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Außenwirtschaft IW-Ökonom: Chinesische Übernahmen bergen Gefahren für den Wohlstand in Deutschland

Eine IW-Studie warnt, dass es China bei staatlich geförderten Firmenübernahmen in Deutschland vor allem um Technologietransfer geht – und weniger um Gewinne.
13.07.2020 - 17:27 Uhr Kommentieren
In Deutschland kauften chinesische Unternehmen vorrangig in den Branchen Automobil, Biomedizin/Medizintechnik sowie computergestützte Maschinen und Robotik ein. Ein Beispiel dafür ist der Kauf von Kuka. Quelle: dpa
Maschinenbauer in Robotik und Automation

In Deutschland kauften chinesische Unternehmen vorrangig in den Branchen Automobil, Biomedizin/Medizintechnik sowie computergestützte Maschinen und Robotik ein. Ein Beispiel dafür ist der Kauf von Kuka.

(Foto: dpa)

Berlin Es ist ein großer Unterschied, ob ein Unternehmen zum Beispiel aus Europa, Japan, Australien oder den USA in Deutschland eine Firma kauft oder ob es aus China stammt. Das jedenfalls hat das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer Studie herausgearbeitet. „Wenn China weiterhin mit massiven Subventionen und Staatsunternehmen den globalen Wettbewerb verzerrt, sollten wir uns ernste Sorgen machen“, sagt IW-Ökonom Jürgen Matthes.

Es gebe zahlreiche Indizien dafür, dass chinesische Investoren bei Übernahmen einen problematischen Technologietransfer anstrebten mit dem Ziel, Chinas industriepolitische Aufholstrategie voranzubringen, so Matthes. Die Studie liegt dem Handelsblatt vorab exklusiv vor. Für die Studie hat Matthes ökonomische Forschungsarbeiten aus den USA und der EU ausgewertet und sie um eigene ökonomische Beobachtungen sowie eine Unternehmensumfrage aus dem Jahr 2018 ergänzt.

Ein wesentliches Ergebnis ist, dass spätestens seitdem die Kommunistische Partei Chinas ihre Strategie „Made in China 2025“ verkündet hat, Übernahmen chinesischer Firmen überwiegend in den dort genannten zehn technologischen Schlüsselbranchen stattfinden.

In Deutschland kauften demnach chinesische Unternehmen vorrangig in den Branchen Automobil, Biomedizin/Medizintechnik sowie computergestützte Maschinen und Robotik ein. Herausragendes Beispiel war 2017 der Kauf des Roboterherstellers Kuka durch die chinesische Midea-Gruppe.

Systemwettbewerb nicht nur in der Politik

Mit Bezug auch auf eine Ifo-Studie kritisiert Matthes, dass vor allem tendenziell größere, patentreichere und gleichzeitig höher verschuldete und weniger profitable Firmen gekauft wurden. „Das könnte darauf hindeuten, dass andere als reine Gewinnziele verfolgt werden“, so Matthes.

Der IW-Forscher argumentiert, dass Peking unter Staatspräsident Xi Jinping den Systemwettbewerb nicht nur politisch austrage, sondern vor allem auch ökonomisch. Im Gegensatz zu den osteuropäischen Planwirtschaften im letzten Jahrhundert gelinge es China, staatliche Kontrolle geschickt mit marktwirtschaftlichen Elementen zu verknüpfen.

In der Praxis führe dies dazu, dass sich ausländische Firmen in China noch immer schwer dem Druck entziehen können, für ihre Aktivitäten dort Joint Ventures einzugehen: Nach Umfragen der Außenhandelskammern habe sich der Druck verschärft, in diese Joint Ventures neueste Technologien einzubringen.

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Gleichzeitig würden demnach chinesische Unternehmen staatlich massiv unterstützt, wenn sie in Europa Übernahmen planten: Sie profitierten von erleichtertem Kapitalzugang, Devisenzugang, Steuererleichterungen und Versicherungen. Sie könnten daher erheblich höhere Preise bieten als westliche Konkurrenten. Es sei den USA und der EU bisher auch nicht gelungen, in der Welthandelsorganisation (WTO) gleiche Regeln durchzusetzen. So sei der EU-Binnenmarkt offen für ausländische Investitionen, der chinesische weit weniger.

Matthes kritisiert in seiner Studie auch die Annahmen anderer Ökonomen, etwa des Sachverständigenrats aus dem Jahr 2016, denen zufolge Direktinvestitionen aus dem Ausland generell den Wohlstand des Ziellandes erhöhen. Matthes glaubt das nicht: Dies sei vor allem dann der Fall, wenn ein ausländischer Investor eine neue Fabrik baue, Tesla etwa in Brandenburg. Anders sei es bei reinen Zukäufen, zumal wenn das gekaufte Unternehmen technologisch überlegen ist wie bei Kuka.

Dann, so Matthes, drohe technologisches Wissen aus Deutschland schneller abzufließen, als der Vorsprung durch Forschung gehalten werden könne. China verschaffe sich so einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Er schließt daraus, dass langfristig Wohlfahrtsverluste in Deutschland entstehen könnten, weil die hiesige Industrie irgendwann immer weniger im Wettbewerb mit den staatlich gestützten chinesischen Unternehmen werde mithalten können.

„Um bei Innovationen vorn zu bleiben, müssen wir zwar zunächst unsere eigenen wirtschaftspolitischen Hausaufgaben machen“, so Matthes. „Wenn aber China weiter unfair spielt, reicht das nicht aus“, sagt er. „Das „robustere Vorgehen“ von EU-Kommission und Bundesregierung sei daher richtig.

Auch andere EU-Staaten können Grund für staatliche Prüfung sein

Die Bundesregierung hat seit 2017 das Außenwirtschaftsgesetz mehrfach verschärft. Zuletzt beschlossen Anfang Juli vor der parlamentarischen Sommerpause Bundestag und Bundesrat eine Novelle. Mit Verweis auf nationale Sicherheitsinteressen können Übernahmen leichter untersagt werden durch eine erleichterte Prüfung, wenn „eine voraussichtliche Beeinträchtigung“ der öffentlichen Ordnung und Sicherheit möglich wäre.

Auch die Sicherheitsinteressen anderer EU-Staaten können Grund für eine staatliche Prüfung sein. Die Novelle setzt auch eine neue EU-Verordnung um, die es den EU-Staaten gestattet, Übernahmen im Bereich kritischer Infrastrukturen, etwa bei Wasser, Energie, Transport, Kommunikation, Medien und Finanzwesen, zu verhindern, ebenso bei kritischen Technologien.

Die IW-Umfrage unter 1100 Firmen belegt laut Matthes die Sorge der Industrie und der industrienahen Unternehmen, was Übernahmen aus China anbetrifft. 70 Prozent der Befragten sprachen sich darin schon Ende 2018 für Einschränkungen von Übernahmen durch chinesische Investoren im Fall staatlich subventionierter Angebote oder in strategischen, technologisch bedeutenden Sektoren aus.

Matthes fürchtet, dass in der Coronakrise die Insolvenz- und damit die Übernahme-Gefahr auch für innovative Firmen wachsen könnte. „Sie dürfen nicht zur leichten Beute von Schnäppchenjägern aus China werden“, sagt er. Im Vergleich zu den USA reagiere die Bundesregierung bisher zurückhaltend mit Eingriffen gegen Übernahmen. Chinesische Käufe wurden beim Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz und beim Werkzeugmaschinenbauer Leifeld Metal Spinning AG verhindert.

Das IW spricht sich allerdings auch weiter für einen behutsamen Einsatz der neuen Übernahme-Verhinderungsinstrumente aus: Transparenz und Rechtssicherheit müssten auch weiter für alle ausländischen Investoren gelten, übermäßige Bürokratie gelte es zu verhindern.

Der frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger allerdings geht weiter: Angesichts von „America First“-Politik in den USA und staatlich gestütztem chinesischen Technologietransfer „braucht Deutschland eine aktive Industriepolitik“, sagte er dem Handelsblatt.

Mehr: Die chinesische Wirtschaft wird 2020 als eine der wenigen aller G20-Staaten ein positives Wachstum aufweisen.

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