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Analyse zu Wolodimir Selenski Ukraines Präsident unter Druck: „Sein Stern wird schnell verglühen“

Der junge ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat seinem Land Frieden versprochen. Die Erwartungen an sein Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel sind groß.
18.06.2019 - 10:06 Uhr Kommentieren
Angela Merkel trifft Ukraines Präsident Wolodimir Selenski in Berlin Quelle: dpa
Wolodimir Selenski

Der junge ukrainische Präsident kommt zum Antrittsbesuch nach Berlin.

(Foto: dpa)

Berlin Der frisch gewählte ukrainische Präsident Wladimir Selenski kommt an diesem Dienstag zu seinem Antrittsbesuch nach Berlin und trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel. Den französischen Präsidenten Emmanuel Macron hatte er bereits am Montag gesprochen.

Merkel und Macron sind wichtige politische Partner für die Ukraine, weil Deutschland und Frankreich das sogenannte Normandie-Format bilden, in dem zusammen mit Russland und der Ukraine das Minsker Abkommen verhandelt wurde. Darin wurde die politische Beilegung der Ukraine-Krise festgelegt, dessen Umsetzung allerdings seit Jahren stockt. Im Osten des Landes kommt es weiter regelmäßig zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Ukraine und Russland.

Zuletzt hatte Russlands Präsident Wladimir Putin das Minsker Abkommen noch kurz vor Selenskis Amtseinführung am 20. Mai in Frage gestellt, als er im teilweise zur Ukraine gehörenden Donezbecken russische Reisepässe ausgeben ließ. Damit gemeindet Moskau bisherige ukrainische Staatsbürger ein und weitet indirekt seinen territorialen Anspruch aus. Das hatte der Kreml auch vor der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim schon so ähnlich gehandhabt. 

„Selenskis größtes Interesse gilt der Beendigung des Krieges in der Ost-Ukraine. Da muss er liefern, denn er hat es seinen Wählern versprochen“, sagt ein hochrangiger westlicher Diplomat in Kiew und fügt hinzu: „Liefert er nicht, wird sein Stern ziemlich schnell verglühen.“ Der frühere Fernsehstar Selenski hatte bei seiner Amtsübernahme vor dem Parlament öffentlich klar gemacht: „Ich bin bereit zu allem.“ Für den Frieden im Donbass (Donezbecken) werde er im Zweifel auch unpopuläre Entscheidungen treffen und seine eigene Beliebtheit opfern, sagte er unter dem Beifall vieler Abgeordneter. 

 Zweifel an Selenskis Kurs wachsen

Die Zustimmung der Parlamentarier ebbte indes schnell ab. Der erst 41-Jährige und damit jüngste Präsident der Ukraine hatte so deutlich wie niemand zuvor im größten Flächenstaat Europas die Wahl gewonnen: mit 73 Prozent. Doch inzwischen werden Zweifel an seiner Integrität stetig lauter. Die ukrainische Zivilgesellschaft, die mit zwei „orangenen“ Revolutionen unter anderem den früheren, russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Februar 2014 zur Flucht nach Russland gedrängt hatte, ist stark. Zivilgesellschaftliche Organisationen üben inzwischen scharfe Kritik am neuen Staatsoberhaupt. Sie seien „entsetzt“, dass Selenski „sich mit Vertretern des Regimes des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch“ umgebe.

„Wir lehnen auch Personen ab, die über keine angemessenen Kompetenzen verfügen, und solche, die durch Geschäftsinteressen mit der Politik verbunden sind“, heißt es in einer von vielen führenden NGOs unterzeichneten Erklärung.

Vor allem lehnen sie „insbesondere die Rückgabe der verstaatlichten PrivatBank an ihre früheren Eigentümer oder die Zahlung von ´Entschädigungen´ an sie“ ab, sowie „eine Politik gegen geltende Abkommen mit dem IWF und anderen ausländischen Partnern der Ukraine“.

Krimi um die größte Bank des Landes

Diese Forderungen zielen vor allem auf den Oligarchen Ihor Kolomojski ab, dem auch der TV-Sender 1+1 gehört. Der strahlte Selenskis Fernsehserie „Diener des Volkes“ und seine Satire-Shows aus. Kolomojski war vom abgewählten Regierungschef Petro Poroschenko als Gouverneur der Dnjepr-Industrieregion Dnipro abgesetzt worden. Auch dessen PrivatBank ließ Poroschenko verstaatlichen. Kolomojski, der neben dem ukrainischen auch einen zyprischen und einen israelischen Pass besitzt, setzte sich daraufhin nach Tel Aviv ab.

Das größte Finanzinstitut des Landes wurde verstaatlicht, nachdem bekannt geworden war, dass Kolomojski und seine Geschäftspartner das Geldhaus durch faule Kredite in Schieflage gebracht und über intransparente Firmengeflechte 5,5 Milliarden Dollar ins Ausland geschafft haben könnten. 41 Millionen Dollar der PrivatBank könnten zudem als Kredit an Selenskis TV-Produktionsfirma „Studio Quartier-95“ gegangen sein.

Daneben war Selenski bereits seit jungen Jahren mit Offshore-Firmen tätig, die Geld in Steuerparadiese umleiteten, unter anderem zur Green Family Ltd. auf Zypern, einer Filmfirma, die noch bis 2017 Geld für Filmproduktionen von der russischen Regierung bekommen haben soll. Kurz nach entsprechenden Presseveröffentlichungen kündigte Selenski an, seine Anteile verkaufen zu wollen.

„Dass Selenski ein Business in Russland hat, ist nicht verwunderlich, das haben die meisten ukrainischen Unternehmer gehabt. Aber sein auf frisch und ehrlich getrimmtes Image leidet, seine Ausreden lassen ihn wie einen üblichen Politiker wirken“, meint Senon Sawada von der Investmentgesellschaft Concorde Capital in Kiew.

Nun aber stellt sich die Frage, ob Selenski seinem Förderer Kolomojski die PrivatBank zurückgibt. „Ich habe gewonnen“, rief Kolomojski aus, nachdem ein Kiewer Gericht entschieden hatte, dass die Verstaatlichung seiner PrivatBank 2016 illegal gewesen sei.

Warnungen aus dem Westen

Hochrangige westliche Diplomaten in Kiew haben unterdessen davor gewarnt, dass der IWF ein bereits zugesagtes Hilfspaket in zweistelliger Milliardenhöhe zur makroökonomischen Stabilisierung der Ukraine in Frage stellen könnte, wenn Selenki seinem Förderer Kolomojski die verstaatlichte PrivatBank zurückgebe oder ihm Schadensersatz für die Enteignung des größten Geldhauses des Landes zahle. Die Diplomaten kritisieren, dass die IWF-Milliarden zweckentfremdet werden könnten.

Wie wichtig das Thema in der Ukraine ist, belegt auch der Titel des Kiewer Magazins „Nowoje Wremja“ (Neue Zeit): „Die Schlacht um die PrivatBank – Kolomojski gegen die Ukraine.“ Ob das Thema auch den Weg ins politische Berlin findet, wollte dort vor Selenskis Besuch niemand bestätigen.

Mehr: In der Ukraine ist die regierende Koalition geplatzt – damit kann sich der neue Präsident Wladimir Selenski eine Volksvertretung nach seinen Vorstellungen wählen lassen. Lesen Sie hier:

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