Afghanistan Der Westen ist gefangen im Taliban-Dilemma – denn die Islamisten haben ein mächtiges Druckmittel

Pressekonferenz in Kabul: Die Taliban haben jetzt das Sagen.
Brüssel Es war nur eine vage Hoffnung, doch auch diese zerschlägt sich nun. Die Taliban haben eine afghanische Regierung vorgestellt, die vornehmlich aus Hardlinern besteht und in der Frauen oder ethnische Minderheiten keinen Platz finden.
Das Kabinett solle übergangsweise amtieren, erklärten die neuen Machthaber in Kabul zwar. Aber mit ihrer Personalpolitik senden die Islamisten das klare Signal, dass sie weder bereit sind, ihre Macht im Land zu teilen, noch dass sie geneigt sind, den USA und der EU Zugeständnisse zu machen.
An ihre Zusage, eine „inklusive“ Regierung zu bilden, fühlen sich die Taliban offenkundig nicht gebunden. Das kann niemanden überraschen, der sich näher mit der fundamentalistischen Bewegung und ihren führenden Figuren beschäftigt hat.
Dennoch gab es in Washington, Berlin und anderen Hauptstädten zuletzt die optimistische Erwartung, dass die Taliban nach dem Abzug der westlichen Truppen einen moderateren Kurs einschlagen würden, um das fragmentierte Land zusammenzuhalten. Dafür spricht praktisch kaum noch etwas.
Die Unnachgiebigkeit der Taliban stellt Amerikaner und Europäer vor ein Dilemma: Isolieren sie die neue afghanische Regierung und stellen die Hilfen für das Land ein, verstärken sie die Not der Bevölkerung – und lösen damit möglicherweise neue Flüchtlingsbewegungen aus. Erkennen sie die Taliban-Regierung dagegen an, verraten sie die Werte von Freiheit und Gleichberechtigung, für die sie fast 20 Jahre lang am Hindukusch gekämpft haben.
Am Mittwoch beriet sich Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) mit seinem amerikanischen Amtskollegen Antony Blinken auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein, wo viele Afghanen untergebracht sind, die vor den Taliban flüchten konnten. Maas warnte vor einer humanitären Krise in Afghanistan, eine Einschätzung, die sich unter anderem auf die Uno stützt.
Nach Angaben der Vereinten Nationen steht die Grundversorgung Afghanistans vor dem Zusammenbruch, nicht zuletzt weil Nahrungsmittelhilfen und andere Unterstützungen auslaufen. Afghanistan war bisher stark abhängig von westlichen Geldströmen. Diese können die Taliban kurzfristig kaum ersetzen, auch nicht mithilfe der Chinesen, die eine Chance wittern, ihren Einfluss in der Region auszubauen.

Bundesaußenminister Heiko Maas (r.) mit seinem amerikanischen Amtskollegen Antony Blinken in Ramstein.
Blinken forderte die Taliban nach dem Treffen mit Maas auf, ihre Zusage einzuhalten, Afghanen mit entsprechenden Reisedokumenten ausreisen zu lassen. Er verwies auf Charterflugzeuge im nordafghanischen Masar-i-Scharif, mit denen schutzsuchende Afghanen ausgeflogen werden sollten, die von den Taliban aber aufgehalten würden.
Die USA übten weiterhin Druck auf die Islamisten aus, damit die Flugzeuge und die Menschen an Bord Afghanistan verlassen könnten. Blinken rief die Taliban auch auf, humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung zuzulassen.
Sorge bereite ihm insbesondere der Werdegang einiger der nominierten Regierungsmitglieder. Zum künftigen Innenminister ernannten die Taliban Siradschuddin Hakkani, der als Terrorist auf der Fahndungsliste der USA steht. Die US-Bundespolizei FBI hat ein Kopfgeld von bis zu 10 Millionen Dollar (knapp 8,5 Millionen Euro) für Hinweise ausgelobt, die zu seiner Festnahme führen.
Blinken betonte: „Die Art der Beziehungen der von den Taliban geführten Regierung zu uns und zur internationalen Gemeinschaft wird ganz von ihrem Handeln in den kommenden Wochen und Monaten abhängen.“
Vergangene Woche hatten die EU-Außenminister sich auf Bedingungen geeinigt, unter denen man mit den Taliban zusammenarbeiten und die Hilfszahlungen aufrechterhalten wolle. Zu den Bedingungen zählen die Rechte von Frauen und Mädchen und die Möglichkeit für europäische und afghanische Staatsbürger, das Land zu verlassen. Außerdem der freie Zugang zum Land für humanitäre Helfer, die Wahrung der Pressefreiheit und die Schaffung einer repräsentativen Regierung, in der auch Frauen und Minderheiten einen Platz haben.
Bundesaußenminister Maas betonte, dass diese Voraussetzungen nicht verhandelbar seien. Doch die nun gebildete Regierung zeigt, dass die Taliban nicht gewillt sich, auf solche Forderungen einzugehen.
EU für humanitäre Hilfe
Trotz aller finanziellen Not treten die Islamisten nicht als Bittsteller auf. Sie wissen genau, dass sie ein Druckmittel in den Händen haben: das Schicksal der Zurückgelassenen. Noch immer stecken Europäer und US-Bürger in Afghanistan fest, hinzu kommen die „Ortkräfte“ – Afghanen, die Europa und die USA bei dem gescheiterten Versuch unterstützt haben, die Taliban zu besiegen, und die nun um ihr Leben fürchten müssen.

Nach Angaben der Vereinten Nationen steht die Grundversorgung Afghanistans vor dem Zusammenbruch.
Der Umgang mit dem Taliban-Dilemma beschäftigte am Mittwoch auch die EU-Kommission. Die EU-Spitze entschied sich, die Nothilfe für Afghanistan bis auf Weiteres fortzusetzen, die neue Taliban-Regierung aber genau im Auge zu behalten.
„Die Europäische Union ist bereit, weiter humanitäre Hilfe zur Verfügung zu stellen“, stellte der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maros Sefcovic, klar. Konkret gehe es um 200 Millionen Euro: „Jetzt prüfen wir, wie wir diese den Menschen zukommen lassen können, die Hilfe brauchen“, sagte Sefcovic. „Dabei müssen wir sehr vorsichtig sein. Deswegen koordinieren wir uns mit Hilfsorganisationen.“
Jenseits von Nothilfen wird in Brüssel auch diskutiert, ob die lang- und mittelfristig angelegte Entwicklungshilfe weiterfließen soll. Diese Transfers hingen davon ab, ob die neuen Machthaber in Kabul Grundfreiheiten aufrechterhielten, erläuterte Sefcovic: „Wir schauen uns sehr, sehr genau an, wie sich die neue Regierung verhält, bevor wir uns engagieren.“
David McAllister, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, dringt dabei auf eine enge transatlantische Kooperation. „Entscheidend ist eine einheitliche und abgestimmte Strategie aller Mitgliedstaaten im Umgang mit den Taliban auf EU- und Nato-Ebene“, sagte der CDU-Politiker dem Handelsblatt.
Gespräche mit den Taliban sind aus seiner Sicht erforderlich, „um die weitere Evakuierung von Menschen zu ermöglichen und dringend notwendige humanitäre Hilfe“ zu leisten. Das bedeute aber nicht, „dass die internationale Gemeinschaft die Regierung der Taliban anerkennt“. Diese Frage müsse „an strenge Kriterien geknüpft und eng mit unseren internationalen Partnern abgestimmt sein“.
Genau dazu diente Blinkens Deutschland-Besuch. Nach ihrem bilateralen Gespräch wollten der US-Chefdiplomat und Bundesaußenminister Maas per Videoschalte mit ihren Amtskollegen aus mehr als 20 anderen Ländern das weitere Vorgehen im Afghanistan-Konflikt beraten. Blinken geht es auch darum, diplomatische Spannungen abzubauen. Die Tatsache, dass die USA ihre Entscheidung, den Kampf gegen die Taliban endgültig einzustellen und ihre letzten Truppen aus Afghanistan abzuziehen, nicht mit ihren Bündnispartnern abgesprochen haben, belastet die transatlantischen Beziehungen.
Dieser Streit müsse nun in den Hintergrund treten, es stünden „globale Sicherheitsinteressen“ auf dem Spiel, mahnte EU-Parlamentarier McAllister: „Afghanistan darf nicht wieder zu einem Terroristennest werden.“
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Es ist immer das selbe Erpressungsmittel: "Gebt uns Geld oder wir quälen/töten Menschen." (Menschen nach Syrien zurückschicken, im Mittelmeer ertrinken lassen, Foltern von Ungläubigen/Dissidenten oder noch perfider sie schicken die Menschen zu uns).
Bei der RAF haben wir richtigerweise nicht verhandelt und ja, das hat Schleier das Leben gekostet. Und dennoch war es die richtige Taktik. Wir sehen wohin das Verhandeln mit Verbrechern führt: es werden immer mehr Menschen, die die Verbrecher als Druckmittel einsetzen und die Milliarden Erpressungsgeld, die wir unter der Deklarierung "Entwicklungshilfe" bezahlen, machen das Ganze für die Erpresser zum lohnenden Geschäftsmodell.
Die EU sorgt sich um Frauenrechte! Welches islamische Land hat diese denn und trotzdem gibt es beste wirtschaftliche Beziehungen, siehe Saudi Arabien. Bis 9/11 war Afghanistan für die EU kein Thema, erst auf Druck der USA ging die NATO nach Afghanistan. Diesem Land mit seiner rückständigen Religion und Bevölkerung ist nicht zu helfen. Die Taliban waren immer Teil Afghanistans und wurden von der Masse der Bevölkerung gerne als neue Machthaber willkommen geheißen. Die Ortskräfte wurden für dortige Verhältnisse fürstlich bezahlt, dafür muss man dann auch Risiko auf sich nehmen. Europa sollte seine Grenzen sichern und die muslimischen Länder müssen sehen, wie Sie ihre Religion leben können, der westliche Lebensstil ist bei dieser Religion nicht angesagt. Ich möchte keine weiteren muslimischen Männer hier, die uns nur verachten.
Die westlichen Länder wussten Monate vor ihren Abzug das sie Leute früh genug evakuieren müssen.
Und jetzt wäre das auf einmal ein Dilemma?
Ein versagen auf höchster ebene aber Hr.Maas hat gute Chancen bei der nächsten Regierung in Deutschland seinen Posten zu behalten.
Bitte für wie Blöd halten uns die Regierenden Politiker im eigenen Land und Politiker aus anderen Staaten?