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Alexej Gontscharuk Regierungskrise in der Ukraine: Premier Gontscharuk reicht Rücktritt ein

Alexej Gontscharuk hat sich zuletzt unvorteilhaft gegenüber Präsident Wolodimir Selenski geäußert. Davon sind in der Ukraine Videomitschnitte geleaked worden.
17.01.2020 Update: 17.01.2020 - 13:02 Uhr Kommentieren
Der ukrainische Regierungschef ist erst seit August 2019 im Amt. Quelle: dpa
Alexej Gontscharuk

Der ukrainische Regierungschef ist erst seit August 2019 im Amt.

(Foto: dpa)

Kiew Zur geplanten Fragestunde im obersten Rat „Rada“ kam Premier Alexej Gontscharuk am Freitag verspätet. Seine Erklärung an die Parlamentarier fiel knapp aus: Er teilte lediglich mit, dass die Regierung in der Ukraine vorläufig weiterarbeiten werde, bis Präsident Wolodimir Selenski die Entscheidung über den Rücktritt getroffen habe.

Am Morgen hatte der 35-jährige Jurist Gontscharuk seine Rücktrittserklärung in der Präsidialverwaltung abgegeben. Dabei war der jüngste Premierminister in der ukrainischen Geschichte erst im vergangenen August angetreten, um die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu lösen.

Doch die Politik des liberalen Reformers ist in der Ukraine hoch umstritten. Zu Fall gebracht hat ihn die geplante Landreform aber nicht, sondern seine angeblichen Aussagen über Präsident Selenski. So habe Gontscharuk dem Präsidenten eine „sehr primitives Verständnis ökonomischer Prozesse“ nachgesagt.

In einem am Mittwoch anonym ins Netz gestellten Audiomitschnitt spricht angeblich Gontscharuk: Im Gespräch mit anderen Top-Beamten des Wirtschaftssektors attestiert er Selenski „Leere“ und „Nebel im Kopf“. Überschrieben wurde die Aufzeichnung mit: „Wie man den Präsidenten betrügt“.

Die Tonaufnahmen riefen augenblicklich einen Skandal hervor. Gontscharuk ist als Premier zwar in erster Linie gegenüber dem Parlament verantwortlich. Doch dort besitzt seit vergangenem Jahr die Partei „Sluga Naroda“ („Diener des Volkes“) die absolute Mehrheit im Parlament.

Der Name der Partei wurde nicht nur der gleichnamigen Comedy-Serie von Selenski entlehnt, in der er einen zufällig zum Präsidenten gewählten Mann spielte. Sie ist auch voll und ganz auf die Unterstützung Selenskis ausgerichtet.

Versuch eines Befreiungsschlages

Mehr noch: Selenski selbst hatte nach seinem Wahlsieg Gontscharuk, der zuvor in einer Expertengruppe das Wirtschaftsministerium bei Reformen beriet, zu seinem Wirtschaftsberater ernannt und ihn später auch für das Amt des Premierministers nominiert. Ohne das Vertrauen Selenskis kann Gontscharuk also nicht weiter arbeiten.

Zunächst dementierte Gontscharuk die Aussagen und versuchte, sich mit Ironie aus der Affäre zu ziehen. In einer speziellen Videoaussendung sprach er über das Wachstum der ausländischen Investitionen und der Dollarreserven, die Senkung der Inflation und die Steigerung des Wechselkurses der Landeswährung. „Wenn das keine guten Nachrichten für das Land sind, dann bin ich ein absoluter Dilettant in der Wirtschaft“, sagte er in Anspielung auf die Vorwürfe, die er Selenski gemacht haben soll.

Doch das reichte nicht. Die Unruhe in der Partei wuchs. Abgeordnete forderten den Geheimdienst SBU auf, die Echtheit der Aufnahmen zu untersuchen. Der Druck auf Gontscharuk wuchs.

Mit dem Rücktrittsgesuch versucht er nun einen Befreiungsschlag. Die Aufnahmen nannte er aus dem Zusammenhang gerissen, „um künstlich den Eindruck zu erwecken, als ob ich und meine Mannschaft den Präsidenten nicht achten, der unser politischer Anführer ist“. Sein Schritt diene dazu, „alle Zweifel an der Hochachtung und dem Vertrauen, das ich gegenüber dem Präsidenten hege, zu zerstreuen“, begründete er das Abdankungsschreiben.

Er sei ins Amt gekommen, um das Programm des Präsidenten zu realisieren. „Er ist für mich ein Vorbild an Offenheit und Anständigkeit“, so Gontscharuk. Da die Ukrainer Selenski bei der Wahl das volle Vertrauen ausgesprochen haben, habe er auch das Recht, die Effizienz jedes einzelnen Mitarbeiters zu bewerten, führte der Premier aus.

Schlechter Zeitpunkt für Selenski

Auf den Versuch, mit dem Verweis auf seine Effizienz und Erfolge ein Vertrauensvotum von Selenski zu bekommen, hat dieser zumindest vorläufig noch nicht reagiert. Aus der Präsidialverwaltung gab es lediglich einen distanzierten Kommentar. Das Rücktrittsgesuch sei eingegangen, Selenski werde dies nun prüfen, hieß es.

Für Selenski selbst ist dies ein unerwünschter Nebenkriegsschauplatz. Der 41-Jährige hatte sich zuletzt verstärkt in der Donbass-Krise engagiert und erste Fortschritte auf dem Weg zu einer friedlichen Lösung erzielt. Die wirtschaftliche Führung hatte er bewusst an sein Expertenteam abgegeben.

Ein derartiger Verstoß gegen die Subordination dürfte aber das Vertrauensverhältnis innerhalb des ursprünglich aus verschiedenen politischen Lagern kommenden Unterstützer-Teams Selenskis sprengen. Neuer Streit innerhalb der Partei „Diener des Volkes“ scheint damit vorprogrammiert.

Mehr: Russland zensiert eine ukrainische Comedyserie mit Wolodimir Selenski.

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