Shenzhen oder Wuhan wirbt die Partei mit großen Plakaten in U-Bahn-Stationen und auf kleinen Fernsehern für die App „Xuexi Qianguo“ („Lerne über das starke Land“), mit der ihre Nutzer die Gedanken von Xi studieren können.

Wenn westliche Diplomaten heute mit Parteisekretären reden, so heißt es in Pekinger Diplomatenkreisen, beginne jede Konversation erst einmal damit, wie großartig Xi ist. In den Schulen der Volksrepublik wird die herausragende Bedeutung der Partei gelehrt, Kinder müssen „rote Gedichte“ und „rote Lieder“ auswendig lernen.

Innerhalb und außerhalb der Partei hat die Kontrolle stark zugenommen. Wer Meinungen vertritt, die von der zentralen Vorgabe abweichen, muss mit harten Konsequenzen rechnen. „Wir müssen den Disziplinarkodex und die Regeln der Partei aufstellen und verschärfen und sicherstellen, dass sie zu einer ,Hochspannungsleitung‘ werden, die niemand zu berühren wagt“, lautet die Vorgabe von Xi.

Die Kommunistische Partei als Hochspannungsleitung – Kritik verboten

Die Partei ist unerbittlich. Im August vergangenen Jahres warf die KP Cai Xia aus der Partei, eine langjährige Professorin an der Zentralen Parteihochschule. Sie hatte es gewagt, Xi öffentlich zu kritisieren. Inzwischen lebt sie in den USA.

Im September wurde der bekannte chinesische Geschäftsmann Ren Zhiqiang zu 18 Jahren Haft verurteilt. Offiziell hieß es, dass ihm Bestechlichkeit, Veruntreuung öffentlicher Gelder und Machtmissbrauch vorgeworfen werden.

Die Kommunistische Partei feiert sich. Quelle: AP
Porzellanschalen mit den Bildern der chinesischen Präsidenten Jiang Zemin, Hu Jintao und Xi Jinping (von links nach rechts)

Die Kommunistische Partei feiert sich.

(Foto: AP)

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Ren ein Essay zum Verhängnis geworden ist, in dem er Xis Management des Coronavirus kritisiert hatte. Im November wurde weniger als 48 Stunden vor dem dann wahrscheinlich größten Börsengang der Welt der IPO des chinesischen Tech-Konzerns Ant („Alipay“) gestoppt. Der mutmaßliche Grund: Unternehmensgründer Jack Ma hatte Chinas Regulierer kritisiert. Xi Jinping persönlich soll laut einem Bericht des „Wall Street Journal“ das Listing gestoppt haben.

Dennoch ist der Rückhalt der Partei in der Gesellschaft groß. Dass die chinesische Staatsführung die Coronakrise durch drakonisches Vorgehen gegenüber den eigenen Bürgern verhältnismäßig schnell in den Griff bekommen hat, hat ihr zusätzlichen Auftrieb gegeben. Die KP ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen. Noch immer gibt es jedes Jahr weit mehr Aufnahmeanträge als Zulassungen.

Die Risiken des KP-Modells: Niemand ist mehr in der Lage, Fehlentscheidungen zu stoppen

Xi weiß, dass die Basis des Rückhalts der KP unmittelbar mit dem Erfolg der Wirtschaft verbunden ist. Deshalb will er auch in dem Bereich nichts dem Zufall überlassen. „Wir sind nicht wirklich zurück zum Modell der zentralen Planung, aber näher dran als vor 2013“, sagt Alicia Garcia Herrero, Chefvolkswirtin für Asien-Pazifik bei der französischen Investmentbank Natixis.

Kritiker der Kommunistischen Partei warnen, dass die fehlenden Checks and Balances die Gefahr bergen, dass niemand mehr in der Lage ist, Fehlentscheidungen zu stoppen. Ein kleiner Fehler kann zur Katastrophe werden.

Auch die stärkere Kontrolle der privaten Unternehmen könnte der Volkswirtschaft insgesamt zum Verhängnis werden. Die zunehmenden politischen Restriktionen und Eingriffe könnten „zu einem großen Hemmschuh für Chinas Dynamik werden“, warnt Sebastian Heilmann, Professor für chinesische Politik an der Universität Trier.

Die größte Gefahr sei langfristig ein breites Wegbrechen der wirtschaftlichen Möglichkeiten der oberen Schicht, sagt China-Experte Grünberg. „Wenn die Partei die Unterstützung der Wirtschaftselite verliert, hat sie sich ressourcenstarke Gegner geschaffen, und die Allianz zwischen Wirtschaft und politischer Elite ist zentral für Regimestabilität.“

Rein wirtschaftlich steht China derzeit zwar noch so gut da wie nie zuvor. Bislang sind insbesondere die hohen Einkommensklassen von größeren Einbrüchen verschont geblieben. Selbst die Coronakrise merkten sie kaum in ihren Geldbeuteln.

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Doch die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt sieht sich zahlreichen Risiken ausgesetzt: Der in der Coronakrise weiter gestiegene, enorm hohe Schuldenberg der Lokalregierungen und der privaten Verbraucher sowie der unregulierte Schattenbankenmarkt machen auch den chinesischen Aufsehern Sorgen. Hinzu kommt der demografische Wandel, der in China mit dramatischem Tempo voranschreitet.

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Infolge der jahrzehntelang praktizierten strikten Ein-Kind-Politik vergreist die chinesische Bevölkerung so schnell wie kaum eine andere. Das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hat sich in den vergangenen Jahren ohnehin bereits abgekühlt – nun droht es sich noch weiter abzuschwächen.

Geopolitische Spannungen erhöhen das Risiko für Firmen, in dem Land Geschäfte zu machen. Peking stößt die internationale Gemeinschaft mit schweren Menschenrechtsverstößen und seinem Vorgehen in Hongkong immer wieder vor den Kopf.

Der zunehmende Nationalismus im Land, der von der KP geschürt wird, trägt zur unsicheren Lage insbesondere von ausländischen Unternehmen bei. Erst im März sah sich der Bekleidungskonzern H&M einem tagelangen Shitstorm ausgesetzt, weil die Jugendorganisation der KP kritisiert hatte, dass das Unternehmen keine Baumwolle mehr aus Xinjiang bezieht.

Von all den Problemen und Herausforderungen, vor denen die Partei steht, wird am 1. Juli jedoch nichts zu sehen und zu hören sein. Dissidenten wurden aufgefordert, die Stadt für die Feierlichkeiten zu verlassen.

Die Zensoren der chinesischen Tech-Konzerne sind angewiesen, jegliche negativen Kommentare zu dem Jubiläum im Internet sofort zu löschen. Und die Staatsmedien werden das tun, was sie bei diesen Gelegenheiten immer tun: Jubelmeldungen verbreiten.

Mehr: Deutsche Unternehmen in China geben sich erstmals einen Verhaltenskodex für ihre Lieferketten

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1 Kommentar zu "100 Jahre Kommunistische Partei: Alles unter Kontrolle: Wie die KP in China Wirtschaft und Gesellschaft beherrscht"

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  • "Die Risiken des KP-Modells: Niemand ist mehr in der Lage, Fehlentscheidungen zu stoppen" - mag sein, aber es gibt keinen Grund, diesen Punkt so hervorzuheben, denn wenn man ehrlich ist, ist das bei uns - und insb, in der EU - nicht sehr viel anders. Jean-Claude Juncker hatte ja sogar das Rezept verraten, wie man das in der EU-Spitze ausnutzt.

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