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Afghanistan Warnung vor Raketen des IS – Griechenland wappnet sich gegen Flüchtlinge

Westliche Regierungen sehen eine Bedrohung durch die Terrormiliz Islamischer Staat. Die Türkei versperrt sich der Flüchtlingsaufnahme. Griechenland investiert in die Abschottung seiner Grenzen.
22.08.2021 - 18:21 Uhr Kommentieren
Die Amerikaner haben schon Dutzende Menschen per Hubschrauber aus der Stadt geholt. Insgesamt brachte die Bundeswehr bisher mehr als 2500 Menschen per Flugzeug aus dem Land. Quelle: action press
Rettungsflüge aus Kabul

Die Amerikaner haben schon Dutzende Menschen per Hubschrauber aus der Stadt geholt. Insgesamt brachte die Bundeswehr bisher mehr als 2500 Menschen per Flugzeug aus dem Land.

(Foto: action press)

Istanbul, Brüssel, Athen Die Bundeswehr und andere in Afghanistan operierende Armeen wappnen sich gegen Terroranschläge auf die Evakuierungsflüge. Fernsehbilder zeigten am Wochenende ein militärisches Transportflugzeug, das kurz nach dem Start in Kabul „Flares“ abwirft, brennendes Material, das wärmegesteuerte Raketen vom Flugzeug weglenken soll. Der Nachrichtenagentur AP zufolge führen die amerikanischen Maschinen schnelle Landungen durch. Dadurch sind sie kürzere Zeit in der Reichweite von einfachen Luft-Boden-Raketen.

Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, bestätigte die Besorgnis: „Die Bedrohung ist real, sie ist akut, sie ist anhaltend“, sagte er bei CNN. „Wir arbeiten intensiv mit unseren Geheimdiensten zusammen, um herauszufinden, woher ein Angriff kommen könnte.“ Infrage käme dafür die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Der IS ist mit den Taliban verfeindet, könnte aber die unübersichtliche Situation ausnutzen.

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr wollte am Wochenende damit beginnen, per Hubschrauber Menschen zum Flughafen zu bringen. Meldungen darüber, ob solche Missionen vollzogen wurden, gab es zunächst noch nicht. Die Amerikaner haben schon Dutzende Menschen per Hubschrauber aus der Stadt geholt.

Insgesamt brachte die Bundeswehr bisher mehr als 2500 Menschen per Flugzeug aus dem Land, die US-Streitkräfte mehr als 12.000. Die Flüge gingen auch am Sonntag weiter.

Die Tore zum Flughafen wurden immer wieder geschlossen, wenn die Situation zu unübersichtlich wurde. In dem Gedränge starben laut britischem Verteidigungsministerium sieben Menschen. In den Tagen zuvor waren mindestens 13 Menschen in solchen Situationen gestorben.

Kabul war Fluchtort für viele Afghanen

Laut der UN-Agentur zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) befinden sich in Kabul viele Menschen aus anderen Landesteilen, die vor den Taliban geflohen waren. Erst hatten die Taliban ländliche Gebiete übernommen und die Menschen damit in die Städte getrieben. Als sie auch die Städte einnahmen, seien viele weiter nach Kabul geflüchtet. Zwischen Jahresbeginn und Anfang August seien mehr als 550.000 Menschen innerhalb Afghanistans geflohen.

In Kabul befinden sich viele Menschen aus anderen Landesteilen, die vor den Taliban geflohen waren. Quelle: AP
Flüchtlinge aus Afghanistan

In Kabul befinden sich viele Menschen aus anderen Landesteilen, die vor den Taliban geflohen waren.

(Foto: AP)

Im Vorjahr waren es demnach im gleichen Zeitraum rund 165.000 Binnenflüchtlinge. Vor allem seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen Anfang Mai und dem gleichzeitigen Start mehrerer Offensiven der Taliban war die Zahl der intern Vertriebenen hochgeschnellt. Zusätzlich zu den in diesem Jahr neu geflüchteten Menschen gelten in Afghanistan fünf Millionen Menschen als Langzeitvertriebene.

Auch in der Türkei sind in den vergangenen Monaten viele Flüchtlinge angekommen. Die Bevölkerung reagiert darauf mittlerweile feindselig. Die größte Oppositionspartei CHP heizt die Stimmung an. Sollte seine Partei an die Macht kommen, würden alle Flüchtlinge in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt, sagt Oppositionschef Kemal Kilicdaroglu. „Wir werden das Flüchtlingsproblem lösen. Mit Trommelwirbel werden wir uns von den Flüchtlingen verabschieden.“

Der Flüchtlingspakt mit der EU, der womöglich bald noch einmal verlängert wird, betrifft nur die Syrer in der Türkei. Afghanen finden nur illegal Zuflucht und sind deshalb eher geneigt, weiter in Richtung EU zu reisen.

In Brüssel überlegt man, welche Zusammenarbeit mit Ankara möglich ist. „Bisher bewegen sich nicht so viele Menschen nach Europa, aber die Situation ändert sich jetzt schnell, und wir müssen auf verschiedene Szenarien vorbereitet sein“, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson der „Welt am Sonntag“. „Wir sollten nicht die gleichen Fehler wie 2015 machen. Wir sollten nicht warten, bis die Menschen an den EU-Außengrenzen stehen.“

Man müsse die Afghanen innerhalb des Landes und in den Nachbarländern der Region unterstützen. Dazu gehöre auch die Türkei. In einer Erklärung des türkischen Außenministeriums heißt es allerdings: „Die Türkei wird weder Grenzwächter noch Flüchtlingslager der EU sein.“

Griechenland verstärkt Grenzsicherung

In Griechenland hat sich die Lage in den Flüchtlingslagern entspannt. Im Lager Mavrovouni auf der griechischen Ägäisinsel Lesbos leben 3800 Menschen. Anfang des Jahres hatte das Camp noch doppelt so viele Bewohner. Jetzt ist die Hälfte der 8000 Schlafplätze frei. Derzeit schaffen es nur wenige Schlauchboote aus der Türkei dorthin.

Die Patrouillen der griechischen Küstenwache fangen die meisten Boote ab und zwingen sie, in Richtung Türkei abzudrehen. Von Anfang Januar bis zum 15. August kamen nur 1609 Migranten auf den griechischen Inseln an. Im Vorjahreszeitraum sind es 8714 gewesen. Im Sommer 2015 waren an manchen Tagen mehr als 10.000 Migranten angekommen. Notis Mitarakis, Griechenlands Minister für Migrations- und Asylpolitik, sagte: „Wir wollen solche Szenen, wie wir sie 2015 erlebt haben, nie wieder sehen.“

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Griechenland will nicht noch einmal unvorbereitet in eine neue Flüchtlingskrise schlittern wie vor sechs Jahren. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis berief diese Woche eine Sondersitzung des Nationalen Sicherheitsrats ein. Dabei sei es vor allem um die Sicherung der Grenzen gegangen, berichten Personen, die mit den Beratungen vertraut sind.

Mehr Präsenz am Grenzfluss Evros

Die griechische Küstenwache fährt bereits mehr Patrouillen in der Ägäis, Polizei und Armee verstärken ihre Präsenz am Grenzfluss Evros. Die Vorräte an Blendgranaten und Tränengas werden aufgestockt. Am Freitag inspizierten Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos, der Generalstabschef und der für die Polizei zuständige Minister Michalis Chrysochoidis ihre Truppen an der Evros-Grenze. In der Ägäis sind Kriegsschiffe der Nato unterwegs, darunter eine Fregatte der Bundesmarine. Der Verband unterstützt die griechische Küstenwache bei der Überwachung der Seegrenze zur Türkei.

Deren Methoden sind umstritten: Menschenrechtler und Hilfsorganisationen prangern Pushbacks an, also völkerrechtswidriges Abdrängen von Flüchtlingsbooten in türkische Gewässer. Die griechische Regierung weist die Vorwürfe zurück und beruft sich auf ihr Recht, die Grenzen des Landes zu sichern.

Griechenland will sich stärker abschotten. Quelle: EPA-EFE
Küstenwache

Griechenland will sich stärker abschotten.

(Foto: EPA-EFE)

Auch an der 200 Kilometer langen Landgrenze zur Türkei gibt es laut Nichtregierungsorganisationen Pushbacks. Dort hat Griechenland deutlich aufgerüstet, seit der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan im März 2020 Zehntausende Migranten an die Grenze bringen ließ. Sie belagerten wochenlang den Übergang Kastanies. Mit Unterstützung der EU-Agentur Frontex sowie dem Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas verteidigten die Griechen ihre Grenze.

Mit Drohnen will die Grenzpolizei jetzt Migranten schon aufspüren, bevor sie sich der Grenze nähern. Einen besonders neuralgischen Abschnitt hat Griechenland mit einem 26 Kilometer langen, drei Meter hohen Stahlzaun gesichert. Dazu kommen Beobachtungstürme, Nachtsicht- und Wärmebildkameras.

Am Evros installieren die Griechen derzeit elf Radarkameras. Sie sind auf hohen Masten montiert und sollen es den griechischen Grenzschützern erlauben, die Bewegungen von Fahrzeugen und Personen bis zu einer Distanz von 15 Kilometern auf der türkischen Seite der Grenze zu verfolgen. Frontex setzt zur Grenzbeobachtung am Evros außerdem ein unbemanntes Luftschiff ein, das Wärmebildkameras und andere Beobachtungsinstrumente an Bord hat.

Die griechische Grenzpolizei experimentiert außerdem mit einer Schallkanone. Das Gerät, von Fachleuten LRAD (Long Range Acoustic Device) genannt, sendet ein gebündeltes, schrilles Signal aus. Es soll Migranten in die Flucht schlagen. Die Technik ist allerdings umstritten, weil die ohrenbetäubenden Töne im Nahbereich zu starken Schmerzen führen und bleibende gesundheitliche Schäden verursachen können.

Irreguläre Grenzübergänge deutlich zurückgegangen

Die starke Grenzsicherung zeigt Wirkung: In diesem Jahr ging die Zahl der irregulären Grenzübertritte um 70 Prozent zurück. Migrationsminister Mitarakis sieht bisher keine Anzeichen für einen Anstieg der Zahlen. Er warnt aber, die Situation sei „dynamisch“. Wie sie sich entwickle, hänge „sehr stark von den Flüchtlingsströmen in der Türkei und der Haltung der Regierung in Ankara ab“.

Die größte Sorge in Athen ist, dass Erdogan erneut versuchen könnte, die Migranten politisch zu instrumentalisieren wie im März 2020. Migrationsminister Mitarakis plädiert dafür, den EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei aus dem Jahr 2016 „zu stärken und die Türkei zu unterstützen“. Eines müsse „völlig klar“ sein, unterstreicht Mitarakis: „Unser Land wird definitiv nicht das Eingangstor für eine neue Flüchtlingswelle sein.“

Mehr: Kommentar: Nicht alle Ortskräfte wird die Bundesregierung per Luftbrücke aus Kabul holen können. Sie hätte aber noch mehr Möglichkeiten zu helfen.

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