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Afghanistan Taliban erobern afghanische Provinzhauptstadt Kundus

Die Stadt im Norden Afghanistans ist nach heftigen Gefechten an die militant-islamistischen Taliban gefallen. In der Nähe von Kundus lag früher ein großes Feldlager der Bundeswehr.
08.08.2021 Update: 08.08.2021 - 18:26 Uhr Kommentieren
Die Taliban haben im Land mehrere Offensiven gegen Regierungstruppen gestartet. Quelle: imago images/Xinhua
Militär im Einsatz gegen die Taliban bei Kundus im Juli

Die Taliban haben im Land mehrere Offensiven gegen Regierungstruppen gestartet.

(Foto: imago images/Xinhua)

Kabul Die militant-islamistischen Taliban haben in Afghanistan die Provinzhauptstadt Kundus im Norden des Landes eingenommen. Die Stadt sei am Sonntag nach heftigen Kämpfen gefallen, bestätigten drei Provinzräte sowie ein Bewohner der Deutschen Presse-Agentur.

In Deutschland ist Kundus vor allem bekannt, weil die Bundeswehr jahrelang in der Nähe ein großes Feldlager hatte. Nach der Großstadt Kundus haben die Taliban am Sonntag eine weitere Provinzhauptstadt im Norden Afghanistans eingenommen. Die Sicherheitskräfte von Talokan in der Provinz Tachar hätten sich aus der Stadt zurückgezogen, sagte Provinzrat Rohullah Raufi. Ein weiterer hochrangiger Beamter, der namentlich nicht genannt werden wollte, bestätigte, dass die Stadt gefallen sei.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, hat vor einem internationalen „Desaster“ gewarnt. In Afghanistan bestehe nun die Gefahr, dass die Islamisten das ganze Land eroberten, einschließlich der Hauptstadt Kabul, sagte der CDU-Politiker am Sonntag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

„Es darf jetzt nicht zugelassen werden, dass sie militärisch einseitig Fakten schaffen.“ Dann bestünde auch keine Aussicht mehr auf eine politische Lösung. Röttgen appellierte an die internationale Gemeinschaft, aus Verantwortung für die eigene Sicherheit und die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung diese Entwicklung zu stoppen.

Dies könne auch eine Beteiligung der Bundeswehr bedeuten. Die Ergebnisse von 20 Jahren dürften nicht zunichte gemacht werden. „Wenn es also militärische Fähigkeiten der Europäer, auch der Deutschen, gibt, die jetzt benötigt würden, dann sollten wir sie zur Verfügung stellen.“

Röttgen appelliert an Joe Biden

Der CDU-Politiker appellierte an die USA, in Afghanistan zu handeln. Wörtlich sagte er: „Der amerikanische Präsident Joe Biden hat es jetzt noch in der Hand, das erste große außenpolitische Desaster, dass aus seiner Fehlentscheidung entstanden ist, ohne Absprache mit den Alliierten den raschen Rückzug der amerikanischen Truppen anzuordnen, in den Griff zu bekommen.“ Die USA wollen nach dem aktuellen Zeitplan bis Ende August ihre letzten Truppen aus Afghanistan zurückziehen.

Durch die Eroberung brachten die Taliban innerhalb von drei Tagen vier Provinzhauptstädte unter ihre Kontrolle. Seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan Anfang Mai laufen mehrere Offensiven der Taliban. Erst konnten sie vor allem im ländlichen Raum massive Gebietsgewinne verzeichnen.

Sie kontrollieren mittlerweile mehr als die Hälfte der rund 400 Bezirke des Landes und auch mehrere Grenzübergänge. Zuletzt verlagerten sich die Kämpfe zunehmend in die Hauptstädte der 34 Provinzen.

Kundus wurde seit langem von Taliban-Kämpfern belagert. In den vergangenen zwei Tagen hätten die Islamisten ihre Angriffe intensiviert, sagten die Provinzräte. Abgesehen von einer Militärbasis rund drei Kilometer vom Stadtzentrum und dem Flughafen kontrollierten die Taliban nun die ganze Stadt.

Dorthin seien Regierungsvertreter geflüchtet. Die Menschen in der Stadt hätten weder Wasser noch Essen. Sie hielten sich in ihren Häusern versteckt. Kundus mit seinen etwa 370.000 Einwohnern hat auch für die Bundeswehr, die Ende Juni nach fast 20 Jahren aus Afghanistan abgezogen war, große Bedeutung.

Auswärtiges Amt: Lage in Afghanistan verschlechtert sich

Hier lieferten sich deutsche Soldaten stundenlange Gefechte mit den Taliban. Nirgendwo in Afghanistan fielen mehr Deutsche als in Kundus und der Nachbarprovinz Baghlan. Im Vorjahr waren im „Camp Pamir“ noch etwa 100 deutsche Soldaten stationiert.

Das Auswärtige Amtes sieht eine zunehmende Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan. Nach der Übernahme der Provinzhauptstadt Kundus durch die Taliban sagte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, die Situation entwickle sich rasant. Bereits in der Vergangenheit sei der so genannte Asyllagebericht aktualisiert worden, falls dies erforderlich war. „Auch mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen wird derzeit eine Aktualisierung des Asyllageberichts vorbereitet.“

Der Asyllagebericht dient als Hilfe bei der Entscheidung in Asylverfahren und bei Abschiebungen. Die Bundesregierung hatte zuletzt deutlich gemacht, dass für sie ein genereller Abschiebestopp für Menschen aus Afghanistan derzeit nicht infrage kommt.

Der aktuelle Asyllagebericht des Auswärtigen Amts stellt zwar eine stärkere Gefährdung bestimmter Gruppen durch den Vormarsch der Taliban fest, aber keine generelle Gefährdung von Rückkehrern. Er bildet allerdings den Stand im vergangenen Mai ab - also kurz vor dem Beginn des Abzug der ausländischen Truppen.

Die Lage in der Stadt Sar-i Pul mit geschätzt 180.000 Einwohnern ähnelt der in Kundus. Provinzräten zufolge haben die Islamisten seit Sonntagmorgen (Ortszeit) die wichtigsten Regierungsgebäude unter ihrer Kontrolle. Die Sicherheitskräfte hätten sich in der Nacht schwere Gefechte mit ihnen geliefert.

Als allerdings der zweite Polizeibezirk fiel, hätten sie ihre Posten verlassen und sich in eine Militärbasis einen Kilometer vom Stadtzentrum zurückgezogen. Auch Regierungsvertreter befänden sich nun in dieser Militärbasis. Die Taliban feuerten Mörsergranaten auf sie.

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Der Provinzrätin Massuma Schadab zufolge liegen mehrere Leichen in den Straßen. Es traue sich aber niemand, diese zu bergen. Sar-i Pul hat geschätzt 180.000 Einwohner. Die Provinz, in der Ölvorkommen gefördert werden, grenzt unter anderem im Osten an die Provinzen Balch mit der Hauptstadt Masar-i-Scharif und im Norden an die Provinz Dschausdschan.

Provinzhauptstadt Sarandsch an Taliban gefallen

Die Regierung halte in der Provinz nur noch den Bezirk Balchab, sagten die Provinzräte weiter. Am Freitag war schon die kleine Provinzhauptstadt Sarandsch in Nimrus an der iranischen Grenze praktisch kampflos an die Taliban gefallen.

Am Samstag folgte die Stadt Schiberghan in Dschausdschan im Norden, Machtsitz des umstrittenen ehemaligen Kriegsfürsten und Ex-Vizepräsidenten Abdul Raschid Dostum, eine führende Anti-Taliban-Figur. Nach Angaben des afghanischen Verteidigungsministeriums fliegen die USA, die ihren Abzug aus Afghanistan praktisch abgeschlossen haben, weiter Luftangriffe in dem Land.

Ein Taliban-Treffen in der Stadt Schiberghan sei mit B-52-Bombern angegriffen worden, teilte ein Sprecher auf Twitter mit. Die US-Militärmission in Afghanistan endet am 31. August. Der Abzug ist amerikanischen Angaben zufolge zu mehr als 95 Prozent abgeschlossen.

Mehr: Taliban greifen Grüne Zone in Kabul an

  • dpa
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