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Afghanistan USA wollen „täglich bis zu 9000 Menschen“ ausfliegen – Ermittlungen wegen Toter auf Kabuler Flugfeld

Die USA bereiten sich vor, 28.000 Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. Doch im Kabuler Chaos bleibt die Mission schwierig – nun wird wegen Toter an einem Militärflugzeug ermittelt. 
18.08.2021 Update: 18.08.2021 - 07:38 Uhr Kommentieren
Dramatische Szene wie diese spielen sich derzeit zuhauf in Kabul ab. Der Flughafen ist der einzige Weg aus dem Land. Quelle: AP
Menschen auf dem Kabuler Flughafen versuchen, diesen C17-Flieger des US-Militärs zu erreichen

Dramatische Szene wie diese spielen sich derzeit zuhauf in Kabul ab. Der Flughafen ist der einzige Weg aus dem Land.

(Foto: AP)

Washington Die Nachrichten, die das US-Militär zur Lage am Kabuler Flughafen verbreitet, lassen zumindest etwas hoffen: Unmittelbar am Airport-Gelände gäbe es „keine feindlichen Interaktionen, keine Angriffe, keine Bedrohung durch die Taliban“, erklärte das Pentagon. Es ist ein kleines positives Signal in einer ansonsten erschütternden und fragilen Lage: Die Taliban halten die Grenzübergänge dicht, der einzige Ausweg in die Freiheit ist der Flughafen Kabul.

Doch selbst dieser Ausweg steht nicht immer offen. Am Dienstag hatten Hunderte Menschen versucht, einen US-Militärflieger zu erreichen. Dessen Pilot startete trotz Chaos auf dem Flugfeld schließlich durch. Weil später an der Maschine offenbar Leichtenteile entdeckt wurden, ermitteln nach Angaben der US-Luftwaffe nun amerikanische Behörden in dem Fall.

Ein scharfer Kontrast zu nahezu ikonischen Bildern vom Dienstagvormittag: Bilder eines Luftwaffenfrachters mit mehr als 600 Afghanen an Bord gingen um die Welt. Eigentlich war die Maschine nur für 130 Personen ausgelegt, doch die Crew flog trotzdem los.

Inzwischen haben die USA die Evakuierung von Zivilisten und Diplomaten aus Afghanistan unter etwas geordneteren Umständen fortgesetzt. Jetzt verspricht die US-Regierung mindestens einen Rettungsflug pro Stunde, um „täglich 5000 bis 9000 Menschen“ evakuieren zu können, hieß es aus dem Pentagon. Insgesamt stellen sich die USA auf 22.000 bis 28.000 Ankömmlinge aus Afghanistan ein. Allerdings wuchsen gen Mittwoch auch Zweifel, ob das gelingen kann. Um das zu erreichen, müssten „zu viele Dinge hundertprozentig klappen“, sagt ein US-Offizieller der Nachrichtenagentur Reuters.

Sollte es klappen, werden die meisten Menschen von US-Maschinen auf diese amerikanischen Militärflughäfen geflogen: Fort McCoy im Bundesstaat Wisconsin, Fort Bliss in Texas und Fort Lee in Virginia. Dort wurden vorübergehende Unterkünfte für Visa-Anwärter errichtet, während sich die Menschen Sicherheitschecks unterziehen und auf die nächsten Schritte im Einwanderungsverfahren warten.  

Mehr als 600 Menschen an Board einer Maschine der US-Streitkräfte. Quelle: via REUTERS
Evakuierung

Mehr als 600 Menschen an Board einer Maschine der US-Streitkräfte.

(Foto: via REUTERS)

Mit der großangelegten Rettungsaktion scheint die US-Regierung auch Schadensbegrenzung betreiben zu wollen. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden wurde vom Durchmarsch der Taliban überrumpelt, international gerät Washington wegen der verheerenden Fehleinschätzung der Lage in die Kritik. Nun soll wenigstens die Evakuierung funktionieren – nicht nur von den verbliebenen US-Bürgern, sondern auch von lokalen Helfern, die Jahrzehnte an der Seite der USA standen: Dolmetscher, Vermittler und andere Vertragsarbeiter. Nicht wenige von ihnen müssen um ihr Leben fürchten, wenn sie in Afghanistan bleiben. 

Sonderprogramm für lokale Helfer

Die Chance für einen Neustart sind sogenannte „Spezielle Einwanderungsvisa“ (SIV), ein Sonderprogramm, das die USA für lokale Helfer aus Afghanistan und dem Irak geschaffen haben. Doch Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass Tausende ohne Perspektive und in Todesangst zurückbleiben. „Wir brauchen viel mehr Flüge“, kritisierte die Organisation Human Rights Watch.

Ein Kritikpunkt von Experten ist, dass Biden die Flüge nur bis zum 31. August durchführen lassen will, wenn die USA sich endgültig aus Afghanistan zurückziehen. Doch es ist fraglich, ob sich bis dahin genügend Menschen an Bord eines Militärjets retten können.

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Die Wege nach Kabul sind abgeschnitten, die US-Botschaft ist faktisch nicht mehr im Betrieb. Grundsätzlich passiere zu wenig und zu spät, kritisierte die US-Flüchtlingsorganisation National Immigration Forum. Die Gruppe warf der Biden-Regierung einen „völligen Mangel an Planung“ vor und betonte, man habe Monate Zeit gehabt, ein Konzept zu entwickeln. 

USA wollen nicht jeden retten

In der Vergangenheit bot das SIV-Programm oftmals eine verhältnismäßig unbürokratische Option für einen legalen Aufenthalt in den USA – jenseits der schier aussichtslosen Asylprogramme. Streng genommen gelten SIV-Inhaber nicht als Flüchtlinge, sondern sie bekommen direkt eine Greencard, dürfen arbeiten und können nach fünf Jahren die US-Staatsbürgerschaft beantragen. Trifft man gebürtige Afghanen in den USA, erzählen viele von ihnen, dass der Visa-Prozess unkompliziert gewesen sei und die Papiere schnell für sie und ihre Familien ausgestellt wurden. Doch es gibt auch viele Gegenbeispiele: Anwälte berichten in US-Medien von hohen Auflagen und jahrelangen Wartezeiten, obwohl die Bearbeitung eigentlich maximal neun Monate dauern soll. 

Die dramatische Situation in Afghanistan entblößt nun eine bittere Erkenntnis: Die USA wollen nicht jeden retten, der ihnen im Krieg geholfen hat. Laut der Organisation International Rescue Committee haben mehr als 300.000 afghanische Zivilisten das US-Militär oder Diplomaten vor Ort unterstützt. Doch nur rund 80.000 davon könnten sich für das Sondervisum qualifizieren, weil die Kriterien streng definiert seien. Der „New York Times“ zufolge wurden seit 2014 nur 16.000 Afghanen mit einem SIV in die USA umgesiedelt – davon 2000 in den vergangenen Wochen, als sich der Abzug der USA verfestigte. Etwa 50.000 Anwärter, schätzt die Zeitung, könnten im Land festsitzen, sobald Washington die Evakuierungen stoppt.

„Rettungsaktion nimmt Fahrt auf“ – Video zeigt die Situation am Kabuler Flughafen

Im US-Kongress werden immer mehr Stimmen laut, das Programm deutlich zu erweitern. „Mein Herz ist gebrochen“, twitterte der demokratische Abgeordnete Jason Crow aus Colorado, der in Afghanistan diente. „Wir müssen ALLE US-Bürger und so viele afghanische Partner wie möglich herausholen. Den Rest besprechen wir später.“

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Zunehmend bekommt Biden auch Kritik aus den eigenen Reihen zu spüren. So warf der demokratische Abgeordnete und Irak-Veteran Seth Moulton der US-Administration „moralisches und operatives Versagen“ vor: „Die Evakuierungen hätten vor Monaten beginnen sollen.“ Im Büro des republikanischen Senators Tom Cotton, eines Irak- und Afghanistan-Veteranen, gingen Hunderte Hilferufe von Betroffenen ein, die im Krisengebiet festsitzen. Und die demokratische Senatorin Tammy Duckworth, die nach einer Kriegsverletzung auf den Rollstuhl angewiesen ist, schrieb: „Tausende tapfere Afghanen haben neben unseren Truppen geblutet, Tausende bleiben in großer Gefahr. Wir sollten in diesem Moment der Not nicht unser Wort brechen.“

Das Weiße Haus signalisierte zuletzt, das SIV-Programm deutlich beschleunigen zu wollen. Dazu legte Biden nahe, jeder Afghane könne auf regulärem Weg Asyl in den USA beantragen. Doch eine schnelle Lösung ist letztere Option nicht: Jeden Monat versuchen knapp 200.000 Menschen aus Zentralamerika, über die mexikanische Grenze in die USA zu gelangen. Die allermeisten von ihnen werden zurückgeschickt, weil die USA nur eine niedrige Zahl Flüchtlinge aufnehmen. 

Mehr: Bundesregierung streitet über Evakuierung von Flüchtlingen aus Afghanistan

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