Asien Zinswende in Südkorea, Öffnung in Singapur – Wie Asien sich auf ein Leben mit dem Coronavirus einstellt

Südkorea kommt auch mit der Delta-Variante relativ gut zurecht.
Tokio, Bangkok Es ist ein Signal für ganz Asien, und es kam überraschend: Die Bank von Korea erhöhte vor wenigen Tagen als erste asiatische Zentralbank seit dem Beginn der Pandemie den Leitzins. Die Notenbank setzte ihn von 0,5 auf 0,75 Prozent herauf, um steigende Inflation, anziehende Hauspreise und zunehmende private Verschuldung zu bremsen. Sie hatte zwar angekündigt, dass sie dieses Jahr einen Schritt zur Normalisierung ihrer lockeren Geldpolitik tun wollte. Aber viele Analysten hatten wegen der wiederaufflammenden Pandemie eine Verschiebung den Zinsanhebung erwartet. Nun lässt sich aus dem Vorgehen der Währungshüter herauslesen, dass Südkorea trotz massiver Corona-Welle auf Normalisierung und Wirtschaftswachstum setzt.
Das ist insofern bemerkenswert, als dass auch in Südkorea als zehntgrößter Volkswirtschaft der Welt die hochinfektiöse Delta-Variante des Coronavirus die bisher gute Eindämmung der Pandemie konterkariert – wenn auch nicht so stark wie anderswo in der Region. Koreas Beispiel zeigt, wie sich erste Länder in Asien trotz der für sie heftigen Coronawelle auf eine neue Normalität mit der Pandemie einstellen.
Thailand, Vietnam, Indonesien und Japan kämpfen seit Juli mit mehr oder weniger starken Einschränkungen von Wirtschaft und Alltag gegen steil ansteigende Virenwellen. Die vorübergehende Schließung von Fabriken in Südostasien belastet dabei schon jetzt die Lieferketten gewaltig.
Japans Autohersteller Toyota will wegen Engpässen bei Chips und auch Bauteilen südostasiatischer Lieferanten im September die Produktion um 40 Prozent drosseln. Selbst China schloss wegen neuer Virenausbrüche den Hafen von Ningbo, den größten Hafen der Welt.
Volkswirte senken daher bereits die Wachstumsprognosen für 2021 in der Region: Die Weltbank kappte diese Woche ihre Vorhersage für Vietnam um gleich zwei Prozentpunkte auf 4,8 Prozent. Thailands Notenbank erwartet seit Mitte August nur noch 0,7 statt 1,8 Prozent Wachstum. Der Internationale Währungsfonds wiederum senkte seine Erwartungen für Indonesien und Japan deutlich.
Exporte als Konjunkturmotor
Aber die Notenbank in Südkorea hält es offenbar für möglich, auch mit der Delta-Variante und einer relativ niedrigen Impfquote zurechtzukommen. Denn das Land hat bisher mit seiner transparenten Pandemiebekämpfung Erfolg: Während anderswo die Neuinfektionszahlen steil ansteigen, konnte Südkorea sie zwischen 1500 und 2200 Fällen pro Tag stabilisieren.
Seit Wochen haben die Behörden in weiten Teilen des Landes die höchste Kontrollstufe ausgerufen. Anders als viele westliche Länder verzichtet Südkorea dabei allerdings auf Ausgangssperren und weitreichende Schließungen von Geschäften. Allerdings müssen Lokale nun um neun Uhr abends schließen. Zudem sind tagsüber Treffen mit mehr als fünf Personen verboten. Abends ab sechs Uhr dürfen Koreaner nur noch zu zweit ausgehen.
Zwar warnten die Volkswirte von Moody’s Analytics kürzlich, dass die jüngste Corona-Welle die Erholung der Beschäftigung, des Dienstleistungssektors und des Tourismus belasten und das Wachstum drücken werde. Aber die Notenbank hielt bisher an ihrer Prognose von vier Prozent Wirtschaftswachstum für 2021 fest.
Damit dürfte das Land wieder auf den vorpandemischen Wachstumspfad zurückkehren. Wegen der guten Eindämmung war das Bruttoinlandsprodukt 2020 nur um ein Prozent gesunken, was unter den großen Industrieländern ein gutes Abschneiden war.
Nun kann die Bank von Korea hoffen, dass die boomenden Exporte die negativen Folgen der heimischen Virenwelle wettmachen. Angetrieben von der robusten globalen Nachfrage nach Autos, Chips und petrochemischen Produkten stiegen die Exporte im Juli im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent und in den ersten 20 August-Tagen sogar um 41 Prozent.
Singapur öffnet sich wieder
Auch Singapur versucht, pragmatischer mit dem Virus zu leben. In der südostasiatischen Finanzmetropole gehören deutsche Staatsbürger zu den Ersten, die von der neuen Corona-Strategie des Stadtstaates profitieren. Ab 8. September müssen vollständig geimpfte Reisende aus der Bundesrepublik nicht mehr in Quarantäne, wenn sie ins Land wollen.
Die neue Reisefreiheit gilt unabhängig vom Reisegrund – auch Urlauber aus Deutschland sind in Singapur erstmals seit Pandemiebeginn wieder willkommen. Sie gehören damit zu einer erlesenen Gruppe: Ansonsten dürfen bisher nur Bewohner Bruneis an Singapurs Programm mit dem Namen „Vaccinated Travel Lane“ teilnehmen.
Für das knapp sechs Millionen Einwohner große Land am Äquator ist die Grenzöffnung ein erster bedeutender Schritt Richtung Normalität. Seit dem Ausbruch der Pandemie hat sich Singapur, das sich bis dahin für seine Offenheit gerühmt hatte, international weitgehend abgeschottet.
Behörden akzeptieren höhere Todeszahlen
Die verpflichtende Quarantäne von bis zu 14 Tagen erschwerte Geschäftsreisen zu dem wichtigen Finanzplatz und machte einen Städteurlaub in der tropischen Metropole unmöglich. Die strikten Maßnahmen machten Singapur aber zu einem der erfolgreichsten Pandemiebekämpfer der Welt: Insgesamt zählten die Gesundheitsbehörden lediglich 49 Todesfälle – sogar die Opferzahl einer durchschnittlichen Grippewelle ist in dem Land normalerweise höher.

Der Stadtstaat öffnet sich langsam wieder der Außenwelt.
Dass Singapur glaubt, sich nun einen lockereren Umgang mit der Pandemie erlauben zu können, liegt an der erfolgreichen Impfkampagne. Bereits 78 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft – für Anfang September wird das Überschreiten der 80-Prozent-Marke erwartet. Singapur gehört damit zu Spitzenreitern weltweit.
Die Regierung hält es deshalb für an der Zeit, von ihrer bisherigen Zero-Covid-Strategie abzuweichen und mit dem Coronavirus zu leben. Dazu gehört auch, dass man mehr Todesfälle hinnimmt.
Gesundheitsminister Ong Ye Kung sagte, Singapur müsse sich psychologisch darauf vorbereiten, dass mit der Öffnung des Landes auch die Opferzahlen steigen würden. Medizinische Experten rechnen damit, dass vor allem ältere Menschen betroffen sein werden, die sich trotz der Verfügbarkeit von Impfstoffen nicht immunisieren lassen.
Eine Alternative zur Öffnung sieht Singapurs Führung aber nicht: „Es ist wichtig, dass sich Singapur als Drehscheibe wieder öffnen kann und dass die Menschen hin und her reisen, um Geschäfte zu machen, und uns mit der Welt verbinden“, sagte Premierminister Lee Hsien Loong. Er sieht die Reiseerleichterungen für Besucher aus Deutschland auch als Experiment, das bei Erfolg eine Grenzöffnung für weitere Länder ermöglichen soll.
Thailand kämpft mit hohen Inzidenzen
Den meisten anderen Ländern in der Region gelingt es weit weniger gut, die Delta-Variante einzudämmen. Thailand beispielsweise kämpft mit neuen Infektionshöchstwerten. Dennoch brach die Regierung ihr Experiment zur Wiederbelebung des Tourismus nicht ab. Seit Juli dürfen vollständig Geimpfte quarantänefrei auf die Ferieninsel Phuket reisen.

Thailand schränkt das Alltagsleben im Kampf gegen das Coronavirus ein.
Sie müssen zwar zwei Wochen dort bleiben, bevor sie sich im Rest des Landes frei bewegen dürfen. Aber es ist ein erster Schritt für die Tourismusbranche auf einem langen Weg zurück zur Normalität: Bislang kamen auf Phuket täglich nur einige Hundert Besucher an – im Vergleich zu mehr als 20.000 pro Tag vor Beginn der Pandemie.
Neben hohen bürokratischen Auflagen für Reisende dürften auch die anhaltenden Corona-Restriktionen im Land Besucher abschrecken. Im Gegensatz zu Singapur ist in Thailand erst ein Bruchteil der Bevölkerung geimpft. In den vergangenen Wochen erlebte das Land seine bisher heftigste Infektionswelle. Um die Lage in den Griff zu bekommen, sind auch auf Phuket viele Betriebe geschlossen – unter anderem die Partymeile am berühmten Patong-Beach, eine der bekanntesten Touristenattraktionen der Insel.
Japan versucht es mit Appellen
Anders als die meisten Nationen in der Region hat Japan von Beginn an keine Zero-Covid-Strategie verfolgt. Stattdessen versuchten Virologen und Regierung, Pandemiekontrolle und Wachstum unter einen Hut zu bringen. Im Gegensatz zu anderen Nationen verzichtete Japan auf harte Ausgangssperren und ließ auch meist Kaufhäuser und Schulen offen.

Trotz hoher Inzidenzen richtete Japan die Olympischen Spiele aus. Derzeit laufen die Paralympics.
Auch die Delta-Variante veränderte diese Strategie nicht. Obwohl die Fallzahlen in der Hauptstadt Tokio rasant auf Rekordwerte stiegen, richtete die Regierung die Olympischen Spiele aus. Und nun, wo die Krankenhausbetten knapp werden und Städte beginnen, Notlazarette einzurichten, finden die Paralympischen Spiele statt.
Die bisherigen Notstandsregelungen halten die Japaner lediglich dazu an, so wenig wie möglich das Haus zu verlassen, und Restaurants sollen keinen Alkohol ausschenken und um 20 Uhr schließen. Inzwischen droht die Regierung aber mit härteren Einschränkungen.
Allerdings schwindet unter Virologen der Glaube, dass man rasch zur alten Normalität zurückkehren kann. Mit hoher Immunisierung, Auffrischungsimpfungen, Abstandswahrung und dem Tragen von Masken werde die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitswesens zwar abnehmen, erklärte Hiroshi Nishiura, Virologe an der Universität Kyoto im Magazin „Gendai Business“. Aber es werde wahrscheinlich noch Jahre dauern bis zur Rückkehr zur Normalität.
Mehr: US-Unternehmen sind ein Vorbild im Kampf gegen die Pandemie
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Zinswende ist überfällig.
Die Notenbanken haben nur eine *einzige* Aufgabe: Währungsstabilität! Und dafür haben sie (in vernünftigen Staaten wie der BRD vor dem Euro) auch eine Unabhängigkeit. Leider macht die EZB jetzt Politik, stabilisiert nationale Haushalte und betreibt Gender- und Umweltpolitik. Auch eine Corona-Krise gehört nicht zu den Aufgaben einer Notenbank.
Vielleicht hat man das in Asien besser verstanden.