Anti-Corona-Maßnahmen Indien verlängert harte Ausgangssperre bis Anfang Mai

Die Wirtschaft ist durch die Corona-Maßnahmen lahmgelegt. Es droht eine schwere Krise.
Bangkok Indiens strikte Anti-Corona-Maßnahmen sollten eigentlich nach 21 Tagen Anfang dieser Woche enden. Doch Regierungschef Narendra Modi konnte die Hoffnung auf ein schnelles Ende der umfangreichsten Ausgangssperre der Welt nicht erfüllen. Modi erklärte am Dienstagvormittag in einer Fernsehansprache, dass er im Kampf gegen die Pandemie doch noch mehr Zeit braucht. „Jeder einzelne von uns muss deshalb bis zum 3. Mai im Lockdown bleiben“, sagte Indiens Premierminister.
Der um zweieinhalb Wochen verlängerte Ausnahmezustand stellt das fast 1,4 Milliarden Einwohner zählende Land vor eine Zerreißprobe. Modis Vorschriften sind hart, die Konsequenzen gravierend: Die Inder dürfen ihr Zuhause nur in Ausnahmefällen verlassen, alle öffentlichen Transportmittel haben den Betrieb eingestellt, Millionen Tagelöhner und Wanderarbeiter verloren ihren Job und das Wirtschaftswachstum droht auf den niedrigsten Stand der vergangenen vier Jahrzehnten zu fallen. Modi bittet sein Volk um Verständnis und Geduld – doch die Kritik an seinem Kurs wird auch in der Wirtschaft lauter.
„Wirtschaftlich gesehen, müssen wir einen hohen Preis zahlen“, sagte Modi in seiner Ansprache, „aber der Wert der Menschenleben in Indien ist viel höher.“ Bisher gibt es in Indien nach Daten der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität rund 10.000 bestätigte Coronavirus-Infektionen.
Knapp 400 Menschen sind in dem Land demnach bisher an Covid-19 gestorben. Beobachter gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus. Pro einer Million Einwohner wurden in Indien erst 150 Personen getestet – im Vergleich zu Deutschland ist das nur ein Hundertstel. Modi sieht sein Land dennoch auf einem guten Weg: „Aus den Erfahrungen der vergangenen Tage ist klar geworden, dass wir den richtigen Pfad gewählt haben.“
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Bei Wirtschaftsvertretern wächst mit Blick auf die annähernd vollständige Lahmlegung des Landes die Ungeduld. Als am Wochenende durchgesickert war, dass Modi wohl eine Verlängerung des Lockdowns plane, äußerte der Chef von Indiens größtem Autohersteller Maruti Suzuki, RC Bhargava, deutlichen Widerstand: „Eine pauschale Verlängerung ist nicht notwendig", sagte er in einem Interview.
Modi: Lockerungen in einzelnen Regionen möglich
In den vergangenen 21 Tagen seien die Hotspots der Pandemie sicherlich bekannt geworden. „Im Rest des Landes sollte die wirtschaftliche Aktivität wieder anlaufen“, forderte er. Bei neuen Ausbrüchen sollten einzelne Regionen abgeriegelt werden. „Aber schließt nicht einfach die ganze Volkswirtschaft“, sagte er in Richtung Modis.
Der Regierungschef ließ in seiner Ansprache durchblicken, dass es durchaus Lockerungen der Maßnahmen in einzelnen Regionen geben könnte. Dies ist demnach aber frühestens nächste Woche in Bezirken ohne Infektionsfälle möglich. Zudem soll es neue Richtlinien für die Fortsetzung der Fabrikarbeit geben, Details sollen am Mittwoch folgen.
Im Gespräch ist laut indischer Medien ein langsames Hochfahren der Produktion unter Beachtung von Social-Distancing-Regeln. Unternehmer Bhargava weist jedoch auf praktische Probleme hin: Ohne öffentliche Verkehrsmittel müssten die Arbeiter eine Unterkunft neben den Werkshallen finden – das sei bei Zehntausenden Angestellten unmöglich.
Ein wirtschaftlicher Schock scheint für das Schwellenland unvermeidlich: Analysten des britischen Finanzkonzerns Barclays schätzten, dass der ursprünglich für drei Wochen angesetzte Lockdown das Land 120 Milliarden Dollar von Indiens Wirtschaftsleistung kosten würde. Durch die Verlängerung gehen sie nun davon aus, dass der Schaden auf 234 Milliarden Dollar steigen wird. Asiens drittgrößte Volkswirtschaft stünde damit in diesem Jahr vor einem Wachstum von null Prozent. Eine derart schlechte konjunkturelle Lage haben viele Inder zu Lebzeiten noch nie gesehen – schlechter war das Wachstum zuletzt 1979.
Ökonomen fordern Indiens Regierung zu entschlosseneren Konjunkturpaketen auf: Bisher umfassten die Finanzspritzen inklusive Cash-Transfers und Lebensmittelzuteilungen erst 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, kommentiert Shilan Shah, Volkswirt bei Capital Economics. „Das ist sehr wenig im Vergleich zur fiskalpolitischen Antwort anderer Länder.“
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