Afghanistan Deutschland könnte wichtige Rolle in US-Plänen für Friedensabkommen mit den Taliban spielen

Trump hat Amerikas Sonderbeauftragten für Afghanistan beauftragt, ein Friedensabkommen mit den Taliban auszuhandeln.
Berlin 18 Jahre sind genug. Die Amerikaner sehnen sich danach, dass dieser verdammte Kriegseinsatz, der längste der US-Gesichte, endlich vorbei ist. 57 Prozent sprechen sich in einer Umfrage vom Herbst vergangenen Jahres für einen vollständigen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan aus. Noch höher – 69 Prozent – ist der Anteil unter jenen, die wissen, was dieser Krieg bedeutet: den Veteranen. Es reicht – das ist die unmissverständliche Botschaft der US-Wähler an die Politik. Und Washington hat sie vernommen.
Der Mann, der Amerika aus seinen Verstrickungen am Hindukusch befreien soll, ist Zalmay Khalilzad, Amerikas Sonderbeauftragter für Afghanistan. Khalilzads Order kommt direkt aus dem Weißen Haus, von Präsident Donald Trump persönlich: ein Friedensabkommen mit den Taliban aushandeln, damit der Truppenabzug möglichst schnell beginnen kann. Doch eine Rückzugsvereinbarung muss von einer innerafghanischen Aussöhnung flankiert werden, sonst droht der Kollaps der afghanischen Regierung. Wie 1975 nach dem US-Abzug aus Vietnam. Dann wäre alles umsonst gewesen.
Und so setzt Khalilzad auf deutsche Hilfe. Am Freitag war er in Berlin zu Besuch, sprach mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) über den Friedensprozess. „Wir haben uns grundsätzlich bereit erklärt, zu diesem Prozess weiter im Rahmen unserer Möglichkeiten Beiträge zu leisten“, erklärte das Auswärtige Amt anschließend. Diese Formulierung ist ein diplomatisches Unterstatement: Zusammen mit Norwegen und Katar spielt Deutschland eine Schlüsselrolle in Khalilzads Planungen.
Nach dem Willen der Amerikaner sollen deutsche Diplomaten dazu beitragen, die Taliban und die afghanische Regierung an einen Tisch zu bringen. Khalilzad weiß, dass die Deutschen in Afghanistan hohes Vertrauen genießen. Sein deutscher Amtskollege Markus Potzel verfügt über hervorragende Kontakte, auch mit den Taliban steht er im Dialog. Und Khalilzad weiß ebenfalls: Die innerafghanische Verständigung ist noch komplizierter als die Abzugsverhandlungen, die er mit den Taliban führt. Bisher weigern sich die Islamisten, Gespräche mit der Regierung in Kabul zu führen, die sie als Marionettenregime des Westens bezeichnen.
„Die Gespräche zeigen, dass man mit den Amerikanern weiterhin zusammenarbeiten kann“
Immerhin: Auf deutsche Vermittlung gab es schon erste Kontakte. Im Juli trafen sich Taliban-Vertreter mit Repräsentanten der afghanischen Regierung in Doha – unter der Bedingung, dass die Beamten als Privatpersonen anreisten. Die nächsten Gespräche wird es wohl im September geben, sie sollen den Beginn des innerafghanischen Friedensprozesses markieren. Als möglicher Verhandlungsort gilt Oslo.
Die Zukunft Afghanistans zählt zu jenen außenpolitischen Themen, die bisher nicht vom transatlantischen Zerwürfnis, das sie Ära Trump kennzeichnet, belastet werden. „Die Gespräche zeigen, dass man mit den Amerikanern weiterhin zusammenarbeiten kann“, sagte Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, dem Handelsblatt. „Eine Friedenslösung ist unser gemeinsames Ziel.“
Die Bundeswehr kämpft seit 2002 an der Seite der Amerikaner am Hindukusch. Mit 1300 Soldaten stellt Deutschland das zweitgrößte Kontingent internationaler Truppen. Erst im März 2019 hat der Bundestag das Bundeswehr-Mandat für die Nato-geführte Mission „Resolute Support“ um ein Jahr verlängert. Sie dient der Ausbildung der afghanischen Armee, die in den Kämpfen mit den Taliban hohe Verluste erleidet.
Eine militärische Lösung für Afghanistan gibt es nicht – diese Erkenntnis hat sich inzwischen in allen westlichen Hauptstädten durchgesetzt. Zugleich allerdings herrscht in Berlin die Sorge, dass sich die Amerikaner zu früh aus Afghanistan verabschieden und damit auf Spiel setzen, was beim Wiederaufbau des Landes bisher erreicht wurde.
„Ein überhasteter Rückzug wäre ein großer Fehler“, mahnt Schmid. Der Pluralismus, der nach der Vertreibung der Taliban aus Kabul in der afghanischen Verfassung verankert wurde, darf nicht aufgegeben, Frauenrechte nicht beschnitten und Mädchenschulen nicht geschlossen werden. All das ist zu befürchten, wenn die Islamisten ihren Herrschaftsbereich ausdehnen.
Ein Abkommen, das den Frieden in Afghanistan sichert und gleichzeitig den gesellschaftlichen Fortschritt nicht opfert, befindet sich noch in weiter Ferne, auch wenn Khalilzad auf Twitter über „hervorragende Fortschritte“ berichtet. In der ersten Jahreshälfte wurden nach UN-Angaben fast 4000 Zivilisten verletzt oder getötet. Gerade die Hauptstadt Kabul wurde zuletzt mehrfach von schweren Selbstmordattentaten erschüttert.
Für Volker Perthes, Direktor der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, ist die anhaltende Gewalt allerdings kein Argument gegen einen Friedensprozess, sondern im Gegenteil dafür: „Es ist höchste Zeit, einen Krieg zu beenden, der mittlerweile fast doppelt so lang gedauert hat wie die beiden Weltkriege zusammen und offensichtlich nicht zu gewinnen ist“, sagte er dem Handelsblatt.
Mehr: Im Norden Afghanistans ist es zu einem Angriff auf ein deutsches Camp gekommen. Verletzte habe es dabei aber nicht gegeben, meldet die Bundeswehr.
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