76 Milliarden Euro Steuerschulden: Athen will Steuernachzahlungen erleichtern
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76 Milliarden Euro SteuerschuldenAthen will Steuernachzahlungen erleichtern
Griechenland braucht dringend Geld. Mit einem Gesetz will die Regierung in Athen die Zahlungsmoral von säumigen Steuerzahlern erhöhen. An einen durchschlagenden Erfolg glaubt sie jedoch selbst nicht.
Für eine „neue Kultur der Einhaltung der Steuervorschriften“.
(Foto: ap)
Athen Das von einer Staatspleite bedrohte Griechenland geht auf säumige Steuerzahler zu, um die leere Staatskasse aufzufüllen. Das Parlament in Athen verabschiedete in der Nacht zum Samstag einen entsprechenden Regierungsentwurf. Das Gesetz sieht erhebliche Erleichterungen für Personen und Unternehmen vor, die mit ihren Steuern sowie Zahlungen an Sozialkassen in Rückstand geraten sind. Sie können ihre Steuerschulden jetzt beispielsweise in 100 Raten zurückzahlen. Steuerzahlern, die bis Ende März ihre Schulden begleichen, werden Bußgelder und Verzugszinsen erlassen.
Die Regierung will damit Steuerschuldner doch noch bewegen zu zahlen und hofft so auf zusätzliche Einnahmen von bis zu 8,9 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Laut Finanzminister Gianis Varoufakis schulden rund 3,7 Millionen Griechen und 447 000 Unternehmen dem Staat etwa 76 Milliarden Euro. Für das Gesetz stimmten außer den Regierungsparteien - dem Linksbündnis Syriza von Ministerpräsident Alexis Tsipras und den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen - auch die sozialistische Pasok und die konservative Nea Dimokratia.
Das Eintreiben von Steuern gehört zu den Kernforderungen der internationalen Geldgeber an das Krisenland. Beim EU-Gipfel in Brüssel hatte sich die zuletzt stark getrübte Stimmung verbessert: Die Europartner sicherten Athen zu, so rasch wie möglich die dringend benötigten Milliardenkredite zu überweisen. Die Geldgeber rechnen damit, dass Tsipras im Gegenzug eine neue Liste mit Reformvorschlägen bis spätestens Ende des Monats vorlegen wird. Damit erhält Athen nach wochenlangem Streit eine letzte Chance, den drohenden Bankrott abzuwenden und damit in der Eurozone zu bleiben.
Zahlen und Fakten zu Griechenland
In Griechenland leben etwas mehr als zehn Millionen Menschen (10.816.286). Daneben leben rund 300.000 illegale Einwanderer im Land, darunter Menschen aus Bürgerkriegsländern wie dem Irak, Syrien und Libyen.
Angaben der Weltbank zufolge lebten 2014 insgesamt 8.642.000 Griechen in Städten. Die überwiegende Mehrheit der Griechen lebt also in ländlichen Gebieten.
Das griechische Bruttoinlandsprodukt (BIP) nahm in den vergangenen Jahren stetig ab. 2013 lag es bei 182,1 Milliarden Euro, Schätzungen zufolge liegt das BIP 2014 bei 181,9 und 2015 Schätzungen zufolge bei 187,9 Milliarden Euro.
Die Arbeitslosenquote steigt in Griechenland seit Beginn der Krise stetig an. Während 2008 lediglich 7,2 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ohne Beschäftigung waren, stieg der Anteil der Arbeitslosen über 17,65 Prozent in 2011 bis auf 27,25 Prozent 2013 der griechischen Gesamtbevölkerung an.
2006 war jeder Grieche durchschnittlich mit 20.272,02 Euro verschuldet. Dieser Wert erreichte seinen Zenit mit 32.000,49 Euro in 2011. Zwei Jahre später lag die Pro-Kopf-Verschuldung bei 28.848,16 Euro.
Das Durchschnittsalter der griechischen Bevölkerung liegt 2015 bei 43,5 Jahren.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte, Tsipras habe verstanden, dass dringender Handlungsbedarf bestehe. Nun müssten weitere Schritte folgen, forderte der SPD-Politiker in der „Passauer Neuen Presse“ vom Samstag. Der Gipfel in Brüssel habe „ohne jeden Zweifel“ Fortschritte gebracht.
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Schulz sieht erheblichen Vertrauensverlust
Schulz zeigte sich zugleich überzeugt, dass Griechenland weiter Mitglied der Eurozone bleibt, wenn Athen in den nächsten Tagen „die notwendigen Hausaufgaben“ erledige. Er betonte zudem, die neue griechische Regierung sei zwar nicht schuld am Zustand des Landes. Dennoch habe sie es in den vergangenen Wochen geschafft, „in erstaunlich viele Fettnäpfchen zu treten“. Der Vertrauensverlust sei erheblich, sagte Schulz.
Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) äußerte derweil abermals Zweifel an der Verlässlichkeit Griechenlands. Mit Blick auf die jüngsten Zusicherungen von Tsipras, die geforderten Reformen zügig umzusetzen, sagte Söder dem „Tagesspiegel“ vom Sonntag: „Das hat Griechenland bisher jedes Mal zugesagt und wenig geliefert.“ Er sei „gespannt, wie es diesmal wird“. Insofern sei es gut, wenn Tsipras am Montag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Eindruck davon vermittle, „ob er den Ernst der Lage begriffen hat“. Tsipras trifft am Montagabend mit Merkel in Berlin zusammen.
Linke-Chef Bernd Riexinger warnte davor, die Schuldenkrise mit dem Streit über Reparationszahlungen oder Zwangskredite aus dem Zweiten Weltkrieg zu verknüpfen. „Im Kern muss man das gesondert klären. Ich glaube nicht, dass da ganz schnelle Lösungen zu erwarten sind“, sagte er vor dem Besuch von Tsipras in Berlin der Deutschen Presse-Agentur. Athen verlangt von Deutschland für einen 1942 gewährten Zwangskredit elf Milliarden Euro und Reparationen für von den Nazis begangenes Unrecht. Die Regierung lehnt das ab. „Die Bundesregierung muss sich auf den Weg des Dialogs und des Rechts begeben“, sagte Riexinger.
Tsipras trifft sich am Montag mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Syriza-Politiker spricht zudem mit der Partei- und Fraktionsspitze der Linken.
Im Linksbündnis Syriza, das mit teuren Wahlversprechen gepunktet hatte, ist Tsipras' Kurs umstritten. Am Mittwoch war der bisherige Chefökonom John Milios von seinem Posten im Politsekretariat der Partei abgelöst worden. Nach der Vereinbarung zwischen Griechenland und der Eurogruppe am 20. Februar hatte Milios die Regierung scharf kritisiert. Damals war eine viermonatige Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms vereinbart worden. Griechenland musste sich im Gegenzug zu weiteren Sparanstrengungen und Reformen verpflichten.
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