Afghanistan Einig gegen die USA, uneins in Glaubensfragen – Iran und Taliban verbindet eine Hassliebe

Menschen an der Grenze zwischen Afghanistan und dem Iran.
Berlin Die Niederlage des großen Rivalen USA in Afghanistan hat in Irans Hauptstadt keineswegs zu Jubelstürmen geführt. Zwar hat Irans Führung schon lange vor dem Fall Kabuls Kontakte mit den Taliban unterhalten, vor allem aber bestanden Beziehungen zur inzwischen gestürzten Regierung Afghanistans. So besuchte der mittlerweile geflohene afghanische Staatschef Ashraf Ghani Teheran noch Anfang August bei der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi.
Es ist eine Hassliebe, die Iran mit den Taliban verbindet. Sie eint die konservative Auslegung des Islams, inklusive Steinigungen von Ehebrecherinnen und Todesstrafe, und der Hass auf Amerika. Aber sie sind tief gespalten in anderen Fragen: Die Taliban sind harte Verfechter eines sunnitischen Islam, der Iran ist Vormacht der Schiiten.
Teheran musste hilflos hinnehmen, dass während der 2001 durch die Nato-Invasion gestürzte erste Taliban-Regierung eine massive Unterdrückung und Verfolgung der schiitischen Hazara-Minderheit in Afghanistan stattfand. Hunderttausende flohen in den Iran.
Shahram Akbarzadeh, Professor für Politik des Nahen Ostens und Zentralasiens an der australischen Deakin University, sagt, dass Teheran auf „professionelle, wenn nicht gar herzliche Beziehungen“ zu der künftigen afghanischen Regierung hoffe. Man befürchte jedoch, dass die Taliban antischiitisch eingestellt seien, die Hazara-Minderheit verfolgten und eine antiiranische Politik verfolgten.
Große Gefahr für den Iran
Dies wäre für den Iran „äußerst bedenklich“, so Akbarzadeh, denn „aus geostrategischer Sicht würde dies den saudischen Einfluss in Afghanistan erleichtern. Eine schiiten- und iranfeindliche Regierung in Afghanistan könnte den Iran vor ernsthafte Sicherheitsherausforderungen stellen.“
Saudi-Arabien hat früher die antikommunistischen Mudschaheddin in ihrem Kampf gegen die Sowjetinvasion am Hindukusch finanziert. Auch radikalislamische sunnitische Terrorgruppen wie die des inzwischen getöteten, aus Saudi-Arabien stammenden Al-Qaida-Terrorchefs Osama bin Laden haben immer wieder Geld von Spendern vom Golf bekommen.
Im persischsprachigen Westen Afghanistans hat Teheran immer erheblichen Einfluss besessen – wie auch Usbekistan und Tadschikistan, die große Minderheiten im Norden Afghanistans haben. In beiden früheren Sowjetrepubliken hatte Bundesaußenminister Heiko Maas bei seiner Reise in die Nachbarstaaten Afghanistans die Zusage erhalten, Deutsche und Ortskräfte der Bundeswehr aus Afghanistan als Geflüchtete aufzunehmen und nach Deutschland ausfliegen zu lassen.
Den Iran mied Maas bei seiner Reise in die Anrainerstaaten. Dorthin wurde der Sondergesandte für Afghanistan und Pakistan, Jasper Wieck, geschickt. Aufgrund des anhaltenden Streits um Irans Atomprogramm, deshalb drohender neuer Sanktionen und vor allem wegen des radikalen Präsidenten Raisi sind die Beziehungen angespannt.
Iran sieht sich an Grenze der Belastbarkeit
Der Iran will bisher keine weiteren Geflüchteten zusätzlich aufnehmen, denn das Land sieht sich schon jetzt an der Grenze der Belastbarkeit. Derzeit sind schon mehr als 800.000 afghanische Flüchtlinge im Iran. Bis vor drei Jahren waren sie dort auch gern gesehene Arbeitskräfte, vor allem in schlecht bezahlten Branchen wie Bau und Müllabfuhr.
Die US-Sanktionen nach Ex-Präsident Donald Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen haben aber der iranischen Wirtschaft so stark geschadet, dass viele Afghanen arbeitslos wurden und einige sogar in ihre alte Heimat zurückgingen.
Unklar ist bisher, ob und wie viel Geld internationale Hilfsorganisationen auch für Flüchtlingshilfe im Iran ausgeben können. Das Auswärtige Amt hatte kürzlich 100 Millionen Euro zusätzlicher Flüchtlingshilfe für Anrainerstaaten angekündigt. Dass Pakistan und die nördlichen Anrainer bedient werden, ist klar. Nicht aber, ob der Iran etwas von dem Geld abbekommt.

Der Iran hat große Sorgen vor mehr Flüchtlingen aus dem Osten. Unklar ist auch, ob das Land westliche Gelder für Flüchtlingslager bekommt wie andere Anrainerstaaten Afghanistans.
Weiter westwärts zu ziehen, Richtung Europa über die Türkei, wird für die Geflüchteten immer schwieriger: Die Türkei will jetzt 300 ihrer 534 Kilometer langen Grenze zum Iran mit einer Mauer schließen.
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